Wo bleibt Dr. House?

Spurensuche „Outbreak“ in Bienenbüttel: Alle warten auf das Ende des Krimis – aber das Leben ist leider keine Fernsehserie

Über Geduld ist nicht erst in den vergangenen Tagen reflektiert worden, und Vergleichbares gilt für die Anerkennung der Tatsache, dass man im Leben allgemein – und besonders in Momenten großer Bedürftigkeit – nicht alles kriegt, was man gerne möchte. Das Kind lernt das, Sigmund Freud zufolge, in der Latenzphase seiner psychosexuellen Entwicklung. Das ist ein schmerzhafter Prozess, aber wohl auch einer, der selten richtig klappt oder wahlweise reversibel sein muss, denn Geduld und Verzicht sind nicht eines jeden Sache.

Schuld daran ist natürlich nicht das Internet, sondern das Fernsehen. Dort kriegen immer alle alles, führt die Handlung auf mehr oder weniger direktem Weg zum Ziel. Zur Liebe. Zum Geld. Oder, meistens, zum Täter. In einer nachgerade unüberschaubaren Zahl von Serien wird dieses Prinzip der erfolgreichen Suche so verlässlich durchkonjugiert, dass man es fast langweilig finden müsste, aber trotzdem – oder gerade deshalb? – geht es Staffel um Staffel weiter. Weil auch der Weg ein Ziel ist und man gerne sieht, mit welch raffinierten Mitteln von Gentest über Straftat bis Zauberei die Protagonisten ein ums andere Mal zum erwartbaren Ergebnis gelangen. Und das in einem Tempo, das den Zuschauer nicht zur Geduld nötigt.

Im Fall von Gregory House, M.D., etwa spielt sich die Suche stets im Umfeld eines akut und scheinbar hoffnungslos Erkrankten ab. Die Symptome des unbekannten Leidens gewinnen im Verlauf einer Folge an Drastik, die Assoziationsspielchen und Tricks nehmen Fahrt auf. Meistens schickt House sein Team los, um nach der Quelle der Krankheit zu suchen. Mit Gummihandschuhen, Umhängesammeltasche und Pinzetten bewaffnet brechen zwei schöne Ärzte in die Wohnungen des Patienten ein, durchforsten akribisch dessen materialisierte Existenz samt Essensresten, nehmen Proben und sammeln Indizien. Erste Spuren erweisen sich als so heiß wie völlig falsch, Zeit wird vergeudet, aber das macht nichts. Ganz egal, wie neu der Erreger, wie selten der Krebs, wie absurd die Diagnose ist: Selbstverständlich findet nerdy House am Ende nicht nur ­raus, was der Patient hat, sondern auch, woher die Krankheit rührt. Manchmal stirbt der Patient zwar trotzdem. Aber der Tathergang wird aufgeklärt. Es gibt für alles eine Erklärung. Niemand muss verzichten.

Es wird immer mysteriöser!

Das echte Leben kommt im Fernsehen auch vor. Und auf den ersten Blick erscheint es vertraut: Ein „aggressives“ Bakterium treibt sein Unwesen. „Fieberhaft“ suchen Experten nach der Quelle, sequenzieren das Erbgut der Bakterie, erkennen einen „Superkeim“, einen „Hybridklon“. Experten schwärmen aus, ein Sprecher in Hamburg verrät, dass die Trupps auf der Suche nach der Ursache der „Seuche“ auch in die Wohnungen der Erkrankten gehen (natürlich mit Erlaubnis). Rasch gibt es eine heiße Spur, sie führt auf spanische Gurkenfelder, erweist sich bloß als völlig falsch. Die Ermittler tappen im Dunkeln, es wird immer „mysteriöser“. Dann gibt es neue Hinweise. In einem weißen Van mit geschwärzten Scheiben treffen Spezialisten in einem Dorf in Niedersachsen ein. Es ist „wie Krimi“, sagt eine Moderatorin. „Outbreak“, sagen andere. Man könnte der Polizei wegen auch an CSI denken.

Aber etwas stimmt nicht. Die Suche müsste langsam mal zum Täter führen. Die Zuschauer verlieren die Geduld. Steckt was anderes dahinter? Bioterror? Lupus ist auch immer eine Möglichkeit bei Dr. House, aber das hier, wird nun klar, ist ja Bienenbüttel. Und es kann sein, dass das Publikum verzichten muss. Nicht nur auf Salat. Und nicht nur dieses Mal.

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Geschrieben von

Kathrin Zinkant

Dinosaurier auf der Venus

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