Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser – soll Lenin gern gesagt haben. Das „soll“ ist dabei das entscheidende Wörtchen. Es gibt nämlich keinen Beleg für dieses Zitat. Das behauptet jedenfalls Wikipedia. Stattdessen habe Lenin oft das russische Sprichwort „Dowerjai, no prowerjai“ verwendet, übersetzt: „Vertraue, aber prüfe nach.“ Nun sagen beide Sätze praktisch dasselbe, man müsste eigentlich nicht darüber streiten, wie genau der alte Russe es formuliert hat. Außerdem: Warum sollte man Wikipedia eher glauben als jahrzehntelanger mündlicher Überlieferung?
Mit diesem Vertrauensdilemma führen Lenin und Wikipedia uns direkt zu unserem heutigen Thema: zum Staubsaugen – und zur heißen Luft, die dazu gerade aufgewirbelt wird. Seit diesem Montag, dem 1. September, ist es offiziell: Staubsauger dürfen jetzt nicht mehr als 1.600 Watt Strom verbrauchen. So bestimmt es die Ökodesign-Richtline der EU. Ab 2017 sollen gar nur noch 900 Watt erlaubt sein, die Hälfte dessen, was die bislang üblichen Staubsauger im Schnitt verbrauchen: 1.800 Watt.
Nein, es wird jetzt keine Haushaltsgerätepolizei durchs Land ziehen und ältere Modelle konfiszieren. Jeder darf mit seiner alten Maschine so lange weitersaugen, bis dem Ding die Puste ausgeht. Auch die Geräte, die schon in den Lagern des Einzelhandels liegen, dürfen noch verkauft werden. Nur muss die Industrie darauf achten, dass neu ausgelieferte Maschinen dem aktualisierten Standard entsprechen. Ein erweitertes Infosiegel soll die Verbraucher nun auch über die Lautstärke und den Staub in der Abgasluft informieren.
Die Maßgabe ist ein Baustein der europäischen Klimapolitik. Immerhin soll der Energieverbrauch auf unserem schrägen Kontinent bis 2020 um mindestens 20 Prozent sinken. Allein mit der neuen Staubsaugerverordnung würden ab 2020 rund 19 Terawattstunden eingespart, rechnete man in Brüssel vor. Dies entspreche der Jahresleistung von vier Atomkraftwerken, hieß es. Das klingt nach einem guten Plan, da kann man eigentlich nicht meckern.
Genau das tun manche aber: meckern. In Großbritannien warnten Verbraucherschützer, die schwächeren Geräte würden es nicht bringen, man solle sich schnell noch einen Turbosauger sichern. Hierzulande hat die CDU im Europawahlkampf gegen die Ökorichtlinien gewettert. Die FAZ führte nun auf, was die EU sonst noch auf dem Kieker habe: Fitnessgeräte, Akkuschrauber, Föhne, Rasenmäher, Smartphones, Videobeamer, Wasserkocher und diverses Aquariumzubehör – also den gesamten Hausstand einer mittelschichtigen Standardfamilie! Vielleicht kam Spiegel Online deshalb zu dem schlecht gelaunten Schluss: „In Brüssel herrscht ein trübes Menschenbild.“
Auch ich bin skeptisch. Meine Zweifel richten sich aber zuerst auf die reflexhafte Abwehr gegen das, was „die da oben in Brüssel“ sich wieder ausgedacht haben. Ich finde: Die Klimaziele klingen gut. Und ich bin alt genug, mich daran zu erinnern, wie Autofahrer aufheulten, als in den 80er Jahren der Katalysator Pflicht wurde. Und heute? Fahren wir uns doch immer noch ganz ungebremst gegenseitig tot! Andererseits finde auch ich Energiesparlampen schlimm, schon vom Licht her, ganz abgesehen vom Quecksilberproblem und dem Lobbyismus, der hinter dem Verbot der alten Glühbirnen stehen soll („soll“ – da ist es wieder).
Und generell frage ich mich: Beruhen die großen Klimaprobleme tatsächlich auf dem Staubsaugen, dem Fischefüttern, dem Wasserkochen? Nicht eher auf dem Energieverbrauch der Großindustrie? Die das Zeug herstellt, das wir kaufen sollen? Mein Staubsauger heißt Vampyr. Ich werde ihn noch ungefähr 300 Jahre benutzen. Um Elektroschrott zu vermeiden.
