Ernährungswissenschaftler erleben gerade keine einfache Zeit: Während in den Labors aufwändig um Mikronährstoffe, Appetithormone und andere peppige Details von Nahrungsmitteln gerungen wird, interessiert sich die Öffentlichkeit weniger denn je für diese durchgekauten individualgesundheitsrelevanten Spezialitäten.
Nein, man besinnt sich nun mehr auf das große Ganze beim Essen, auf so profane Dinge wie die Produktionsweise, die Sicherheit, die ökologischen Implikationen und nicht zuletzt auch für die ethisch-sozialen, welt-ökonomischen Kontexte von Lebensmitteln. Was vielleicht nicht ganz so doof ist, denkt man an die frohen Botschaften aus Tierhaltung und Erntehilfe, von Weltagrarmarkt und Treibhaus Erde. Nur: Mit Molekularbiologie, Nährstoffversorgung oder Gewichtsepidemiologie haben diese Dinge nicht so viel zu tun, und wenn es auf den entsprechenden Feldern unbeirrt weitergehen, wenn der große Kampf gegen die Epidemie der astronomischen Kleidergrößen schlagkräftig weitergeführt werden soll – denn nur physiologisch ist dieses Problem zu lösen – fragt sich die Ernährungsforschung jetzt: wohin?
Tja. Schwierige Frage. Und wie es aussieht, ist den Wissenschaftlern selbst auch keine adäquate Antwort darauf eingefallen. Weshalb sie sich ab sofort vertrauensvoll an den vertrauensmissbrauchten Verbraucher wenden wollen. INPROFOOD (einleuchtend kurz für „Towards Inclusive Research Programming for Sustainable Food Innovations“) nennt sich der geplante Dialog, knapp vier Millionen Euro hat die Europäische Union springen lassen, um Forscher in 13 EU-Ländern gemeinsam mit den Bürgern ein nachgerade geheimnisvolles Dilemma reflektieren zu lassen. Die im Projekt ideengebende und federführende Uni Hohenheim formuliert das in einer aktuellen Pressemitteilung wie folgt: „Trotz vermehrter Forschung und stetigen Innovationen im Lebensmittelbereich sind immer noch zu viele Europäer zu dick und ernähren sich falsch.“
Trotz? Wir erinnern uns: Vor zwei Monaten kündigte selbige Uni Hohenheim – die sich als führend in Sachen Ernährungsforschung betrachtet und dieses Image in einigen abgelegenen Bereichen ganz bestimmt auch verdient – einen glanzvollen Coup in Sachen Förderung an, ein weiteres „Schwergewicht“, wie die Uni alle mit mehr als einer Viertelmillion Euro angefütterten Projekte nennt. Hier: die „Thermophysik des Käses“, die als Voraussetzung für reibungslos bräunende Cheeseburger und Fertigpizzen offenbar nicht weit genug ergründet erschien (siehe Freitag Nr. 45/2011). Und während hüben nun also fleißig am Schmelz käsiger Produktinnovationen gebastelt wird, trommelt man drüben demnächst eine (natürlich zufällig getroffene) Auswahl von Konsumenten zusammen, die Vorschläge zur Erforschung des Übergewichtsproblems machen sollen – nicht ohne Rat und Tat der ebenfalls an den Tisch geladenen Lebensmittelindustrie, versteht sich. Die kennen sich da aus.
Man sollte nicht in Abrede stellen, dass hinter der millionenschweren Expedition ins Verbrauchergemüt auch ein guter Wille stecken könnte. Vielleicht. Andererseits drängt sich doch die Frage auf, warum die Forscher nicht erst einmal untereinander reden, um hernach einen Blick in die Zeitungen und auch mal in den nächstgelegenen Supermarkt zu werfen, bevor sie Millionen für die Suche nach neuen Produktideen verschleudern – als ob an dem, was wahrhaftig Nahrung ist, noch viel verändert werden müsste. Um Veränderung aber geht es wohl ohnehin nicht. Eher um Verantwortung. Denn wer mit am Tisch gesessen hat, darf sich übers Essen später nicht beklagen.
