Heute steigen wir direkt mal unterhalb der Gürtellinie ein. Mit der Feststellung nämlich, dass es immer und überall zu wenige Damentoiletten gibt. Ob an Bahnhöfen, auf Behördenfluren, in Clubs oder Kinos: Bildet sich vor einem öffentlichen Nasszellensektor eine Warteschlange, ist sie mit 97-prozentiger Wahrscheinlichkeit weiblichen Geschlechts. Wenn man das heute noch so nennen mag: „weibliches Geschlecht“. Es gibt bekanntlich Dutzende Quer- und Zwischengeschlechtslagen. Sogenannte Frauen scheinen jedenfalls länger zu brauchen, auf den Klos, oder sie suchen sie öfters auf als sogenannte Männer.
Dafür gibt es Gründe. Wer mit einer Gebärmutter gestraft ist statt mit einer Prostata, hat Pi mal Daumen alle vier Wochen ein dunkelrotes Tropfenproblem, das mit allerlei Mullware versorgt werden muss, das kann bis zu drei Minuten pro Wechselvorgang dauern, je nach Tampongeschicklichkeit. Oder der Gebärmutterbesitz hat dazu geführt, dass ein Kindlein entstand, und auch dieses muss gelegentlich mal Pipi – und wer kümmert sich halt immer noch überwiegend darum? Die Frau Mama, die sich mit dem lieben Kleinen, ob es nun Laura oder Lukas heißt, in die Kabine zwängt, auf dass sich das Kleine dort pädagogisch begleitet entleere, was noch länger dauert als das mit der Monatshygiene, im Schnitt sechseinhalb Minuten pro Kind. Selbstverständlich nehmen Frauen auch total gern heimlich Drogen, ziehen Lines von Klodeckeln oder lieben perverse Selfies in gekachelter Umgebung. Aber nirgendwo baut man ihnen genügend abschließbare Verschläge dafür hin!
Nirgendwo – außer in Berlin. Dort erwägt der Senat nun, auf Anregung der restexistenten Piratenpartei, öffentliche, unter Stadt- und Landesverwaltung stehende Gebäude mit Unisextoiletten auszustatten. Geschlechtsneutrale sanitäre Anlagen sollen zu einer „diversitygerechten“ Verwaltung beitragen. Auch als gar nicht diversifizierter Mensch, als langweilige Hetera, bin ich dafür. Freie Schüsseln für alle! Ich muss urinieren, lassen Sie mich durch!
Mit dem Einkaufen hat das alles insofern zu tun, als das Londoner Edelkaufhaus Selfridges die nächste Phase zur Überwindung des Geschlechterzirkus eingeläutet hat. Bei Selfridges sind die Klamottenabteilungen jetzt gender neutral gestaltet, das heißt: Sogenannte Frauen und sogenannte Männer stöbern durch dieselben Regale, blättern durch dieselben Chromgestänge, teilen sich dieselben Umkleidekabinen. (Vor allem Letzteres bietet, weit über die Bekleidungsanprobe hinaus, hübsche Möglichkeiten für die Begegnung der Geschlechter, fürs gegenseitige Beschnuppern und Betasten, demnächst ist ja auch wieder Frühling, juhu!)
Etliche Modemarken, etwa das US-Label Gap und die H&M-Tochter Cos, hätten festgestellt, dass viele Damen gern hier mal zu einem Herrenhemd, dort zu einem Jungsparka griffen, heißt es aus Großbritannien. Umgekehrt komme es häufiger vor, dass auch Männer sich mal einen echt kuscheligen Schal oder ein T-Shirt mit einem wirklich witzigen Aufdruck kaufen wollen, irgendwas mit Katzen oder Eulen drauf. Der Großstadtkonsum sprengt die Gendergrenzen ohnehin schon längst.
„Das Schönste an männlichen Männern ist etwas Feminines; das Schönste an weiblichen Frauen ist etwas Maskulines“, sagte Susan Sontag einmal. Ja, die Geschlechtertoleranz wurzelt im angloamerikanischen Raum, da gibt es kein Vertun. Meine Wünsche an die Modeindustrie jetzt: Erstens, mehr Boxershorts für Frauenhüften (toll zum Drinschlafen); zweitens, Button-down-Hemden für Girls (So viel adretter aus als alle Blusen); sowie drittens: Gebt uns endlich ernst zu nehmende Hosenanzüge! Nicht welche mit „tailliertem Blazer“! Gebt uns den klaren, schlichten Stoff, Nadelstreifen, das ganze schnittige Programm. Anzüge sind so praktisch und attraktiv zugleich. Null Ironie. Ich will das auch.
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