November. Grießbreiwetter, grippale Infekte. Gerade grinsten noch die Halloweenkürbisse debil in die Gegend, jetzt grinsen die Nikoläuse. Das macht den Menschen eines Tages zum Frühbucher. Erstmals in meinem Leben weiß ich schon im November, von wo ich im Sommer Postkarten senden werde. Dabei habe ich nun Airbnb kennengelernt. Mein Fazit: Glauben Sie allen Gerüchten – und lassen Sie die Finger davon.
Gerade gab es in San Francisco einen Bürgerentscheid, angezettelt von Airbnb-Gegnern: Wohnraum werde wegen der touristischen Zwischennutzung knapper und die Airbnb-Gastgeber zahlten keinerlei Steuern. Das Portal lenkte ein: Die Auflagen und Abgaben für Wohnungsanbieter sollten verschärft werden. Außerdem wies Airbnb auf einen, nun ja, sozialen Effekt hin – darauf, dass „Anbieter gelegentlich vor Räumungen bewahrt“ würden, „da sie durch die Einnahmen ihre eigene Miete oder ihre Immobilienkredite bezahlen konnten“.
In Berlin kenne ich Menschen, bei denen es ähnlich läuft. „Ich brauche halt das Geld“, erklärte mir einer, der chronisch pleite ist und seine Friedrichshainer Bude öfters an Partypeople hergibt, während er bei seiner Freundin übernachtet. Bei zehn Übernachtungen im Monat hat er seine Miete wieder raus. Ich gebe zu: Dieser prekäre Unterstrom von Airbnb hat mich gerührt.
So beschloss ich, mein bisschen Reisegeld keinem Hotelier zu gönnen, sondern besagtes Portal nach einer Bleibe für einen, sagen wir, Liebesurlaub in, sagen wir, Barcelona abzusuchen. Zuerst sollte ich mich „verifizieren“, mit Personalausweis, Mobil- und Kreditkartennummer und auch noch mit meinem Facebook-Konto. So viel weiß nicht mal das Finanzamt über mich. Aber: „Support your European neighbour!“ – dachte ich da noch. Ich klickte mich durch anonym wirkende Appartments in eiskaltem Möbelhausstil und Hängemattenzimmer, deren abgewohnte Muffeligkeit sich schon optisch übertrug. Dann stieß ich auf die 1,5 Zimmer von Teresa und Luisa (im Weiteren T&L genannt). Hell, mit Balkon, Bücherregal, Blumen. Der Aufenthalt sollte 380 Euro kosten. Drei Dutzend begeisterte Gästebewertungen gab es. Ich schrieb T&L einige Zeilen – auch, dass dies mein erstes Mal bei Airbnb sei – und klickte auf „Buchungsanfrage“. T&L antworteten: „Der Preis ist falsch. Wir schicken dir ein neues Angebot.“ Es kam eine „Buchungseinladung“ in Höhe von 620 Euro. „Oh? 240 Euro mehr? Wie kommt das?“ T&L schrieben zurück: „How much would you pay?“ Und meine Finger tippten, komplett selbsttätig, ich schwöre es: „Thank you, I found something else.“ Von T&L kein Wort mehr.
Noch einmal studierte ich die Spielregeln. Mein Geld wäre bei einer Buchung sofort in voller Höhe weg. Dennoch könnte der Gastgeber alles jederzeit stornieren, auch am Tag meines Reiseantritts noch. Dann dürfte ich das Geld auf einen anderen Gastgeber übertragen, den ich auf die Schnelle selber finden müsste. Hm, dachte ich. Bald fahre ich also an einen Ort, der Barcelona sein könnte – juhu! Ich habe nun ein Doppelzimmer mit Balkon gebucht, in einem kleinen Hotel, für einen Preis, der etwas über dem Airbnb-Locktarif liegt, aber unter dem der „Buchungseinladung“. Das Hotel hat kein Interesse an meinem Facebookkonto, und bezahlen muss ich erst, wenn ich da bin. So werde ich einige Zimmerdamen und Portiers supporten – statt T&L, die bestimmt eh ganz doofe Hipster-Schnepfen sind.
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