Kommentare 13
„Trotz vermehrter Forschung und stetigen Innovationen im Lebensmittelbereich sind immer noch zu viele Europäer zu dick und ernähren sich falsch.“ So ein Blödsinn! ... und der ganze Text gleich mit zum Sondermüll, bevor die Hungernden dieser Welt das lesen.
was für eine ausdifferenzierte überlegte kritik...
vorsicht, lieber technixer - das könnte ihnen noch als ironie ausgelegt werden.
aber mal im völligen ernst: sie haben vollkommen recht, lieber gustlik. wenn das ein hungernder liest! was soll der nur denken. vom freitag, von der westlichen welt, von den menschen, die in dieser welt des überflusses leben und schon deshalb jedes recht auf eine kritische betrachtung ihrer systemimmanenten probleme verwirkt haben? falten wir also die hände angesichts des stets größeren elends und lassen den dingen ihren lauf.
@ Gustlik
So ein Blödsinn! ... und der ganze Text gleich mit zum Sondermüll, bevor die Hungernden dieser Welt das lesen.
Liest sich wie der Text eines Fundamentalkritikers, der als Einziger mit einer weißen Food-Weste sich durch die EU schlemmt. Es wäre nett, wenn du deinen Satz politisch untermauertest und aus deinem Nahrungsalltag einige Beispiele der korrekten Ernährung hinzufügtest.
Liebe Frau Zinkant,
Des Rätsels Lösung …
Kartoffelchips, ölgeröstet, 100g = 2.260 kJ
Pommes frites frittiert, 150g = 1.325 kJ
Erdnüsse geröstet, 50g = 1.280 kJ
Vollmilchschoko, 100g = ~2.400 kJ
After Eight 100g = 2.300 kJ
Gummibärchen, 100g = 1.500 kJ
Mars, 1 Riegel 60g =1.150 kJ
Smarties, 100g = 2.000 kJ
Bier, 0,25Ltr. = ~500 kJ
Irgendetwas von dem liegt des Abends auf dem Tisch … und wirkt
lieber kunibert hurtig,
also - wer hätte das gedacht, dass sie so ein kalorientabellenfanatiker sind. sie sollten sich für das projekt anmelden, als berater der forschung. eine zusatzfrage allerdings hätte ich: welche der aufgezählten produkte würden sie ernsthaft als nahrungsmittel bezeichnen? ich sehe zwei.
Es wäre nett, wenn du deinen Satz politisch untermauertest und aus deinem Nahrungsalltag einige Beispiele der korrekten Ernährung hinzufügtest.
fänd ich auch nett. :)
also - wer hätte das gedacht, dass sie so ein kalorientabellenfanatiker sind.
Ööhhh ja, nun … also offen gestanden habe ich eine halbe Std. nach dem Buch gesucht, schließlich wollte ich Ihnen ja etwas Info geben. Sodann habe ich seit Silvester ca. 6 kg abgenommen. FdH hilft wirklich, aber am besten ist die Abwesenheit von Bier und so was … :-)
sie sollten sich für das projekt anmelden, als berater der forschung.
Jaaaa … da habe ich hervorragende Rezepte (ich kann nämlich auch kochen, also nicht nur Wasser und Eier und Pizza inne Schublade)
z.B.: 1 Salatblatt mit reinem Essig und Motorenöl sowie einer Tasse flüssiger Butter (ála Kalli) und einem saugfähigen Brötchen.
eine zusatzfrage allerdings hätte ich: welche der aufgezählten produkte würden sie ernsthaft als nahrungsmittel bezeichnen? ich sehe zwei.
Zwei? Hhmmm ... Vollmilchschoko Gummibärchen tippe ich mal
ok, dann die ernst gemeinte auflösung: erdnüsse (sofern in schale geröstet) und bier. jaja. bier.
macht bier dick? ich sage: nein. jedenfalls nicht direkt. ist ja im vergleich zu wein zb ein eher kalorienarmes getränk. alkohol macht aber hungrig, weil er den blutzucker senkt. und da kommen dann die anderen sachen auf den plan: industriell aufgeschlossene produkte wie der gemeine presskartoffelpulverchip, stark gesalzen und unheimlich schnell verspeist. oder etwas vergleichbares. die folge: durst. noch ein bier. und noch eins. dann wieder hunger. usw. - hier liegt meiner ansicht nach ein knackpunkt
die traurige beobachtung bei alkoholikern, die vor lauter sucht jeden appetit verlieren, ist ja auch, dass sie meistens ganz furchtbar an gewicht verlieren.
aber sie dürfen mir meine gewagte these jetzt gern um die ohren hauen. ich habe nämlich keine beweise :)
Nix Ohrenhau ...
macht bier dick? ich sage: nein. jedenfalls nicht direkt.