Kommentare 19
Bisher ungeklärte Frage: Um wie viel länger muss der kraftreduzierte Staubsauger saugen, um ein vergleichbares Resultat zu erzielen? - Bezüglich der Einschränkung der Wahlmöglichkeit unserer Lichtquellen besteht die Ungeheuerlichkeit bei der Vergewaltigung der Bürger der EU durch die von Ihnen hoch bezahlte Kommission vor allem darin, dass das Recht auf Vergleichbarkeit der Resultate von vornherein abgewürgt wurde. Ein derartiger Vorgang geschieht übrigens nicht ohne Lobbying. Der von der Autorin mehrfach präsentierte Konjunktiv kann sich bestenfalls auf (konkrete) Geldflüsse beziehen...
Bei den Worten Staubsauger und Lenin fiel mir noch dieses schöne Gedicht ein:
Die Teppichweber von Kujan Bulak ehren Lenin.
Da gehts um die Frage, ob man Lenin zu Ehren eine Büste aufstellt oder lieber Petroleum kauft, das den Sumpf verpestet und alle krank macht. Sie kaufen das Petroleum..und
"hatten ihn also verstanden",
Resümee: Lenins Forderung nach Kontrolle ist bestimmt angebracht, aber "ihm zu Ehren" sollten wir uns selbst nützen und uns einen Teufel um diese blöden Staubsauger-Regeln scheren. Denn: Wenn jetzt alle neue Staubsauger kaufen, das wäre ein Quatsch. Genau.
Wobei: Die Teppichweber von Kujan Bulak hatten keinen Staubsauger für ihre gewebten Kostbarkeiten. Die mussten erst auf den GOELRO-Plan warten.
Kümmerlicher Kobold, nur noch mit halber Kraft voraus.
Doch Mutti holt wieder auf:
"Es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Mutti sonst nur blasen kann!"
"Mit diesem Vertrauensdilemma führen Lenin und Wikipedia uns direkt zu unserem heutigen Thema: zum Staubsaugen ..."
Ja sicher - zu welchem Thema auch sonst?
Der Bogen zur EU-Staubsauger-Verordnung erschließt sich mir nicht. Was muss man rauchen, um auf so ewas zu kommen? Ich verstehe nicht, was der Artikel will ...
Genau,
Bei Hoppenstädts ists sauber, Mann,
denn Mutti hat den Heinzelmann
Also ich finde den Beitrag schön frei assoziierend, literarisch und zum Saugen anregend.
Vielleicht gibts ja auch soviele Bedenken gegen diese EU-Einschränkungen, weil der Staubsauger ein multiple einsetzbares Gerät zu sein scheint.
Das hier ist der Klassiker:
Die Doktorarbeit: Penisverletzungen bei Masturbation mit Staubsaugern.
Vielleicht ist das auch ein Grund, die Wattzahlen zu beschränken.
Schmunzel
http://www.greensmilies.com/smile/smiley_emoticons_mttao_staubsaugen.gif
Ähm, ich glaube, bei dem Petroleum im Sumpf ging es um die Bekämpfung der Malaria (Mückenlarven wachsen in stehenden Gewässern heran)
Ob die Leute, die sowas erlassen wirklich was von Haushalt verstehen bezweifle ich auch. Sie sollten lieber einen minimalen Wirkungsgrad (Stromleistung zu Saugleistung) vorschreiben, statt eine maximale Wattzahl. Wenn die bloße Wattzahl zum Synonym für Saugstärke wird, ist das allerdings tatsächlich eine Herausforderung zum Energie-Verpulvern an die Hersteller.
Übermäßig gute Staubfilterung andererseits ist ein Bremser, bzw. Energiefresser ersten Ranges. Man braucht das auch gar nicht. Den feinen Staub lüftet man einfach heraus, wenn man ihn erfolgreich aufgewirbelt hat.
Wenn man allerdings zugrundelegt, dass 95 Prozent des Staubsaugens in den Haushalten nur überflüssige Ersatzhandlungen für die moralisch verpflichtende Erwerbstätigkeit seitens auf ihren Ruf bedachter Hausfrauen ist, dann ist es natürlich auch egal, ob die Ersatzhandlung mit 900 oder 1800 Watt begangen wird. Hauptsache der Nachbar hört, dass Frau keine Schlampe ist. Also Hausfrauen: Selbst die EU Kommissare wissen es schon. Zeit mit der Scharade aufzuhören.
Wenn man das Ding wirklich mal braucht, kann man kaum genug Saugleistung haben.
