Der brave Soldat und die Zivilgesellschaft

Bundeswehrveteranen Dieser Beitrag ist kein Plädoyer für die Bundeswehr. Er will fragen: Warum sind uns Soldaten eigentlich suspekt? Und warum ist das ein Problem?

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Militär in Deutschland ist und bleibt fragwürdig. Man mag das auf unsere Geschichte zurückführen. Auf die Tatsache, dass militärische Schlagkraft für Deutschland und Europa im 20. Jahrhundert zu den zwei größten Katastrophen der Moderne geführt hat. Dabei hat die abwehrende Haltung gegenüber Militär nicht einmal notwendigerweise rationale Argumente. Oft ist es vielleicht einfach ein Unbehagen gegenüber allem, das wir mit militärischer Autorität oder uniformierter Staatsgewalt assoziieren.

Der deutsche Heimatfilm der 1950er Jahre und die heutige Gesellschaft zeigen da ein ziemlich ähnliches Bild.

Vom "Der Förster vom Silberwald" bis "Rosen blühen auf dem Heidegrab" - Militär und Staatsgewalt sind in den Heimatfilmen der 1950er Jahre entweder gänzlich abwesend oder werden als schwach, wenig autoritär und unmoralisch gezeigt - meistens in der Form des dümmlichen Dorfgendarmen. Der einzige Mann mit Gewehr, der das Herz der Dame und den Respekt der Dorfgemeinde gewinnt, ist der Jäger. Die Gründe dafür sind leicht zu erkennen: Männer in Uniformen sind nur wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs suspekt. Egal ob Soldat und Dorfpolizist.

http://images.kino.de/flbilder/max09/auto09/auto30/09300539/b640x600.jpg Heute erleben wir jenseits der Leinwand etwas ganz ähnliches: Militär ist suspekt oder gänzlich unsichtbar. In deutschen Großstädten wird man kaum einem Soldaten in Uniform begegnen. Und auch in den meist kleineren Garnisonsgemeinden, in denen die Bundeswehr als wirtschaftlicher und sozialer Akteur Teil der Gesellschaft ist, sind militärische und zivile Lebenswelten getrennt. Und sie triften immer weiter auseinander.

Seit der Bundeswehrreform 2012 wurden viele Standorte geschlossen bzw. zusammengelegt. Kasernen und Truppenübungsplätze sind ohnehin oft nur in ländlichen Gegenden angesiedelt. Die wenigen Eindrücke, die wohl die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland von der Bundeswehr bekommt, entstehen über die Bilder der aktuellen Berichterstattung oder Reportagen über den "Alltag" der Bundeswehrsoldaten. Oder in Satiresendungen, welche die leider tatsächlich oft etwas ungünstigen Selbstvermarktung der Bundeswehr zum Stoff machen.

http://gerhardbreunig.de/b2evolution/media/users/web317/Granaten%20Uschi.jpg?mtime=1390640718Der dumme Gendarm und Uschi's Truppe - ist das alles nur ein Witz?

Wohl kaum. Satire ist eine gesunde, manchmal auch produktive Kommunikationsform zwischen Gesellschaft und Politik. Nur das der Entfremdungsprozess zwischen der Bundeswehr und der Zivilgesellschaft keine Lacher erntet, sondern Ignoranz. Wen interessiert schon das Verhältnis zwischen jenen Bürgern, die ihr Leben in den Dienst der Sicherheit stellen, und denen, für die sie es tun? Zugegeben: vielleicht hat diese Distanz nichts mit unserer Geschichte zu tun. Vielleicht bietet unsere heutige pazifistische und demokratische Gesellschaft, in der nunmal ein Parlament und kein einzelner Despot (oder Minister) über die Einsätze des Bundeswehr entscheidet, keine genügende Angriffs- oder Misstrauensfläche mehr. Das könnte jedoch bedeuten, dass die jüngeren Einsätze der Bundeswehr unser Unwohlsein hervorrufen. Und zurecht darf man die wacklige Legitimation für eine Intervention wie im Kosovo oder Entscheidungen mit tragischen Folgen wie die Luftangriffe bei Kunduz hinterfragen.

Aber warum nehmen wir das so persönlich?

Berufssoldaten haben sich in den Dienst an der Waffe gestellt. Das ist eine Entscheidung, deren Sinn sich manchem Pazifisten nicht erschließt. Genauso wenig vielleicht, wie für einen Sozialarbeiter die Berufswahl eines Unternehmensberaters nachvollziehbar ist. Nur differenzieren wir zwischen dem Soldat als Beruf und als Person kaum, während wir doch sonst den meisten Professionen eine gewisse Trennung zum Privaten zugestehen. Das erklärt vielleicht, warum die Entfremdung von Militär und Gesellschaft beiderseitig funktioniert: die Gesellschaft reduziert den Soldaten auf seinen Beruf, während der Bürger, der als Soldat arbeitet, sich von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlt und in seinen privat-beruflichen Raum zurückzieht.

