Es gab eine Zeit, da waren Vampire etwas, vor dem man sich fürchten durfte – ein Mythos und Aberglaube, der seine Verarbeitung in Ekel bis Grusel erzeugenden Büchern und später dann in Filmen fand und dessen Überschneidung mit der Realität sich im Wesentlichen auf gewisse Ähnlichkeiten mit Fledermäusen beschränkte.
Inzwischen ist das anders. Denn Dracula ist jetzt einer von uns. Er heißt Angel (in der Serie Buffy – im Bann der Dämonen), Edward (in der Twilight-Saga) oder Bill respektive Eric (in True Blood), er sieht auf jeden Fall gut aus und hat je nach Konstruktionstypus auch keinerlei Probleme mehr mit Weihwasser, Kruzifixen, Knoblauch oder Tageslicht, womit das Fabelwesen um ein paar wichtige, weil wissenschaftlich unhaltbare Eigenschaften entlastet und mithin nicht nur gesellschaftsfähig geworden ist, sondern auch regelrecht vorstellbar – wenn man mal den fehlenden Herzschlag, die übernatürlichen Lauf- und Schlagfertigkeiten, die absurde Selbstheilungskraft und natürlich die Ernährungsweise außen vor lässt.
Obwohl: Blut als solches, das kennt man von allerlei Tieren und sogar Säugern, scheint nicht allzu nährstoffarm zu sein. Und eines wird vor allem in True Blood ziemlich exzessiv vorgeführt: Solange man es mit dem Saugen nicht übertreibt, also maßvoll konsumiert, muss man sich auch gar nicht mit dem industriell gefertigten Synthetikblut aus Flaschen (titelgebender Produktname „True Blood“) abgeben, das – welch charmante Parallele – ohnehin nicht so gut ist wie das natürlich hergestellte. Wer sich blutbewusst ernährt, tut das sozusagen nachhaltig und kann auf den nachwachsenden Rohstoff zählen. Allein die Nahrungsquelle sollte supplementieren, wie Bill seiner hauptsächlich menschlichen Freundin Sookie nach der ersten Liebesnacht und dem dazugehörigen Biss erklärt: „Du solltest jetzt Vitamin B12 einnehmen, das regt die Blutbildung an“. Keine Liebe, das lernt der Zuschauer hier nebenbei, ist wirklich selbstlos.
Auch für Sterbliche nahrhaft
Aber zurück zum Blut: Es ist ja nicht so, dass der Mensch keines vertragen würde und man erst sterben müsste, um sich dann als Untoter ausschließlich davon zu ernähren. Frisches Blut ist auch für Sterbliche nahrhaft, im Grunde eine Art flüssiges Fleisch, etwas mager vielleicht, aber reich an Eiweiß, Eisen und anderen Mineralien und per 100 Milliliter mit immerhin genau so vielen Kalorien wie ein Schokoladenriegel ausgestattet. Und wo der Mensch sich den Luxus des grenzenlosen Tieretötens oder Blutweggießens nicht erlauben kann – oder will –, greift er traditionell ja schon immer auf Blut als Lebensmittel zurück. Die Inuit etwa trinken Seehundblut, angeblich lässt sich danach eine Veränderung ihres eigenen Blutes beobachten und ein Gewinn an besonderer körperlicher Kraft. Ähnlich bei den Massai: Rinderblut und Milch gelten als unentbehrliche Grundlage ihrer Ernährung. Als Vegetarier müsste man hier wohl verhungern.
Woher nun aber das neue Interesse an dem roten Saft, diese Verklärung von einst horrifizierenden Blutsaugern, die sachliche Betrachtung einer Fantasterei als Option, und das alles noch in einer Zeit, da sich die Gesellschaft vom Tier als Nahrungsquelle abwendet? Das kann kein Zufall sein. Friss dich selbst statt hilflose Schweine, das wäre im Angesicht des Welthungers eine gar nicht mal so haltlose Perspektive, auch wenn Menschenblut als Nahrungsquelle zunächst ethisch fragwürdig erschiene. Aber mit etwas Vitamin B12 sozusagen die regenerative Nahrungsenergie der Zukunft. Bloß schmecken tut es nur Vampiren.
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