Parteien sprechen davon absolute Mehrheiten (im Bundestag) zu benötigen und aufgrund dessen zu koalieren. Das Koalitionen aufgrund dessen notwendigerweise geschlossen werden müssen, ist ein Trugschluss, den vielleicht selbst die Parlamentarier, aus Gewohnheit, auferlegen sind. So hatten vermutlich viele Mitglieder der SPD diese Annahme der Notwendigkeit einer absoluten Mehrheit noch im Ohr, bei einer internen Mitgliederbefragung, im Bundestagswahljahr 2013, und entschieden sich von daher für einen Zusammenschluss mit der Union.
Das diese Zunahme von (Großen) Koalitionen allerdings viel eher eine zeitliche Entwicklung, der letzten Zeit ist, lässt sich gut an der Grafik im dem Aufsatz von Prof. Tim Spier auf Seite 500 1ablesen.
Eine absolute Mehrheit ist mitnichten nötig, da Artikel 42 Abs. 2 Satz GG besagt: Zu einem Beschluss des Bundestages ist die Mehrheit der abgegeben Stimmen erforderlich. Eine absolute Mehrheit laut Gesetz, lässt sich im Deutschen Recht jedoch nicht ausmachen, auch gibt es kein konkretes Koalitionsgesetz wie in Österreich. Durch Partei-Koalitionen geht allerdings die in Artikel 21 Abs. 2 GG definierte freiheitlich demokratische Grundordnung, wie sie das Bundesverfassungsgericht 1952 präzisiert oder wie in Artikel 9 Abs. 2 GG beschrieben, die von einer verfassungsmäßigen Ordnung spricht, verloren. Denn das Mehrheitsprinzip, wie in Artikel 42 Abs. GG beschrieben, ist eine der freiheitlich demokratischen Grundordnungen. Sollten sich also deutsche Parteien, zur Bildung von Koalitionen auf die Vereinigungsfreiheit in Artikel 9 Abs. 3 GG berufen, sollte dies nicht möglich sein, da Artikel 9, Abs. 2 GG dies aufgrund der dort beschriebenen verfassungsmäßigen Ordnung verbietet.
Des Weiteren verlieren die Abgeordneten des deutschen Bundestages, ihre Unabhängigkeit, wenn sie einem Koalitions- oder Fraktionszwang unterliegen, der in dieser Form nicht existent ist. So gibt es weder ein eigenes Gesetz, noch eine Parteisatzung die dies besagt. Selbst die Geschäftsordnung des Bundestages schweigt zu diesem Thema.
Artikel 38 Abs. 1 Satz 2 GG stellt jedoch eindeutig fest: Sie sind Vertreter des ganzes Volkes, an Aufträge und Weisungen sind sie nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Das freie Mandat verliert jedoch komplett seine Glaubhaftigkeit, wenn der Mandatsträger nicht mehr unabhängig agieren kann und sich fraktionsinterne Abstimmungen anschließen soll. Parteien begründen dieses Vorgehen mit einer besseren Arbeitsfähigkeit des Parlaments. Jedoch eine Fraktionsabstimmung im Vorfeld durchzuführen um die Abstimmungsgesinnung festzustellen, kommt einer Kontrolle des Abgeordneten gleich, die es so nicht geben sollte.
Die Transparenz (die von den Bürgern eingefordert wurde) der Abstimmungsergebnisse der Abgeordneten, die der Bundestag selbst ohne jeglicher Gesetzesgrundlage derzeit ausübt, (der Bundestag selbst hält die namentlichen Stimmabgaben jedes einzelnen Abgeordneten in einem Plenarprotokoll fest) behindert zusätzlich die freie Entscheidungsmöglichkeit des Abgeordneten. Sie sollte nicht weiter bestehen, vernichtet sie doch das demokratische Prinzip der freien, geheimen und unabhängigen Stimmabgabe, die ansonsten jedem Wahlberechtigten dieses Landes zusteht, siehe § 25 KwahlG-NRW.
1http://www.zpol.nomos.de/fileadmin/zpol/doc/Aufsatz_ZPol_13_04.pdf
Wurde mein Text insgesamt gekürzt?