Und die Leute mit dem Kobold haben das ohnehin falsch gemacht: Die Dinger hatten eine Seite, wo sie saugten und eine wo sie bliesen. Natürlich mußte man sich einen blasen lassen.
Ich protestiere Herr Hajvs, ein Stausauger, der nicht richtig Staub saugt ist rechtmässig oberfrustrierend für die oder denjenigen, der staubsaugt, weil der oder diejenige sich eben nicht stundenlang mit Staubsaugen beschäftigen will. Es ist nicht nur eine undurchdachte Aktion der EU sondern die übliche Frechheit moderner Technologie, viertklassige Staubsauger auf den Markt zu bringen, die sich mittelständige Haushalte leisten wollen, in denen tatsächlich beide berufstätig sind und auf den Haushalt eben möglichst wenig Zeit verwenden wollen und können. Haben Sie einen Dielenboden mit breiten Fugen? Nein? Feng Shui pur und keine Ersatzhandlung, wenn man den Dreck ratz fatz raussaugen, mit seinem Gerät schwungvoll in die Ecken, entlang der Kanten fahren kann. Da wird das Saugen zum emanzipatorischen Akt. Wir haben ja auch diesen Vampyr aus dem Hause AEG. Ein eher nicht platzsparendes Ungetüm mit mittelmässiger Saugleistung, was die 700 Amazon-Bewertungen, die ich vor dem Kauf studierte, glaube ich nicht so erwähnten, der Sauger ist auch nicht flach genug eigentlich für flache Böden ;0). Die Oberklasse der Staubsauger soll ja übrigens der Dyson sein, sagten mir befreundete Staubsauger-Experten mit Faible für funktionale Anliegen. Der Dyson braucht auch keine Staubsaugerbeutel. Vermutlich ist die Energiebilanz auch exzellent. Wissen Sie da was?
was Brüssel übrigens unbedingt verbieten sollte, sind diese frauenfeindlichen weißen Bodenfliesen in den Bädern von Mietswohnungen. ;0)
Faible für funktionale Anliegen - Yeah! Dann man weiter im Thema. Das Fassungsvolumen der Staubbeutel sollte auch festgelegt werden, bei kleinen Beuteln ist das Materialverbrauch-zu-Fassungsvermögen-Verhältnis nämlich schlechter. Bei begrenzter Leistung kann der Beutel aber auch nicht beliebig groß werden, sonst zieht ER am Ende nicht mehr durch durch den alten Dreck. Zum Dyson-Handtrockner kann ich berichten, dass er bezaubernd laut ist, der dezente Gang zum ruhigen Ort wird damit am Ende gebäudeweit bekannt. Beim Bewertungskriterium "Zersteuung des Schlampigkeitsverdachts" könnte der Dyson-Staubsauger also volle Punktzahl in der Stiftung-Warentest-Tabelle bekommen.
Ein erweiternder Text zum Haushaltskomplex (inklusive Staubsaugerbeutel, Bourdieu und Hannah Arendt) http://blogs.faz.net/10vor8/2014/09/08/verdammter-haushalt-2466/
Danke für den Link - ein bedenkenswerter Artikel, schön zusammengedampft, und das darin Angesprochene geht buchstäblich jede(n) an.
Der Bezug ist wohl klar.
obwohl ich mich selbst storniere. Der Bezug ist doch irgendwie zu banal, Feminismus heute/Hannah Arendt, geht eigentlich dann doch so gar nicht ...
Mit Bezug meinte ich den auf den Kommentar, weil ich versäumt hatte, den Antwortknopf zu drücken - hätte ich mir wohl auch sparen können, den Fünf-Worte-Annex (wirkt auf mich jetzt wie überschießende Klarstellungsbeflissenheit oder sowas).
Und jetzt weiß ich nicht so genau, was es mit dem Storno auf sich hat...
Einmal Staubbeutel sind auch Unfug. Geldschneiderei.
Beutellose funktionieren nicht. Jedenfalls hatten wir mal einen Dirt-Devil der ist direkt wieder im Müll gelandet.
Ein Nass Sauger mit einer großen Tonne und starkem Motor dient zur Zeit bei uns. Wir tun aber kein Wasser zum Staub binden rein. Ein großer zusammengenähter Fleece-Pullover dient als Staubbeutel. Den muß man bloß einmal im Jahr leeren.
Da wir keinen Dielenboden haben und keine Gäste, schon gar keine pingeligen, reicht normalerweise auch fegen alle ein bis zwei Wochen.