Die Heimat des Vorabend-TV

Medientagebuch Schaltet man abends den Fernseher ein, befindet man sich fast immer in Bayern. Das wird dann mitunter als "Modernisierungsmaßnahme" verkauft

Über die bayerische Polizei gibt es eine Menge guter Geschichten zu erzählen – angefangen bei dem Trupp, der am 9. November 1923 den Hitlerputsch im letzten Moment vereitelte, bis hin zu den Polizisten, die im August 1994 am Münchner Flughafen einen Mann mit 363 Gramm Plutonium im Gepäck verhafteten. Dass manch Beamter sich gerade dann als besonders verfassungstreu erweist, wenn er den Mächtigen im Freistaat mehr oder weniger unabsichtlich in den Rücken fällt, hat man längst als typisch begriffen. Davon ist heute jedoch nicht viel mehr übrig als: Irgendwie sind die alle ein bisschen trottelig, aber sie wissen, wie man die Dinge auf zwischenmenschliche statt auf juristische Weise geregelt bekommt.

Es hätte klappen können

Aktuell ist diese Erzählung vom Gegensatz zwischen Gesetz und Gerechtigkeit sogar so beliebt, dass sich selbst Sat.1 an einer tümelnden Polizeiserie versucht hat; sie heißt Der Cop und der Snob, und wie immer sollen auch diesmal die Pointen einem ach so ungleichen Paar entspringen. Der „Cop“ heißt Gerry Waiblinger, kommt aus Hasenbergl (Münchens angebliches „Problemviertel“), hält sich nicht an Regeln und interessiert sich vorwiegend für schöne Autos, Frauenpos, Frauenbrüste und Rockmusik. „Snob“ Tristan von Rehnitz dagegen trägt nicht nur einen Adelstitel, sondern auch feinsten Zwirn, legt ein stets tadelloses Benehmen an den Tag, stammt irgendwoher aus dem Norden und zieht deshalb dauernd die Augenbrauen hoch, wenn jemand Bayerisch spricht. Eine Schwarzweißmalerei, die nicht vom Erfolg gekrönt wurde: Eben hat Sat.1 Der Cop und der Snob vorzeitig abgesetzt.

Seppl und Kaschper

Bereits im Februar verlängerte die ARD dagegen Hubert und Staller, eine der beiden (von insgesamt neun) Vorabendserien der Schmunzelkrimi-Reihe Heiter bis tödlich, die in Bayern spielen. Auch von der anderen, München 7, wurde gerade eine neue Staffel gedreht. Und im ZDF startete vor kurzem die Serie Schafkopf – A bisserl was geht immer, die von der jungen bayerischen Anwältin Sandra Koch erzählt, die quasi ohne Unterbrechung irgendwie niedlich guckt und keine Ahnung von Paragraphen, aber ein großes Herz und das auch noch am rechten Fleck hat. Ihre wichtigsten Helfer sind der örtliche Pfarrer und der Dorfpolizist: Der eine anerkennt die Staatsmacht ohnehin nicht, und der andere ist schlichtweg zu verknallt in die Sandra, um seinem Arbeitgeber die Treue zu halten.

Ort der Inspiration

Nun ist der ZDF-Vorabend also noch bayerischer, als er eh schon war, da am Dienstag bereits die Rosenheim-Cops und am Mittwoch die Garmisch-Cops ermitteln. Allein am Bedürfnis der globalisierten Welt nach lokalisierbarer Heimat kann das nicht liegen, denn Schafkopf ersetzt nicht irgendeine Serie, sondern den Landarzt, der fast 25 Jahre und 300 Folgen lang Schleswig-Holstein weichzeichnete. Offizielle Mitteilungen nennen den Umzug vom hohen Norden in den tiefsten deutschen Süden übrigens eine „Modernisierungsmaßnahme“. Tatsächlich handelt es sich, nicht nur auf inhaltlicher Ebene, ums genaue Gegenteil: In Bayern fühlt sich der Vorabend nur deshalb so dahoam, weil nur in Bayern noch Machtverhältnisse herrschen, in denen die Geschichtchen über die Bauernschläue gedeihen, die per Stellvertreter-Widerständler über die eigenen Ohnmachtsgefühle hinwegtrösten.

Eine bessere Werbung kann sich die CSU im Hinblick auf 2013 gar nicht wünschen: Da der bayerische Staat seine eigene Opposition als immer schon integrierte stets dabei hat, gibt es einfach keinen Grund, sein Kreuzchen woanders zu machen. Eine absolute Mehrheit verhindern könnte, wie gehabt, vermutlich nur die bayerische Polizei.

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Geschrieben von

Katrin Schuster

Freie Autorin, u.a. beim Freitag (Literatur, TV, WWW)

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