Um diese Kluft zu überbrücken, gibt es ja zum Glück die Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr.

Ein früheres Stiefkind, was nun unter der Führung der Verteidigungsministerin neue, auch finanzielle Aufmerksamkeit bekommt. Fraglich bleibt jedoch, ob die kreativen Planer des vermeintlich besseren Image der Bundeswehr sich wirklich mit der Realität auseinandergesetzt haben. Oder vielleicht haben sie nur nach schönen Formen gesucht, ein altes Wunschimage zu verkaufen: Der Soldat als Staatsbürger in Uniform. Bürger und Bürgerinnen wie du und ich und dann auch noch von nebenan.

Nichts an diesem Image stimmt. Soldaten und Soldatinnen, die in den letzten 12 Jahren im aktiven Dienst waren, haben mit großer Wahrscheinlichkeit direkt oder indirekt mit dem Afghanistan-Einsatz zu tun gehabt. Eine ganze Generation von Soldaten, die nicht mehr nur in der Theorie das sicherheitspolitische Schutzschild der Bundesrepublik ist, sondern tatsächlich und leibhaftig Krieg in einer so noch nie da gewesenen Form erlebt hat.

Das verändert: Körper, Psychen, Familien, Freundschaften, soziales Umfeld. BW-Hauptmann Marcel Bohnert, Herausgeber der Aufsatzsammlung "Armee im Aufbruch. Zur Gedankenwelt junger Offiziere in den Kampftruppen der Bundeswehr", war Chef einer Infanteriekompanie in der Task Force Kunduz. Nicht nur die Verhältnisse in Afghanistan haben ihn nachhaltig beeindruckt. Auch die Rückkehr nach Deutschland versetzte ihn in einen, wie er sagt, Rückkehrerkulturschock. Wie kann man Zuhause wieder anknüpfen an Alltäglichkeiten? Wie geht man mit Problemen um, die im Vergleich zum Einsatz marginal, aber in Deutschland nichts desto weniger dringend und bedeutsam sind? Wie spricht man mit Freunden und Familie über das, was man erlebt hat? Kann man es? Will man es? Zu welchem Ergebnis?

So zu tun, als ob diese Soldaten und Soldatinnen generell wie du und ich seien, ist so absurd, wie zu behaupten, Unterschiede in Bildung oder Beruf würden keine sozialen Barrieren schaffen. Es wäre aber genauso fatal diese gesellschaftliche Trennung als gegeben hinzunehmen. In letzter Konsequenz würde das nämlich bedeuten, das in Deutschland eine immer größer werdende Gruppe von Veteranen entsteht, die von der sie umgegebenen Gesellschaft und sich selbst als eine nicht zu integrierende Minderheit empfunden werden.

Was sind überhaupt Veteranen? Einsatzrückkehrer? Psychisch oder physisch Versehrte? Im September 2011 "bekannte" sich der damalige Verteidigungsminister Thomas de Mazière zu dem Begriff "Veteran". Unklarer ist jedoch, wie viele solcher Veteranen - also per Definition Soldaten, die im Auslandseinsatz waren - es heute überhaupt gibt. Schätzungen zufolge sind es über 300.000. In etwa die Einwohnerzahl von Karlsruhe, Bonn oder Münster. Viele dieser Soldaten und Soldatinnen sind jünger als 30 Jahre. Diese Menschen haben nichts zu tun mit den ehemaligen Wehrmachtssoldaten, die aus der Idylle der Heimatfilme radiert wurden. Dennoch sind sie unsichtbar, in einer "pazifistischen Gesellschaft mit einer Grundskepsis gegenüber allem Militärischen" (Bohnert).

Die Skepsis gegenüber sicherheitspolitische Entscheidungen, Rüstungsindustrie und militärische Allianzen sollte diese Gesellschaft unbedingt behalten. Ihr Unwohlsein gegenüber Veteranen sollte sie zugunsten eines offenen Dialogs und einem Mindestmaß an Solidarität ablegen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Kathrina Edinger

Freie Journalistin und Historikerin. Schwerpunkte im Bereich Gesellschaft, Jugend, Migration, Zeit- und Kulturgeschichte, v.a. in TV/Film und Hörfunk

Kathrina Edinger

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