Die Big-Mac-Bilanz

Die Konsumentin In der Schweiz ist das eigene Geld nur halb so viel wert wie zu Hause, in Kroatien angeblich ein Drittel mehr. Und das Meer ist grundsätzlich immer zu weit weg
Ausgabe 44/2014

Mit Zucchini und Kartoffeln lassen sich Äpfel und Birnen nicht vergleichen. Schon Grundschülern wird das beigebracht. Wenn das Leben einen wieder mal über die bundesrepublikanischen Grenzen hinaus verschlägt, bekommt man das auch ganz portemonnaiepraktisch zu spüren. „Es ist so billig, aber so schön!“, schwärmen derzeit Freunde und Bekannte. Sie sprechen über Kroatien. Ja, Kroatien ist der nun überhaupt nicht mehr geheime Geheimtipp für günstigen Urlaub in angenehmer Kulisse.

„Sieht an manchen Stellen aus wie Sardinien“, sagen diejenigen, die dort waren. (Anmerkung der Autorin: Die italienische Insel Sardinien ist längst gekapert von Menschen wie Miroslav Klose, Rihanna und Heidi Klum, von Menschen also, die sehr viel schöner und reicher sind als „du und ich“. Beweisfotos finden sich überall im Internet, etwa bei gala.de oder bei ok-magazin.de. Bei mir springt da prompt die klassenneidische Trotzspirale an: „Sollen die Prominenten doch unter sich bleiben, die Swarovski-Kundinnen und Audi-Sondereditionsfahrer, die Escada-gesponserten Goody-Bag-Elsen und ihre Polo-behemdeten alten Säcke!“ Ich war auch noch nie auf Sylt, und Kitzbühel kann mich erst recht mal.)

„Sieht geil aus, kostet aber nur die Hälfte, dieses Kroatien!“ (Anmerkung der Autorin: Bei der Onlinesuche nach einem einwöchigen Aufenthalt im November zeigt sich, dass sieben Übernachtungen in einer Drei-Sterne-Unterkunft auf Sardinien mit mindestens 238 Euro zu Buche schlagen; auf dem kroatischen Eiland Krk mit 147. Macht eine Ersparnis von 89 Euro.)

89 Euro wiederum kostet ein Pizza-ohne-alles-Dinner für zwei, mit zwei Gläsern Resterampenrotwein und schmutziger Tischdecke in: Zürich. Ja, wer nach Skandinavien fährt oder eben in die Schweiz, der bekommt wieder einen ganz anderen Umkehrschub in Sachen Kaufkraft zu spüren. „Himmel, wie kann mein schönes Geld so wenig wert sein?“, dachte ich neulich, als ich aus verworrenen Gründen bei den Eidgenossen aufgeschlagen war. Für einen Caesar’s Salad und ein Glas Weißwein wollte man 47 Franken haben. Das entspricht 38 Euro. Ich hatte vergessen, die Preisspalte in der Karte zu studieren. Es kommt einem ja automatisch alles so vertraut vor, wenn die Menschen etwas Ähnliches wie die eigene Sprache sprechen – großer Fehler!

Sehr gern hätte ich das Personal, als es mir die Rechnung servierte, angezischelt: „Sssind Sssie sssich bewusssst, dasss Sssie sssoeben sssechsssundsssiebzzzig D-Mark für ein Portiönchen Hasenfutter und ein Becherchen urinfarbener Plörre von mir verlangt haben!?!“ Stattdessen schob ich dem sicher auch wieder unterbezahlten Serviermännchen – die Mieten in Zürich sind irre hoch, de facto kann sich auch kaum ein Zürcher sein Zürich leisten – 55 Franken rüber, sagte „Stimmt so“ und versuchte, mich für zwei Minuten zu fühlen wie Thomas Mann.

Die britische Wirtschaftsredakteurin Pam Woodall erfand 1986 den Big-Mac-Index. Er gilt als Orientierungswert für die Kaufkraft einer Währung. Der Big Mac ist in rund 140 Ländern vertreten. Fast überall schmeckt er gleich – und sein je örtlicher Preis korreliert eng mit dem Wechselkurs zum US-Dollar. Aktuell kostet das fettige Frikadellenbrötchen in der EU im Mittelwert 4,95 $; das ist vergleichbar mit Neuseeland, Großbritannien und, aha, Uruguay. In der Ukraine muss man nur 1,63 $ dafür übrig haben. In Saudi-Arabien 2,93 $, kaum mehr als in China (2,63 $). Teurer als in der Schweiz (6,83 $) und Venezuela (6,82 $) ist der Burger nur in Norwegen (7,76 $). Und was lernen wir aus alldem? Ich rechne noch. Vielleicht dies: Kroatien is over, McDonald’s ist echt doof, und das Meer ist grundsätzlich immer zu weit weg.

Katja Kullmann schreibt in ihrer Kolumne Die Konsumentin über Lust und Last des Geldausgebens

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Geschrieben von

Katja Kullmann

Stellvertretende Chefredakteurin

Katja Kullmann

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