Korrekt ... ABER Bier enthält aus den Hefen Östrogen in geringen aber signifikanten Mengen. Das vermittelt dem männlichen Metabolismus eine Ahnung von Schwangerschaft; also bildet sich ein Vorratsgeschwür am vorderen Körper, so als Reserve für gaaaaanz schlechte Zeiten ... nur wird das nichts mit der Geburt, aber das ist ja bekannt
(Das mit dem Östrogen habe ich von einem Lebensmittelchemiker)
LG Kuni
Jaja, wenn das ein Hungernder liest. Und wenn erst die Analphabeten herausfinden, dass wir uns die ganze Zeit hinter ihrem Rücken über Bücher ausgetauscht haben.
Allerdings kann ich Gustliks Kritik soweit verstehen, dass mir dieser Essensfetisch ein wenig auf den Geist geht, ganz allgemein. Leider habe ich auch keine fundierte Grundlage und so ist alles was ich nun schreibe lediglich Meinung und persönliche Erfahrung. Aber es gibt ja Kreise, da zählt das mehr als Wissenschaft.
Es ist die Bewegung, oder noch allgemeiner, der Verhältnis von Kalorienzufuhr und Kalorienverbrauch. Wenn ich hier einmal offenläge, was ich den Tag über so vertilge und meinen BMI preisgebe, könnte der eine oder andere staunen. Wer gerne isst, und nicht schwer sein will, muss sich bewegen. Dabei aber nicht, wie ich es vor einigen Tagen sah, während des Bewegens Nahrung zu sich nehmen auch keine isotonischen Getränke :-)
Da fällt mir ein, ich hatte noch irgendwo...ein Video... wo ist es denn....ah hier:
Guten Morgen,
"Wenn ich hier einmal offenläge, was ich den Tag über so vertilge und meinen BMI preisgebe, könnte der eine oder andere staunen."
Du rennst bestimmt den ganzen Tag von A nach B, oder?
wg. Essfetisch (Achtung, das könnte jetzt etwas esotherisch klingen:-) ): wer ein gutes Verhältnis zu seinem Körper hat, der hört auch, was dieser braucht.
Und diese Sache mit dem sich "wohlfühlen in der eigenen Haut" ist auch nicht zu unterschätzen. Da spielt der BMI dann eher eine untergeordnete Rolle - das sagt hier aber wohlgemerkt eine, die sich nieeeeeee Gedanken darüber machen musste, was und wieviel sie zu sich nimmt - trotz Bewegungsresistenz (die durch die Anschaffung eines Hundes besiegt wurde)...
Auch von mir: einen schönen Tag!
Klingt ein bisschen so, kann ich aber nachvollziehen ;-)
Mittlerweile bin ich durch die FC ein wenig geschult, das politische hinter dem privaten zu suchen.
Zum einen weiß im Grunde jeder, dass Übergewicht der Gesundheit nicht förderlich ist. Trotzdem ist es weiterhin wichtig, über die folgen aufzuklären. Ich bin aber gegen Verbote von Nahrungsmitteln oder Sanktionen gegen Nahrungsmittel oder, schlimmer, einzelne Menschen.
Man könnte sich aber einmal fragen, ob die Umgebung die wir uns geschaffen haben, Freude am Bewegen weckt. Wenn ich so von A nach B laufe und nicht alle Nase lange Gefahr laufen will überfahren zu werden, muss ich mich ein ganzen Stück bewegen. Als Kind habe ich auf dem Dorf gewohnt und konnte direkt vor der Haustür spielen. Im Moment wohne ich in der Stadt und stelle mir vor, wie ich mich als Kind entschieden hätte, wenn die Straße vor der Tür zum spielen nicht geeignet wäre, weil an der Seite alles voller Autos steht und auf der Straße alles voller Autos fährt. Ich wäre drin geblieben und hätte noch ein wenig Fern gesehen.