Dicke Hosen sind für Dummies

Die Konsumentin Die Frauen haben den Wonderbra-Effekt zum Mogeln und die Männer haben was? Na den Wonderjock! Ein Annäherungsversuch...
Ausgabe 34/2014
Dicke Hosen sind für Dummies

Illustration: Otto für der Freitag

"Junge, Junge“, entfuhr es mir neulich beim Pausenrauchen auf der Büroterrasse. „Was soll ich diesmal einkaufen?“ Wieder mal überlegte ich, ob es wirklich eine so gute Idee war, als Konsumexpertin weltberühmt werden zu wollen. Schließlich geht die Sache ganz schön ins Geld. „Junge, Junge ...“ – „Meinst du mich?“, fragte da ein Kollege, der sich ebenfalls gerade zum Nikotinieren rausgeschlichen hatte. Ich fragte zurück: „Was kaufen Männer eigentlich so ein? Abgesehen von Akkubohrern, Plastikfiguren für Modelleisenbahnlandschaften, Gaffa-Tape und rotem Fleisch?“ Und er so: „Unterwäsche.“

Ja, so ist das oft in Raucherecken, unter Ausgestoßenen, die nicht nur Umsatz-, sondern auch Tabaksteuer bezahlen, aber keine Anerkennung für diese volkswirtschaftliche Leistung erhalten. Man stinkt zusammen, vergiftet sich in wortloser Einigkeit, und das stellt sofort eine gewisse Nähe her. Der Kollege erklärte: „Immer wenn man eine neue Beziehung hat, kauft man sich doch neue Unterwäsche, du etwa nicht?“ – „Doch, schon. Jungs also auch?“ Worauf er ein Wort in den Dunst warf, das wunderbar warm klang: „Wonderjock“, mit weichem „J“, wie bei „Jockey“. Zu Erläuterungszwecken führte er eine Handbewegung aus, die man, wenn man uns von weitem beobachtet hätte, leicht hätte missverstehen können. Er formte eine Art Schale aus seiner rechten Hand und führte sie über seinen Schritt, hoch und runter, hoch und runter. „Dasselbe wie ein Wonderbra. Nur für Männer. Verstehst du?“ Ich verstand.

Allerdings glaubte ich ihm nicht. Im Sport, etwa in den Kampfdisziplinen oder beim American Football, gibt es so etwas, davon hatte ich schon gehört: vom Sackschutz, im Sportfachhandel etwas vornehmer „Tiefschutz“ genannt. Kenner sprechen von einem „Pantalbecher“, wenn es um eine ergonomisch korrekte Plastikschale für den Bereich zwischen den Beinen geht. Bei einschlägigen Portalen kann man sich etwa den „4Fighter Tiefschutz EASY mit herausnehmbaren Pantalbecher weiß“ für 9,90 € zuzüglich Versand bestellen.

„Aber so was trägt man doch nicht für private Zwecke!“, rief ich. „Doch. Diesen Sommer schon. Also: fast“, behauptete der Kollege und schickte mir nach dem Aufrauchen einige Links. Für den Rest des Bürotages studierte ich dann die dicksten Dinger, die man sich vorstellen kann: Werbefotos mit total tollen Fake-Penissen in fesch abgenähten Slips. In Unterhosen, die das männliche Geschlechtsteil wie ein echt hübsches Ding präsentieren – und: riesig!

Ich sah einen „CabanaSlip Grapefruit“ mit „Show-Trunk-Funktion“. Ich begutachtete das Modell „9565 Almost Naked“ für 24,99 €, mit extrascharfer Zusatzfunktion: „Unter Schwarzlicht leuchtet die Underwear.“ Ich klickte bis nach Australien, auf eine Seite mit dem lustigen Namen aussiebum.com, dort soll die „EnlargeIT“-Technik, die Vergrößerungstechnik, erfunden worden sein.

Und ich erinnerte mich an die frühen 90er zurück, als der Wonderbra neu war. Ich sah die enttäuschten Gesichter männlicher, äh, Spielgefährten vor mir. Der Wonderbra-Effekt mag zunächst ja anspringen – solange alles noch verpackt ist. Aber wenn es dann tatsächlich wonnig wird und das Gestell in der Hitze des, Sie wissen schon, abgeschnallt wird ... ist ja nicht mehr sehr viel da. Ein ganz fieser Felix-Krull-Moment versaut die ganze Erotik. Ich war 26, da fackelte ich das einzige Wundergestell, das ich je besaß, in einer ohnehin schon brennenden Mülltonne ab.

„Lieber Kollege, lass das mal lieber bleiben, das floppt“, mailte ich ins Nebenbüro. Und er so: „Du ahnst ja nicht, was es heißt, ein Mann sein zu müssen.“ Und ich so: „Derselbe Mist, nur in anderen Farben, richtig?“ Und er so: „Richtig.“ Und ich so: „Rauchen wir noch eine?“ Und er so: „Ohne Filter!“ Und ich so: „Big time!“

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Katja Kullmann

Stellvertretende Chefredakteurin

Katja Kullmann

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden