Öffnet die globalen Schuldengefängnisse

Gastbeitrag Linke-Chefin Katja Kipping setzt sich für ein globales Schuldenmoratorium ein, um eine humanitäre Katastrophe durch das Coronavirus zu verhindern
Corona droht die Ungleichheit – national wie global – noch zu verstärken
Corona droht die Ungleichheit – national wie global – noch zu verstärken

Foto: Josep Lago/AFP via Getty Images

Die Corona-Pandemie ist die erste Menschheitskrise des 21. Jahrhunderts. Sie trifft die Länder des globalen Südens, die unter gewaltigen Schuldenlasten ächzen, besonders hart, denn sie können nicht wie Deutschland Milliarden mobilisieren, um die sozialen Auswirkungen des Shutdowns auf ihre Bevölkerungen einzudämmen. Stattdessen müssen arme Länder im Angesicht der Krise weiter einen Großteil ihres Staatshaushaltes für den Schuldendienst aufwenden.Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnte schon im Februar, noch vor den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, vor einer Schuldenkrise in armen Ländern Afrikas, im Pazifikraum und Lateinamerikas.

Schon jetzt brechen die globalen Lieferketten zusammen. Schließen die großen Bekleidungs-Discounter in Europa, haben nicht nur die Angestellten hier Einbußen, auch in den asiatischen Textilfabriken finden Massenentlassungen statt. Corona droht die globale Ungleichheit zusätzlich zu verschärfen. Gleichzeitig sind die öffentlichen Gesundheitssysteme in vielen Ländern des globalen Südens marode, auch hier spielt der jahrzehntelange Schuldendienst eine Rolle. Bereits bei geringen Fallzahlen von Corona sind sie überlastet.

Für ein globales Schuldenmoratorium

Der einfachste Weg, arme Länder bei der Bekämpfung von Corona zu unterstützen, wäre ein globales Schuldenmoratorium. Dabei müssten keine komplizierten Verhandlungen mit Geberländern geführt werden. Stattdessen würden die Gläubiger – Staaten, IWF und Weltbank – sich bereit erklären, den Schuldendienst auszusetzen. Damit hätten die betroffenen Länder Luft, um mit der Krise umzugehen und vielleicht mit geringeren Schäden aus ihr hervorzugehen: Konkret bedeutet das mit weniger Leid, mit weniger Opfern.

IWF und Weltbank haben bereits ihre grundsätzliche Bereitschaft zu einem Schuldenmoratorium erklärt. Damit dieses in Kraft treten und wirksam sein kann, müssen jetzt auch die staatlichen Gläubiger mitziehen. Da kann Deutschland auf internationalem Parkett eine wichtige Rolle spielen.

Die Vereinten Nationen fordern insgesamt 233 Millionen Euro von der internationalen Staatengemeinschaft, um die globale Corona-Krise bekämpfen zu können. Allein das UN-Flüchtlingshilfswerk benötigt 30,2 Millionen Euro, um für Flüchtlinge ein Mindestmaß an Schutz vor Corona gewährleisten zu können. In fast keinem Flüchtlingslager der Welt gibt es genug medizinische Schutzkleidung, Desinfektionsmittel oder Aufklärungsmaterial. Ein Corona-Fonds bei der UN könnte helfen, gegen diesen Mangel vorzugehen. Die Bundesregierung sollte sich im UN-Sicherheitsrat nachdrücklich dafür einsetzen, dass die jährlichen nationalen Zahlungen an die Weltgesundheitsorganisation und das UN-Flüchtlingshilfswerk nicht mehr freiwillig erfolgen, sondern dass sie Pflichtbeiträge zum Schutz der weltweiten Gesundheit aller Menschen werden.

So stark wie die ärmste Patientin

Eine weitere Konsequenz aus der weltweiten Corona-Pandemie sollte ein bei der WHO angesiedelter „Internationaler Fonds für Gesundheit“ sein, der die reicheren Länder verpflichtet, in die Gesundheitssysteme der ärmeren Länder einzuzahlen. Denn die nächste Pandemie kommt bestimmt und mehr denn je sollte gelten: Die Gesundheitsforschung muss weltweit ein öffentliches Gut werden. Essenzielle Arzneimittel müssen prinzipiell vom Patentschutz ausgenommen werden, damit tatsächlich alle Betroffenen davon profitieren können.

Jedes öffentliche Gesundheitssystem ist nur so stark wie seine ärmste Patientin. Wenn die Corona-Pandemie tatsächlich die erste Menschheitskrise des 21. Jahrhunderts ist, dann können wir ihr nur mit globaler Solidarität und gemeinsamen Handeln begegnen.

Am Samstag endet die Karwoche, die Zeit des Verzichts und des Fastens. Fasten heißt auch sich nach Veränderung fragen, heißt letztlich: Verzicht, um anderen zu geben, um Solidarität zu üben. Mit dem Fastenbrechen zu Ostern beginnt die Feier des Lebens. Verzichten wir also auf die in einer ungerechten globalen Ordnung angehäuften fiktiven Reichtümer, die Schuldenberge, die nie zurückgezahlt werden können, aber schwer auf den Rücken der SchuldnerInnen haften. Wir haben die Möglichkeit, die Länder des Südens aus unseren Schuldengefängnissen zu entlassen. Ein solcher Schritt würde Leben retten.

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