Das Möönööpööly ist da!

Die Konsumentin Modeschöpfer Harald Glööckler hat soeben das kapitalistischste aller Brettspiele neu gestaltet. Und es zeigt sich: Er hat das Monopoly-Prinzip sehr gut verstanden
Ausgabe 48/2014

Seit vergangenem Dienstag zücke ich täglich bis zu 38 Mal meinen Taschenspiegel. Auch blicke ich zwanghaft in jede sich mir darbietende Schaufensterscheibe. Ja, ich scanne meine Umgebung nach reflektierenden Oberflächen – um zu kontrollieren, ob noch alles sitzt. Mein Gesicht: Ich habe Angst, dass es verrutschen könnte. Ich möchte aber, dass es so bleibt wie vorher, vor jenem Dienstag, an dem der, äh, Modeschöpfer Harald Glööckler die Weltpresse in seine Boutique in Berlin geladen hatte, um seine neueste Kreation zu präsentieren: die Harald-Glööckler-Monopoly-Edition.

Ja, der Meister der Extremcouture hat das kapitalistischste aller Brettspiele ganz neu gestaltet. So wie die Monopoly-Lizenzfirma Hasbro schon eine Star-Wars- und eine Fifa-WM-Edition herausgegeben hat, so können graumäusige Verbraucherinnen wie Sie und ich ihre Spielmillionen jetzt auf den Pfaden des 1965 in Maulbronn-Zaisersweiher geborenen Künstlers verjubeln. Oder vermehren. Gewinnen oder verlieren, das hängt bekanntlich vom Schicksal ab. Das ganze Leben ist ja ein Quiz. Eine Lotterie. Eine mit Goldbrokat ausgeschlagene Zauberkugel.

Nur im Berliner Glööckler-Laden – und bei Amazon – ist das Produkt erhältlich, zum Einführungspreis schon mal 10 Euro reduziert. Auf dem schwarz lackierten Karton steht, in goldenen Lettern: „Das berühmte Spiel um den großen Deal“. Die Felder und Karten sind an Stationen aus Glööcklers Geschäftsleben angelehnt, erzählen vom Start der Glööckler-Pralinen-Kollektion, vom Erscheinen seiner Biografie und von der Veröffentlichung eines Buchs über seinen Schoßhund Billy King.

Er habe sein Spiel an befreundete Familien verschenkt, sagte Glööckler. „Da saßen Kinder auf dem Boden! Stundenlang! Auf dem Boden! In Berlin!“ Womit er, so schien es, zu beschreiben versuchte, wie viel Freude das Spiel selbst kleinsten Erdenbürgern macht. Er denke da automatisch an „Zuckerwatte und kandierte Äpfel“, hauchte der irgendwie ja doch auch schöne, jedenfalls rosafarbene Mann ins Mikrofon, von seinem samtenen Boutiquethron aus.

Das Unheimliche: Nach jedem Wort schürzte er seine Lippen zu einem Kussmündchen, einem Fischmäulchen. Wirklich: Alle 0,9 Sekunden machte er ein saftiges Schnütchen. Womöglich, um nach Luft zu schnappen. Um lieb zu sein. Oder vielleicht, hm, sexy. Meine Spiegelneuronen sprangen jedenfalls imViereck: Ich spürte, wie meine Lippen sich dem Glööckler’schen Labialbereich anschlossen, wie sie sich schürzten. Und entspannten. Und schürzten. Ein verteufelter Schlauchbootlippenmechanismus hatte sich meiner Fazialphysiognomie bemächtigt.

So wendete ich mich vom Meister ab. Worauf ich eine Clique von Glööckler-Stammkundinnen im Blickfeld hatte, fünf Damen, deren Gesichter so zurechtgeschnitten wirkten, dass ... mir alles plötzlich sehr gruselig vorkam. Und ungeheuer traurig. Ich betrachtete eine Reihe hellblauer Handtaschen (Aktionspreis: 35 Euro), mit einem Kloß im Hals. Harald Glööckler, der Mann mit dem Krönchenlogo, ist in Wahrheit ja mit einem ö weniger geboren, als Gastwirtssohn, und er hat nach eigenen Angaben miterlebt, wie sein Vater die Mutter mit einem Treppenschubser tötete. Da war Harald G. 14. Nach einer Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann eröffnete er 1987 seinen ersten Laden, den Jeans Garden in Stuttgart. Nun wird er von RTL und SAT1 interviewt, von Bild und Bunte fotografiert. Harald G. hat das Spiel gecheckt. Bis auf Weiteres kommt er da allerdings auch nicht mehr raus. Die Miete muss ja bezahlt werden, der ganze Im- und Export, die Angestellten. Eigentlich hätte ich Harald G. gern in den Arm genommen. Aber vielleicht wäre ihm das gar nicht recht gewesen.

Katja Kullmann schreibt in ihrer Kolumne Die Konsumentin über Lust und Last des Geldausgebens

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Geschrieben von

Katja Kullmann

Stellvertretende Chefredakteurin

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