Der Teufel ist ein Häschen

Playboy Hugh Hefners Magazin hat die Grenzen zwischen den Geschlechtern geöffnet, sagt die Philosophin Beatriz Preciado

Der Freitag: Frau Preciado, in Ihrem Buch Pornotopia beschreiben Sie, dass das Playboy-Häschen zunächst ein Bild für die neue Männlichkeit war, für die das Magazin und sein Herausgeber Hugh Hefner in den fünfziger Jahren standen. Erst später wurde es zum Symbol für die weiblichen Bunnies. Was können wir von diesem Hasen über den Playboy lernen?

Beatriz Preciado: Der Playboy-Hase sah zu Beginn genauso aus wie Hugh Hefner, eben mit Hausschuhen und Morgenmantel als Symbol für den verspielten, jovialen Junggesellen – das Gegenbild zum Soldaten und Familienvater. Hier kann man sehen, wie eine Mythologie entsteht. Man konstruiert fiktionale Bilder, mit denen sich die Menschen identifizieren können.

Ein Mythos in Puschen?

Ja, das Ganze wirkt, wie so vieles im Playboy, sehr kindisch. Das hat mich wirklich verwundert, als ich anfing, mich damit zu beschäftigen. Ich hatte diese Bilder aus dem feministischen Diskurs im Kopf und dachte, das sei der Teufel. Aber als ich näher hinsah, merkte ich: Der Teufel ist nur ein Häschen.

Im Gegensatz zur traditionellen feministischen Porno-Analyse, die nach der Repräsentation der Frau fragt und nach Machtverhältnissen, konzentrieren Sie sich auf den männlichen Part.

Traditionell stand Pornografie für den männlichen Blick, der Gewalt am weiblichen Körper verübt. Aber Pornografie ist auch eine Technik zur Kontrolle der Masturbation. Sie richtet sich an den männlichen Körper und damit an die männliche Subjektivität. Klar, Frauen wurden als Zeichen konstruiert, um das Objekt des männlichen Blicks zu sein. Aber gleichzeitig wurde der männliche Körper produziert, diszipliniert und kontrolliert, um mit diesen Bildern zu masturbieren. Es geht eben nicht nur um das, was man sieht. Pornografie ist eine Körper-Technologie. Es geht um Technologien, die Lust produzieren.

Kommt hier auch die Architektur ins Spiel, um die sich Ihre Analyse des Playboy dreht?

Genau. Als ich begann, an einem Lehrstuhl für Architektur Seminare über Geschlechtertheorie zu geben, redete ich über die Konstruktion von Geschlechterrollen. Meine Zuhörer waren Konstrukteure, und sie verstanden das Ganze eben in einem sehr technischen Sinn. Daher betrachte ich Pornografie auch als eine tatsächliche Technologie. Eine Technologie des Raumes. Pornografie hat mit der Trennung zwischen dem privaten und dem öffentlichen Raum zu tun und damit, wie diese Trennung historisch konstruiert wurde.

Nämlich wie?

Das Private war der Raum der Intimität, Weiblichkeit und Reproduktion. Der öffentliche Raum war dagegen männlich konnotiert und stand in Verbindung mit Produktion und Politik. Das Familienheim im Vorort stand den Stätten der indus-triellen Produktion gegenüber.

Auf welche Weise hat der Playboy das verändert?

Der Playboy hat in den fünfziger Jahren dazu beigetragen, diese Trennung zu verwischen. Männer durften sich nun auch für Inneneinrichtung und Design interessieren. Das war ein klarer Angriff auf das heterosexuelle Familienbild und die Trennung zwischen Weiblichkeit und Männlichkeit.

Hugh Hefner ist inzwischen ein alter Mann. Am Ende von Pornotopia beschreiben Sie, wie der Playboy heutzutage an Einfluss verliert. Gibt es zeitgenössische Medien, die in seine Fußstapfen treten?

Ich bin überzeugt, dass Facebook heute das ist, was der Playboy für die fünfziger Jahre war. Mit Hefner und dem Playboy wurde eine neue Idee davon etabliert, was ökonomische Produktion bedeutet. Der Playboy präsentierte als Erster den horizontalen Arbeiter, im Gegensatz zum vertikalen Arbeiter der Fabrik oder des Fließbands. Der Unterschied zwischen Spaß und Arbeit verschwimmt. Das beste Beispiel dafür ist Hefners rotierendes Bett, in dem er sich immer wieder ablichten ließ.

