Hallo, Frau Konsumentin, guten Tag, Herr Konsument. Hab ich Sie erwischt – Sie tun es schon wieder – Sie konsumieren – Ich seh’s doch! Statt mal ein bisschen die Welt zu retten, sitzen Sie lahm herum, mit einem Bündel Papier in den Händen, für das soundsoviele Bäume ihr Leben gelassen haben, oder mit einem Kommunikationsgerät, das soundsoviel Anteile von Seltenen Erden enthält (Sie sitzen da mit dem Elektroschrott von morgen, nennen wir die Fakten doch beim Namen!), Sie ziehen sich also Buchstaben rein, die jemand anderer Ihnen hingestellt hat. Sie lassen es sich vorsetzen, nehmen sich’s einfach. Und vielleicht, wer weiß, haben Sie nicht mal dafür bezahlt, sondern haben sich diese Wörter hier für umsonst aus dem Internet gerippt, Sie Schnäppchenjägerin, Sie Habenwollenmensch, Sie treuepunktesammelnder Kampfverbraucher, Sie!
Unangenehm, auf diese Art angefahren zu werden, stimmt’s? Den Anpfiff bitte ich zu entschuldigen. Der barsche Ton hat sozialpädagogische Gründe. Er soll etwas aufzeigen. Außerdem ist die Laune an diesem Ende der Leitung gerade nur mittelgut – und davon möchte ich heute erzählen.
Seit bald zwei Jahren schreibt „die Konsumentin“ nun übers Geldausgeben. Und just heute fällt mir erstmals auf, dass das Thema Konsum eigentlich ein undankbares ist. Im Grunde darf man da nämlich immer nur meckern. Ganze Warensegmente wurden hier schon in Grund und Boden geschrieben, von Reisesouvenirs bis zu Staubsaugern, von Designerquatsch bis zu Billigklamotten. Alles muss immer furchtbar sein, denn alle finden Konsum bekanntlich blöd. Und je lauter man also darüber schimpft, desto herzlicher fällt der Applaus aus.
Heute packe ich das nicht. Eine Konsumkolumnenkrise hat mich erfasst. Denn das eine oder andere ist grundlegend faul an sogenannter Konsumkritik. Nicht nur, dass eine solche Kolumne im Wesentlichen immer dasselbe erzählen soll – wie schlimm der Kapitalismus ist und die Umweltverschmutzung natürlich auch, ja, ja –, nein, es muss auch signalisiert, behauptet, vorgegeben werden, dass Sie und ich auf der richtigen Seite stehen. Stets läuft subtil der Gedanke mit: „Konsumieren? Das machen immer nur die anderen, die blöden Konsumidioten!“
Ehrlich gesagt, kommt mir das im Augenblick hochgradig bigott vor. Ein einziges Mal habe ich unverblümt über die Freuden des Einkaufens geschrieben. Es ging um Schallplatten, um Flohmarktvinyl, das ich vor der Schredderung rettete. Die Ökobilanz jener Anekdote war deutlich im Plus. Sonst habe ich hier aber – brav wie ein Gänseblümchen – immer nur auf alles Mögliche geschimpft. So, wie es sich gehört? Hm.
Heute habe ich darauf jedenfalls keine Lust, heute bringe ich es nicht über die Tasten. Ich habe kein Auto und kein Smartphone (tatsächlich nicht). Aber: Ich kaufe Coca-Cola in Plastikflaschen. Meine Garderobe besteht zu circa 18 Prozent aus H&M-Ware. Ich möchte bestimmte Bücher vor allem haben (das Lesen erfolgt eventuell später), meine Blumen besorge ich beim zweifelhaften Grünzeugdiscounter Blume 2000, wenn ich Liebeskummer habe, also etwa alle zwei Wochen, schalte ich das Reality-TV bei Vox oder RTL II ein, die Werbung schaue ich mir auch an, ich ziehe täglich X mal Y Zigaretten durch und horte meist zu viele Lebensmittel, und wenn sie verdorben sind, werfe ich sie weg.
Sorry, das musste einmal raus. Nächstes Mal weiß ich wieder alles besser. Genau wie Sie. Versprochen.
Katja Kullmann schreibt in ihrer Kolumne Die Konsumentin über Lust und Last des Geldausgebens
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