Wie Fernsehmacher die Rechten designen, haben wir bereits im ersten Teil von Die Grenze zur Genüge vorgeführt bekommen: Die Bösen thronen über der Stadt, werden von Apple ausgestattet, fahren ausschließlich weiße Autos und tragen ausschließlich weiße Kleidung – damit der Zuschauer bloß nicht vergisst, dass eine weiße Weste stets das Gegenteil von porentiefer Reinheit bedeutet. Die Linken lernen wir im zweiten Teil besser kennen: Sie scharen sich auf blankem Boden um ein Lagerfeuer, tragen abgewetzte NVA-Uniformen und müssen zum Retten der Ihren ein altes Schlauchboot wo auch immer ausgraben. Wenn das mal nicht lauter integere und ehrliche Häute sind!
Die Regierung wiederum ist weiterhin machtlos. Nicht weil sie das in einem solchen Fall tatsächlich wäre, sondern weil dieser Film das so vorsieht. Selbst als halb Rostock schon in der Hand der neuen Nazis ist, die prügeln, vertreiben, brandschatzen, Straßensperren errichten und so weiter, sagt der Typ vom Verfassungsschutz: "Wir haben leider immer noch keine kriminellen Anhaltspunkte." Da wollte das Drehbuch offenbar so unbedingt den Staat ohne juristische Handhabe dastehen lassen, dass es selbst die Groteske nicht scheute. Ein reichlich unverblümter Traum von der Unwirksamkeit des Gesetzes.
Nur ein kurzes retardierendes Moment gönnt man den Berliner Herrschenden, und das stellt freilich eine Talkshow (siehe gestern) namens Polittalk dar, in der die Moderatorin Sabine Christiansen die Moderatorin Sabine Christiansen spielt. Nachdem der Linke den Rechten mit der Wahrheit (siehe gestern) über seine Genealogie (siehe gestern) konfrontiert hat, sagt Sabine Christiansen alias "Sabine Christiansen", dass das "dringend einer weiteren grundlegenden Debatte bedürfe" (oder so ähnlich). Und die Werbung sagt: "Es gibt 37 Arten von Kopfschmerzen." Da hat die Werbung mal wieder Recht behalten.
Außerdem wird im zweiten Teil mehr herumgeballert als im ersten, wenn auch genauso unmotiviert. Nur zwei wirklich gezielte Schüsse werden ausgeführt: einer von einem Linken, der sich damit selbst opfert für die gute Sache; einer von einem Rechten, der lieber seinen Vorgesetzen opfert für die deshalb natürlich nicht so gute Sache (noch so eine Wunschvorstellung des TV). Zu einem für alle, allen voran den Zuschauer erlösenden Ende findet der ganze Schmonzes erst, nachdem der private Spitzel einer quasi-privaten Mitarbeiterin des Verfassungsschutzes (einmal Privatisierung hätte auch genügt, Sat.1!) Beweise von der Durchtriebenheit der Rechten dem Fernsehen (siehe gestern) präsentiert. "Der Haftbefehl ist seit einer Stunde ’raus", sagt der Mann vom Verfassungsschutz dann stolz, und die Kanzlerin lächelt selbstgefällig.
Auch die Sache mit Nadines Tochter geht erwartungsgemäß gut aus. Die drohte ja zu erblinden, wenn sie nicht "in einer Privatklinik in Starnberg für 50.000 Euro" operiert wird, und bekam von dem ganzen Quatsch deshalb gar nichts mit. Die Glückliche! Wer ihre OP am Ende eigentlich bezahlt hat, weiß ich leider schon nicht mehr. Aber das ist ja auch egal, so lange das Mädchen nur wieder ihrem biologischen Vater in die Augen schauen kann (siehe gestern).
37 Arten von Kopfschmerzen
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Geschrieben von
Katrin Schuster

Kommentare 6
Naja der 2. Teil hat das Erzählkonstrukt von der »gesellschaftlichen Fiktion« à la Science-Fiction-Serien wie »Sliders« in allgemeines Thriller-Gulasch kleingekocht. Nachdem die narrativen Grenzen zwischen Gut und Böse abgesteckt waren, hat man das Interesse an der Gesellschaftsparodie schnell verloren. Aber das ist leider das Strickmuster von solchen Jahrmarktveranstaltungen. Warum müssen unsere talentierten Schauspieler auch immer so eine Murks spielen.
Das einzige in dem ein Funken feine Ironie noch einmal aufblitzte, war dass die sozialistische Republik Mecklenburg-Vorpommern ihre Grenzen dicht macht, weil zu viele Menschen dorthin einreisen wollen. Eleganter kann man die durch die Wirtschaftskrise noch verstärkte Sehnsucht nach einer alternativen Gesellschaftsordnung wohl kaum pointieren.
Hätte ich mir das anschauen sollen? Nee, ich glaub' nicht...
Das war Supertrash. Ich habe sehr gelacht.
Ich weiss gar nicht, was ihr habt, denn so schlecht war's ja nun auch nicht. Immerhin gab's Katja Riemann als Kanzlerin, die aussah wie Ursula von der Leyen und marionettenhaft die bräsige Gestik der echten Frau Merkel suchte zu imitieren. Das alleine machte schon Spaß anzuschauen. Und dann noch Benno Fürmann wie immer als aufrechter Recke, ein DNS (übrigens ein klasse Partei-Kürzel!)-Vorsitzender, der was von Guidos aasiger Umtriebigkeit hatte... Kurz: Ich hab's als Trash-TV-Movie verstanden und da gibt's schlechtere.
Also ich fand's lustig. Überraschend lustig und wenig Zeigefinger.
NNVA, ich sehre nach Dir :)
Hab mir das Ganze mal für ein paar Minuten auf Youtube angeschaut, das hat dann auch schon gereicht ;-)