Nun bröckelt es nicht mehr nur, nun bricht es ein: das Projekt der Piraten. Nach Christopher Lauer schmeißt jetzt auch Anke Domscheit-Berg hin. Während Lauer die fehlende „Professionalisierung“ der Piraten beklagte, fragt Domscheit-Berg in ihrem Blog: „Wo ist das Visionäre, Progressive, Mutige, das Neue und das Andere geblieben?“ Längst hätten sozialliberale Kräfte die progressiven Köpfe verdrängt.
Auch Domscheit-Berg zeigt sich in ihrer Austrittserklärung genervt von der Shitstorm-Diplomatie, die dem Publikum stets anschaulich vorführte, dass Fantasien von einer direkteren Demokratie sich nicht gar so leicht verwirklichen lassen – auch nicht mit neuer Software, ob sie Liquid Democracy oder Open Antrag heißt. Und spätestens jetzt, mit den jüngsten Ausstiegen und drastisch sinkenden Mitgliederzahlen, fallen die Piraten – aber auch Netztheoretikerinnen wie Domscheit-Berg selbst – auf ihr Grundproblem zurück: auf die Illusion, dass die Welt sich mit einer Internetpolitik verbessern lasse.
Domscheit-Berg ging es nie nur um ein oder zwei Netzthemen, wie sie nun schreibt, sondern um durchaus analoge Anliegen, etwa das Asylrecht und die Gleichstellung von Frauen. Die Beleidigungen, die sie dafür in Piratenkreisen einstecken musste, hat sie nun satt.
Tatsächlich ist das Internet ja nur eine Maschine – und an ihr spiegeln sich, in aller Klarheit, die drängenden Fragen aus der analogen Welt, sozusagen aus der Gesamtrealität: Wie steht es um Macht und Freiheit? Um Paternalismus und altbekannte Chauvinismen? Wer verdient wie viel auf wessen Rücken?
Auch in der realen Welt monopolisieren sich Konzerne, das freie Gewerbe bleibt auf der Strecke, der öffentliche Raum wird weiter privatisiert. Die Arbeit in der digitalen Sphäre ist so entwertet wie herkömmliche Putz- oder Wachdienste, das Hochfrequenzfinanzgeschäft sorgt dafür, dass sich das Geld auf wenige Gewinner konzentriert, der Staat assistiert mit sozialen Kontrolltechniken. Es herrscht der alte Antagonismus von Kapital und Arbeit – das Internet ist nur eine weitere Arena für sein Wüten. Verabschieden wir uns also endlich von der Idee des Internets als Sonderzone. Fangen wir mit der eigentlichen Arbeit an.
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