Widernatürliches Essen

Zutaten Als ob der gute alte Zucker wirklich das Problem wäre: eine Begegnung mit industriellen Inhaltsstoffen

Industrielle Lebensmittel herzustellen ist ein ziemlich anspruchvolles Unterfangen – zumindest so lange, bis man unbegrenzt über Zutaten verfügt, die immer exakt gleich sind in ihrer Zusammensetzung und Qualität. Weshalb sich normale Nahrungsmittel gar nicht gut eignen. Höchstens als Rohstoff, aus denen in kontrollierbaren Prozessen Bausteine modernen Essens gewonnen werden.

Glukosesirup gehört da klar zu den Produkten der Zukunft. Gewonnen wird er enzymatisch, mithilfe von Amylase, aus dem massenmonokulturellen Spitzen-Agrarrohstoff Mais, genauer: aus der Maisstärke. Deren Verdauung bringt einen flüssigen Zuckerbrei hervor, der im Gegensatz zum verpönten Haushaltszucker nicht mal mehr vom Körper überbearbeitet werden muss und wahnsinnig billig ist. Neben dem Hauptbestandteil Glukose enthält der Sirup eine steuerbare Menge Fruktose und heißt dann je nach Hauptbestandteil Glukose-Fruktose-Sirup und Fruktose-Glukose-Sirup. Sie sind inzwischen weitverbreitet und tragen einen wesentlichen Anteil am viel beklagten hohen Zuckerkonsum.

HFCS (High Fructose Corn Syrup) ist das in den USA massenhaft eingesetzte Extrem. Der Grund: Fruktose ist viel süßer als Zucker und macht sich als „Fruchtzucker“ im Zweifelsfall auch besser – obwohl die so erzeugten, widernatürlichen Mengen physiologisch nicht zu stemmen sind für den Körper, und sofort als Fett deponiert werden.

Modifizierte Stärke ist ebenfalls ein ausschließlich industrielles Phänomen, gewonnen wird sie durch chemische, physikalische oder enzymatische Behandlung, meist ebenfalls aus Mais. Einziger Grund für die Modifikation ist die technische Verarbeitbarkeit: Das so gestählte Kohlenhydrat lässt sich sowohl als Klebstoff als auch extrem breit als Lebensmittelzutat einsetzen. Als Verdickungsmittel zum Beispiel oder als befremdlicher Inhaltsstoff von Brot und Brötchen.

Carrageen ist ebenfalls ein Verdickungsmittel, das in Marmeladen („Fruchtaufstrichen“) und einer kaum noch zu überschauenden Zahl anderer Lebensmittel als technischer Hilfsstoff eingesetzt wird. Weil es mal traditionell aus Rotalgen gewon-nen wurde, umweht Carrageen ein Hauch von Natürlichkeit, industriell wird es heute aber chemisch extrahiert. Es ist in Bio-Produkten erlaubt und stabilisiert fast jede Schlagsahne – weil sich das Fett sonst oben absetzt und die Sahne vor dem Öffnen geschüttelt werden muss. Inzwischen hat man Richtwerte für Carrageen empfohlen, weil unklar ist, ob der Stoff in seiner kaum unübersichtlichen Einsatzbreite nicht doch schädlich werden könnte.

Gehärtetes Pflanzenfett ist eigentlich schon derart verpönt, dass viele Hersteller auf die Verwendung des schädlichen Stoffes zu verzichten versuchen und stattdessen lieber mehr Emulgatoren und Verdickungsmittel in ihre Produkte packen. Aber das perfide Fett, das technisch durch eine Sättigung mit Wasserstoff (Hydrierung) entsteht und deshalb in der Natur nicht bekannte Transfettsäuren enthält, ist nicht totzukriegen und findet sich immer noch in einer erstaunlichen Zahl von Produkten, vor allem in Trockenprodukten, die pflanzliche Öle enthalten. Transfettsäuren gelten als extrem schädlich für Herz und Kreislauf. Sie können sich vermutlich in die Hüllen von Körperzellen einlagern.

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Geschrieben von

Kathrin Zinkant

Dinosaurier auf der Venus

Kathrin Zinkant

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