Mit einer Menge Schreibkram und einigen Frauen um sich herum ...

Es ist ein Gegensatz zur gesamten Geschichte der Architektur und Inneneinrichtung, in der das Bett der Ort der Intimität, Sexualität und Reproduktion war. Für Hefner dagegen ist das Bett Arbeitsplatz und öffentlicher Raum. Es ist mit Multimedia-Technik ausgerüstet, kann das gesamte Haus überwachen und wird gleichzeitig selbst gefilmt. Hefner hat nicht zuletzt den Weg für Big Brother bereitet. Aber nicht nur das. Er hat das Verhältnis vorweggenommen, das wir heute zu unserem Computer haben. Er ist gleichzeitig Arbeitsplatz und der Ort, an dem wir uns ständig selbst entwerfen und unsere Identität konstruieren: zum Beispiel über Bilder, die wir von uns machen und online stellen und die zum sogenannten Privatleben gehören.

Ist Facebook eigentlich ein Fortschritt?

Neue Technologien heben traditionelle Trennungen auf und versuchen gleichzeitig häufig, einen bestehenden Code neu zu etablieren. Der Playboy hat in den Fünfzigern die Trennung zwischen privat und öffentlich herausgefordert, aber er hat trotzdem auf eine sehr normative Weise neu definiert, was Männlichkeit und Weiblichkeit zu sein haben. Facebook funktioniert genauso. Da gibt es zum Beispiel nur die Wahl zwischen männlich und weiblich und nichts darüber hinaus. Die Möglichkeiten des Mediums sind enorm, aber es ist gleich-zeitig sehr konservativ. Es wird von dir verlangt, dass du dich selbst in Anlehnung an das entwirfst, was normal ist.

Wenn Sie sagen, es sei Zeit, sich mit Männlichkeit und Heterosexualität zu beschäftigen, meinen Sie dann, dass die Emanzipation der Frauen und der Homosexuellen damit abgeschlossen ist?

Nein, kein bisschen. Ich bin ehrlich gesagt der Meinung, dass wir noch nicht mal richtig angefangen haben, uns diesen politischen Aufgaben zu stellen. Aber der Feminismus von heute muss in der Lage sein, Fragen zu Männlichkeit und Heterosexualität zu stellen, ohne zu denken, dass diese sich außerhalb der Sphäre der sozialen und politischen Konstruktion befinden. Ver-schiedene Positionen, von denen wir denken, sie seien naturge-geben, werden in Wirklichkeit produziert und reproduziert. Es geht darum, diese Positionen zu hinterfragen. Es reicht nicht, nur nach Männlichkeit oder Weiblichkeit zu fragen, sondern man muss auch wissen: Was ist das Normale und wie wird es mächtig?

Das bringt uns zurück zum Playboy-Bunny. Steckt da vielleicht so eine Art queere Utopie in diesem Tier?

Die Bunnies sind nicht per se queer, aber in ihnen steckt die Möglichkeit des Unterwanderns fiktionaler Bilder. Ich meine nicht nur Geschlechterrollen. Hier mischen sich Menschlichkeit und Animalität, aber auch die Art, wie man über Alter nachdenkt. Hefner ist ein alter Mann, und seine Playmates bleiben immer 18. Das Bunny verkörpert sie beide. Das Bunny besitzt immer das Potenzial zu mutieren. So wie damals, als es vom Symbol für den Junggesellen zum Symbol für die Playmates wurde. Wir können diese Mutation nicht endgültig kontrollieren. Man kann nie genau wissen, was hinter dem Häschen steckt.

Das Gespräch führte Katja Grawinkel. Sie ist Medienwissenschaftlerin und forscht zu Pornografie und Feminismus. Über Genderthemen bloggt sie auch auf schönschrift.org

Beatriz Preciado, Jahrgang 1970, ist Philosophin und Queer- Theoretikerin. Sie studierte in New York, Madrid, Paris und promovierte in Princeton. Heute lehrt sie an der Universität Paris VIII Geschlechtertheorie. In der Nachfolge von Michel Foucault und Judith Butler fordert Preciado in ihrem „Kontrasexuellen Manifest“ ein Modell der Identität und Sexualität, das sich von Männlichkeit, Weiblichkeit und Heterosexualität ganz verabschiedet

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Geschrieben von

Katja Grawinkel

Autorin und Kultur-/Medienschaffende mit den Schwerpunkten Gender und Performance Kunst.

Katja Grawinkel

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