Siehe auch: Mehrheiten i. S. d. Staatsorganisationsrechts. )Keine gute Beschreibe, aber ein Versuch.) http://home.uni-leipzig.de/staat/quellen/Mehrheiten.pdf
Kommentare 3
Die Parteien benötigen absolute Mehrheiten im Parlament, um ihren eigenen Sessel über die Legislatur zu retten.
Unabhängige Abgeordnete gab es zuletzt im ersten Bundestag von 1949 bis 1953, danach niemals wieder. Selbst Abgeordnete,die mit einer Partei schon mal ein Direktmandat für den Bundestag erobert hatten, schafften dies als Freie Abgeordnete nicht mehr.
Der gewöhnliche Abgeordnete ist darum ein abhängig Beschäftigter einer Partei, das heißt eines Interessensvereins, der sein eigenes Bestehen fördert.
Zum Bewerten der Parteien empfehle ich den
Politischen Kompass
dessen Ergebnisse jede(r) selbst testen kann.
Ja, man muss es sogar. Es geht auch nicht um politische Steuerungselemente oder Prozesse. Es geht um Menschen, die die Ergebnisse der Entscheidungsträger jeden Tag erneut am eigenen Leibe erfahren müssen und keinen NotAus-Schalter haben. Politik muss daher vom Diskurs leben, vom Austausch und den besseren Argumenten. Wer Demokratie ernst nimmt, muss auf Koalitionen verzichten und sich themenbezogen den wechselnden Mehrheiten des Parlaments stellen. Die Groko liegt wie eine Grabplatte auf Deutschland; die Oppositionen dienen noch der reinen Staffage. Kein Wunder, dass sich die Wähler zunehmend abwenden.
Es ist an der Zeit, überhaupt die bisherigen politischen Prozesse einmal in Frage zu stellen. Die politische Willensbildung findet längst nicht mehr in den Parteien statt, weil man über seine Parteizugehörigkeit entweder in einem ideologischen Schublädchen landet oder immer wieder Inhalte findet, die man nicht wirklich mittragen möchte. Aus diesem Grund engagieren sich heute viele in NPOs. Warum also nicht Mitglieder von Campact, Attac etc. auf einer Plattform sammeln und als politische Kraft in einem Parlament mit Platz nehmen lassen. Hierzu ist die 5-Prozent-Hürde abzuschaffen.
Wir leben in einem Bildungsbürgertum und haben längst die nächste Stufe der gesellschaftspolitischen Reife erklommen. Verantwortung zu übernehmen, heißt aktiv mitzugestalten. Das geht nur über direktdemokratische Prozesse auf allen Ebenen. Hier sollten wir uns Jean-Jacques Rousseaus Gesellschaftsvertrag zum Vorbild nehmen: "Die Gesetze sind genau genommen nur die Bedingungen, auf welchen die bürgerliche Gesellschaft beruht. Das den Gesetzen unterworfene Volk muß deren Urheber sein; nur jene, die sich zusammentun, haben das Recht, die Bedingungen dieser Gemeinschaft zu bestimmen".
Zum Thema "Transparenz" ist noch abschließend festzuhalten, dass zwischen der Transparenz des Bürgers (Anti-Terrorgesetze) und der Transparenz eines Abgeordneten ein großer Unterschied besteht. Solange der Abgeordnete als Repräsentant, also als Vertreter des Bürgers, agiert, hat er sein Abstimmungsverhalten offenzulegen. Die fehlende Transparenz zum Thema TTIP etc. und mit was sich die Abgeordneten haben abspeisen lassen, soll hier nicht noch explizit erwähnt werden. Das Parlament soll die Regierung kontrollieren und die Bürger die Abgeordneten. Das scheint leider hin und wieder in Vergessenheit zu geraten.
»Wir leben in einem Bildungsbürgertum und haben längst die nächste Stufe der gesellschaftspolitischen Reife erklommen. «
Darf ich Zweifel anmelden?
Wir leben seit 1982 in neoliberalen Verhältnissen und inzwischen in einer Gesellschaft der selbst ernannten Eliten, die mit staatlicher Gewalt Kinder- und Altersarmut generiert. Trotzdem werden immer wieder diese GrKo gebildet. Wenn sich das Bildungsbürgertum am BILDungsblatt und den Bunten Blättern orientiert, bleibt nicht ein mal ein qualifizierter Schulabschluß übrig, das ist Bildungsniveau für Elfjährige.