Dem Dezemberheft der Zeitschrift Park Avenue liegt ein Kalender im Moleskine-Stil bei, in dem die "wichtigsten Events 2009" vermerkt sind. Wenigstens zwölf davon dürfen bereits jetzt als Makulatur gelten, denn in keinem Monat des kommenden Jahres stimmt der braun getönte Eintrag "Die neue Park Avenue im Handel" noch. Im Zuge seiner "Portfolio-Bereinigung" hat der Verlag Gruner+Jahr die Einstellung des seit Mitte 2005 monatlich erscheinenden Society-Magazins mit der Ausgabe 01/2009 verkündet. Über das Ende des Konkurrenten mit gleichem Konzept, der deutschen Vanity Fair-Ausgabe, wird ebenfalls gemunkelt, nachdem Bernd Runge - der die deutsche Version Anfang 2007 einführte - dem Verlag Condé Nast den Rücken gekehrt hat. Verleger Jonathan Newhouse dementierte zwar entschieden, schwarze Zahlen aber scheinen bei der deutschen Vanity Fair ebenfalls nicht in Sicht.
Bei Gruner+Jahr lautet die offizielle Erklärung: "Trotz eines erstklassigen journalistischen Auftritts und einer zufriedenstellenden Auflagenhöhe konnte Park Avenue die ambitionierten Ziele im Anzeigengeschäft nicht erreichen." Was natürlich mit jener - wie es so unmissverständlich heißt - "zufriedenstellenden Auflagenhöhe" zu tun hat: Knapp über 100.000 verkaufte Exemplare pro Monat sind keine gute Basis für die Anzeigenakquise. Und offenbar hat Gruner+Jahr die Hoffnung aufgegeben, dass sich das noch ändern könnte. Bei der Vanity Fair ist es kaum besser, die etwas mehr als 200.000 Exemplare, die von dem Magazin jede Woche verkauft werden, dürften den Verlag eher enttäuschen. Zum Vergleich: Das Condé-Nast-Heft Glamour verzeichnet fast 500.000 Exemplare, Gruner+Jahrs Stern etwa doppelt so viel; auch der Spiegel bekommt seine Million regelmäßig voll.
Nicht nur nach den Zahlen, sondern auch nach den Lesern der beiden letztgenannten Zeitschriften stand den Machern von Park Avenue und Vanity Fair vermutlich ein bisschen der Sinn. Das hätte eine kleine Revolution der Öffentlichkeit werden können: Seit Jahrzehnten wird die Welt der mehr oder weniger politischen Magazine von dem zum Ratgeberheftchen verkommenen Stern und dem schwer unter der eigenen Eitelkeit leidenden Spiegel beherrscht. Dem hatte der Focus nicht mehr als ein paar Tortengrafiken hinzuzufügen und Cicero nicht mehr als die gewöhnlichen Träume eines bürgerlich-konservativen Deutschlands, die sich offenbar nur in ermüdender Personalisierung nacherzählen lassen. Dass es Park Avenue und Vanity Fair um eine andere Öffentlichkeit geht, bedeuten sie selbst bereits: Statt mit ihrem Namen auf Himmelskörper, Wahrnehmungsmethoden oder antike Rhetoriker zu referieren, evozieren sie den öffentlichen Raum, einmal als Straße, das andere Mal als Marktplatz - in seiner Funktion als Laufsteg. Was der Wahrheit eigentlich ziemlich nahe kommt.
In der Park Avenue gelang diese Kombination aus gesellschaftlicher Relevanz und Unterhaltsamkeit - die man hierzulande gerne als Spagat bezeichnet - besser als bei Vanity Fair. Weil jenes sich offensiv internationaler und hochglänzender gab, den Mut zum Aussetzer hatte - Gabriele Pauli als Domina - und tatsächlich Themen zu setzen wusste, die nicht in aller Munde sind, aber durchaus interessieren könnten. Letzteres schafft auch Vanity Fair immer wieder einmal, meist aber trifft man dort auf Promi-Geschwätz, teils gar in seinen absurdesten Varianten. Auf der Suche nach den interessanten (deutschen) Menschen präsentiert das Blatt sicherheitshalber meist lieber die Üblichen anstelle der Anderen.
Womöglich liegt genau darin das Erfolgsrezept, das den Auflagen-Vorsprung gegenüber der Park Avenue sichert. Die Leser scheinen sich an die Gleichförmigkeit und ewige Identität auf dem deutschen Magazinmarkt derart gewöhnt zu haben, dass ein wenig Charisma, das heißt: neue, ungewöhnliche Themen und Titelbilder, sie eher verschrecken. Während das x-te Blondinen-Dekolleté, die x-te Hitler-Geschichte und die x-te Liste der 100 besten Proktologen Deutschlands offenbar zum Kauf verleiten. Weil solche Magazine eben halten, was sie auf dem Cover versprechen: Sie müssen Komplexität nicht erst reduzieren, da sie sie gar nicht erst aufkommen lassen.
Vielleicht aber rührt die mangelnde Akzeptanz schlicht und einfach von dem schlechten Ruf, den das Wort Gesellschaft in Deutschland hat. Da gibt es die schlechte, die gute und sogar eine bessere Gesellschaft, und wer so tut, als wären alle eine einzige, weil alle dieselben Straßen und Plätze benutzen, dem ist zunächst einmal gründlich zu misstrauen. Wer in Deutschland Magazine liest, der will natürlich brav kulturindustriell über Reiche, Schöne und Mächtige informiert werden - und sie bloß nicht ernsthaft als Seinesgleichen hinterfragt und vorgestellt bekommen: In der deutschen Medienlandschaft dienen soziale Differenzen vor allem als Grundlage von Entrüstungssimulationen. Ungewöhnliche Nuancierungen von Society-Magazinen passen da tatsächlich nicht ins Bild. Schade eigentlich.
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