Nur fürs Gefühl

Die Konsumentin Ein pinkes Plus in Milliardenhöhe: Wie Frauen für ihre Rasur draufzahlen
Ausgabe 26/2015
Damen zahlen für „ihre“ Rasieruntensilien deutlich mehr als Männer
Damen zahlen für „ihre“ Rasieruntensilien deutlich mehr als Männer

Foto: Hulton Archive/Getty Images

Rasieren ist Alltag. Die meisten Männer tun es jedenfalls regelmäßig. Sehr viele Frauen auch. Die einen im Gesicht, die anderen vor allem an den Beinen. Beide, Männer wie Frauen, kennen die Folgen, die der ungeschickte Umgang mit Klingen haben kann: Schnitzer, Juckreiz, Pickel.

Einen gravierenden Unterschied gibt es: Obwohl Frauen tendenziell größere Räume ihres Körpers rasierend bearbeiten – zwei Unterschenkel haben eine größere Fläche als zwei Wangen –, obwohl Beinhaare oft störrischer sind als Gesichtshaare, obwohl der Klingenverschleiß bei Frauen also womöglich höher ist als bei Männern, sollen die Damen Damen für „ihre“ Rasieruntensilien deutlich mehr bezahlen als die Herren Herren. Ja: Generell liegt der handelsübliche Aufschlag für Waren, die in rosafarbener Verpackung daherkommen, zwischen 15 und 90 Prozent.

Das ist kein Gerücht aus dem Fachbereich Gender Studies, sondern das Ergebnis eines Preisvergleichs, den die Verbraucherzentrale Hamburg zwischen November 2014 und Mai 2015 in Drogeriemarktketten unternahm. Demnach kostet eine Klinge der Marke Wilkinson Sword Quattro (blau-silbern verpackt) zwei Euro. Während für eine Klinge der Marke Wilkinson Sword Quattro for women (türkis-pink aufgemacht) 2,83 € fällig sind, 42 Prozent mehr. Krass ist auch der Unterschied bei Rasierschäumen der Marke budni care: Die schwarze Dose „für Männer“ enthält Aloe-Vera-Extrakte, genau wie die pinkfarbene Dose „für Frauen“, die Rezeptur ist laut Verbraucherschützern „fast identisch“. Männer zahlen für 100 Milliliter 34 Cent, Frauen 66 Cent – satte 94 Prozent mehr.

Gender Pricing wird das Phänomen in den USA genannt. Es ist auch bei Dienstleistungen wie Haarschnitten oder Reinigungen gang und gäbe – und in mehreren US-Bundesstaaten längst verboten. Nach Auffassung von US-Richtern handelt es sich um einen klaren Akt der Diskriminierung. Nun rührt sich auch in Frankreich Protest: Die Aktivistinnengruppe Georgette Sand (benannt nach der protofeministischen Autorin George Sand, 1804–1876, die jenes männliche Pseudonym wählte, damit ihre Bücher gelesen wurden) machte der nationalen Wettbewerbsbehörde Dampf, die „prüft“ nun.

Im Regal fallen die Unterschiede im Cent-Bereich erst mal gar nicht groß auf. Aber: Umgerechnet 1.180 Euro zahlt die westliche Durchschnittsverbraucherin jährlich drauf, wenn sie so doof ist, zu ausgewiesenen „Frauenprodukten“ zu greifen, ergab eine Studie des US-Bundesstaats Kalifornien. Allein für die US-Wirtschaft bedeutet das ein pinkes Plus von umgerechnet gut 1,3 Milliarden Euro im Jahr.

In Europa sind inzwischen immerhin Versicherungstarife geschlechtsneutral gestaltet. Der Europäische Gerichtshof machte Unisextarife 2012 zur Pflicht. Bis dahin hatten Frauen mehr für Lebens- und private Krankenversicherungen zu zahlen, weil sie, statistisch gesehen, länger leben als Männer. Umgekehrt lagen die Tarife für Autopolicen für Männer höher, weil diese ingesamt mehr Mist auf Straßen veranstalten.

Lautstark machen „Pinkstinks“-Aktivistinnen Radau gegen Spezialspielzeug für Jungen und Mädchen, etwa gegen die vor drei Jahren erschienene Sonderedition von Lego-Steinen für Mädchen. Die Befürchtung: Geschlechterklischees werden den Kleinen damit unwiderruflich eingeimpft. Dem Kapitalismus sind solche Empfindlichkeiten freilich egal – Hauptsache, Mama und Papa zahlen zweimal. Wir sind jetzt aber aus dem Lego-Alter raus, oder?

Katja Kullmann schreibt in ihrer Kolumne Die Konsumentin über Lust und Last des Geldausgebens

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Geschrieben von

Katja Kullmann

Stellvertretende Chefredakteurin

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