Airport-Sounds für Fortgeschrittene

Musik Dunkel und dubbig: Die Band Automat hat hochintelligente und tanzbare Klangskulpturen über Berliner Flughäfen geschaffen
Ausgabe 16/2014
Flughafentreu: Automat
Flughafentreu: Automat

Foto: Automat/ Bureau B

Flughäfen sind irritierende Orte. Man sucht sie ja nur auf, um schnell woanders hinzukommen, delay oder on time. Und auch wenn sie längst überall Airports heißen und die Böden spiegelblank geputzt sind, dräut hier stets die Katastrophe. Notlandungen, Crashs, Feuerbälle. Der bange Blick auf die Windsäcke am Rollfeld. Oder auf die Newsbildschirme an den Gates, Gewitterfronten, MH 370.

Die Band Automat beschäftigt sich auf ihrem Debüt-Album ganz konkret mit Flughäfen in Berlin. Insgesamt sieben Tracks legt das Trio vor – aber eigentlich sind es keine Tracks, sondern eher: Klanginstallationen. Die Musiker sind geübte Gentlemen der Post-Punk-Schule. Jochen Arbeit, der die fein ziselierten Geräusche und Melodien beisteuert, spielt(e) Gitarre bei Die Haut und bei den Einstürzenden Neubauten. Achim Färber, der mit den Drums den Takt vorgibt, unerbittlich, treibend, bedient(e) das Schlagzeug bei Project Pitchfork und Phillip Boa. Und Georg Zeitblom, der mit seinem ultradeepen Bass den Teppich zu allem legt, hat eine schwer experimentelle Vergangenheit, etwa mit dem Avantgarde-Rock-Projekt Sovetskoe Foto, mit preisgekrönten Hörspielen und dem Bau eines „Bio-Adapters“ für Unterwassermusik.

Das erste Stück über Tempelhof, THF, wummert gleich schön dunkel los. Tempelhof: der Nazi-Flughafen. Seit 2010 fliegt von dort nichts mehr, auf dem Feld wird jetzt gegrillt und gekifft. Bei Automat hört man die Propellermaschinen aber noch brummen, es pocht und pulsiert, echot von irgendwoher. Ein souveränes, hochkonzentriertes Stück Musik, es hat keine Steigerung, keinen Partymoment. Braucht es auch nicht. Es ist eine Skulptur aus Tönen. Und trotzdem muss man irgendetwas mit den Händen oder dem Kopf dazu machen, muss im Takt tapsen. „Hypnotisch“ würde es in korrekter Musikkritiker-Routine wohl heißen.

Leicht und wuselig kommt das Stück über Tegel, TXF, daher. Noch immer wird an dem rot-weißen Hexagon gestartet und gelandet, allen Abklemmdrohungen zum Trotz. Und so wie der Ort von einem aufgekratzten Midcentury-Optimismus erzählt, so klingt auch die Nummer fünf auf dem Album: ein ganz formidables Tanzstück.

Die Grammatik der Grooves

Zuletzt konnte man Arbeit, Färber und Zeitblom öfters an der Berliner Volksbühne hören, etwa bei der Schriftsteller-Hommage Call me Burroughs. Ja, mit einem Fuß stehen sie in der Kunst – und mit Automat spielen sie eine ziemlich intellektuelle Musik. In ihr fließt zusammen, was an elektronischen Experimenten über die Jahre so zusammengekommen ist. Eine gute Dosis Detroit-Techno: Das ist das Kalte, Harte. Ein Schlag von Dub: Das ist das Sphärige, Drogige. Einige Verweise ins Feld „Minimal“, wenn es hie und da pling-plingt. Und ein Schuss Industrial, wenn analoge Geräusche hineinscheppern. Automat pflegen eine sehr eigene Grammatik der Grooves.

Stimmlich unterstützt werden sie auf dem Album von drei, nun ja, lebenden Legenden: Lydia Lunch besingt The Streets. Blixa Bargeld knarzt und wispert über den Schlachtensee, und auch das leibhaftige Gesamtkunstwerk Genesis Breyer P-Orridge steuert eine Sprech-Peformance bei. Alle Stücke wurden in einem Rutsch aufgenommen, nach dem Jazz-Prinzip, wie die Band im Freitag-Interview erklärt (freitag.de/automat). Die Rezensentinnen-Prognose für die kleine Live-Tour: Es wird laut und gut.

Automat, Automat Bureau B/Indido 2014

Live: 18.4. Berlin (Roter Salon), 31.5. Karlsruhe (Jubez), 15.6. Braunschweig (Theaterformen)

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Geschrieben von

Katja Kullmann

Stellvertretende Chefredakteurin

Katja Kullmann

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