Wenn Männer übers Kinderkriegen nachdenken

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Vorneweg: Männer sollen auf jeden Fall übers Kinderkriegen nachdenken, und die meisten Männer um die Dreißig, die ich kenne, haben zu dem Thema ein sehr entspanntes Verhältnis. Entspannt in dem Sinne, dass sie nichts ausschließen, aber auch keine Panik schieben, falls die Freundin noch nicht will. Schließlich, und das ist nunmal die biologische Tatsache, muss die Frau das Baby kriegen. Sie muss es gebären, stillen, betüdeln und vor allem all die hormonellen Zustände ertragen, die aus Frauen erst überempfindliche Fremde und später ängstliche Superglucken machen. Kurzum: Vater werden ist nicht schwer, Vater sein vermutlich sehr. Aber Mutter werden und sein verändert das Leben einer Frau, und zwar auf ziemlich drastische Weise, und zwar vor allem in einer Gesellschaft, wie der unseren.

Vor diesem Hintergrund wundert man sich dann schon, wenn manche Männer in Zeitungen übers Kinderkriegen schreiben, als sei das allein eine Frage von Mut und Herz. Die FAZ beschenkt uns heute zum Beispiel mit einem Leitartikel über die Präimplantationsdiagnostik, die besagtes Herz zur entscheidenden Instanz erhebt, weil ein Kind eben demütig unter diesem zu tragen ist, anstatt es zum Objekt der zunehmenden Technisierung zu machen, welche alle „natürlichen Risiken“ des Kinderkriegens auszuschalten sucht – immer bestrebt, die Grenzen des Machbaren nicht nur zu erweitern, sondern auch zu überschreiten.

Mich würde da schon interessieren, ob Daniel Deckers, ehemaliger Klosterschüler, Theologe und der Autor dieser etwas undifferenzierten Fortschrittsverneinung, seiner Frau anlässlich der Geburt von immerhin sechs gemeinsamen Kindern jeweils die Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen, jeden Ultraschall, das CTG und letztlich auch den Besuch im Kreißsaal untersagt hat, um die „natürlichen Risiken“ möglichst nicht durch unnatürlichen Technikkram zu minimieren. Und selbst wenn es inmitten unserer Gesellschaft Frauen gibt, die ihre Kinder aus lauter Sehnsucht nach Natur lieber in einer Lehmhütte als in einer Klinik zur Welt bringen: Niemand wird hoffentlich der Ansicht sein, es sei besser, ein übertragenes Kind in grünem Fruchtwasser sterben zu lassen, als ihm per Kaiserschnitt den Weg in ein gesundes und hoffentlich glückliches Leben zu ermöglichen.

Was Deckers wohl vergisst ist auch, dass die wenigsten Frauen, die heute eigenständig leben, sich bilden, erfolgreich im Beruf sind und ordentlich Steuern zahlen, vor Mitte Dreißig überhaupt dazu kommen, an Kinder zu denken, und damit in der Regel deutlich verringerte Chancen auf gesunden Nachwuchs haben. Viele kommen nicht einmal dazu, sich einen Partner zu suchen, und wenn dann doch, sieht es schlecht aus auf dem Markt. Die Sonntagszeitung der FAZ hat das erst in ihrer vergangenen Ausgabe im Gesellschaftsteil beklagt. Den Artikel hätte auch Jan Grossarth lesen können, der in der „Lounge“ der heutigen FAZ über die Angst vor dem Elternwerden abchillt, und dabei verwundert feststellt, dass eine Freundin sich noch Zeit lassen will mit dem Kinderkriegen, dabei – oh my god! - ist sie schon 34!

Sich Zeit lassen wollen heißt dabei vielleicht einfach genau das: sich nicht unter Druck setzen lassen wollen. Diesen Druck gibt es, und er ist auf eine perfide Weise größer als früher. Neben den Ansprüchen an die Frau als emanzipierte Leistungsträgerin fällt man heute nämlich zusehends darauf zurück, in alten Rollenmustern zu denken. Und wenn man dann studiert, geackert und ein paar schwierige Beziehungen hinter sich gebracht hat, muss man schleunigst noch den Job als fruchtbare Super-Mom erledigen, bevor die biologische Uhr ausgetickt hat und die „natürlichen Risiken“, die ja offenbar hinzunehmen sind, die erfolgreiche Pflichterfüllung verhindern (über die man aber auf keinen Fall vergessen dürfte, im Beruf zu reüssieren!)

Und die Erzeuger? Jan Grossarth, ich habe mir erlaubt, das nachzuschauen, wird kommendes Jahr 30. Vielleicht geraten deshalb auch die Betrachtungen übers eigene Geschlecht etwas plakativ. Männer, zitiert er eine Statistik, wünschten sich zu selten Familie. Dabei würden sie einer anderen Statistik zufolge doch total glücklich damit, wenn sie eine hätten. Auch hier also: Kein Mut, das Richtige zu tun. Schonmal überlegt, dass heute, da Frauen höheren Ansprüchen ausgesetzt sind, vielleicht auch für Männer höhere gelten, neue zumal, die aber ebenso mit alten Rollenfragmenten durchsetzt sind, wie bei den Frauen? Nicht jeder hat darunter zu leiden. Aber viele schon. Nur dass Männer über sowas leider nicht so viel reden. Oder schreiben. Wie sähe das denn aus?

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Geschrieben von

Kathrin Zinkant

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Kathrin Zinkant

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