Eine bizarre Idee vom Feminismus

Emanzipation Frau Ministerin, mit Verlaub: Es gibt „sex“ und es gibt „gender“ – zum Streit zwischen Alice Schwarzer und Kristina Schröder

Am Dienstag hatte die Bild-Zeitung einen „bizarren Sex-Streit“ zu vermelden: „Es geht um Sex, Unterwerfung und Feminismus“. Allein, der Leser musste sogleich alle Hoffnung auf eine trashige Sado-Maso-Story fahren lassen, denn der Artikel war illustriert mit Fotografien von Kristina Schröder und Alice Schwarzer. Und ausnahmsweise war kein Wort gelogen: Der Streit ist wirklich ein wenig bizarr, und er handelt tatsächlich von Sex, Unterwerfung und – das am wenigsten – Feminismus.

Dass es wenig braucht, damit die ­deutsche Familienministerin aufrichtigen Herzens in einen Fettnapf tritt, weiß man natürlich auch beim Spiegel, der deshalb höflich nachgebohrt hatte, was die bekennende Geg­nerin der Frauenquote denn von der Schwarzer halte. ­Deren Haltung sei ihr teilweise zu radikal, antwortete die Befragte und erklärte: „Zum Beispiel, dass der heterosexuelle Geschlechtsverkehr kaum möglich sei ohne die Unterwerfung der Frau. Da kann ich nur sagen: Sorry, das ist falsch.“ Was die Ministerin außerdem „nicht wirklich überzeugend“ fand: „dass ­Homosexualität jetzt aber die Lösung der Benachteiligung der Frau sein soll“.

Als Alice Schwarzer das las, ging sie freilich in die Luft – womöglich weniger wegen der Platitüden Schröders als vielmehr wegen Schröders mangelnder Kenntnis von Schwarzers Person und Werken. Bescheidenheit ist nämlich keine Schwarzer’sche Zier – zum Glück! Sonst stünden die Frauen vielleicht längst nicht da, wo sie heute immerhin schon stehen. Nur Kristina Schröder ist da irgendwie nicht mitgekommen, vermutlich wirft sie der Frauenbewegung bald noch vor, sie wolle den Männern die Geschlechtsteile abschneiden. Sorry, aber auch das ist falsch. So wenig Schröder die sprachliche Dimension der Frauenbewegung begreift und mit Metaphern anzufangen weiß, so unzugänglich scheint ihr auch der Unterschied zwischen sex und gender, zwischen ­biologischem und sozialem Geschlecht – was einer Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend kein ­besonders gutes Zeugnis ausstellt. In dem Interview widersprach sie gleich zu Beginn Simone de Beauvoirs Satz „Man wird nicht als Frau geboren, man wird es“. Wo es der Frauenbewegung allein um gender gehen kann, da kennt ­Kristina Schröder nur den sex. Ist eben alles ganz natürlich: dass Frauen lieber Germanistik studieren oder Kindergärtnerin werden, weniger verdienen und seltener Karriere machen. Wollte dem ­jemand per Gesetz abhelfen, dann stelle das eine „Kapitulation der Politik“ dar, meint Schröder. Und offenbart damit ein merkwürdiges Verständnis ihres ­Berufs.

Auf diese intellektuellen Mankos geht Alice Schwarzer allerdings kaum ein. Ihr Offener Brief mündet in der Titulierung der Ministerin als „hoffnungsloser Fall“, apostrophiert zuvor den Altersunterschied als Erfahrungshorizont, ist überhaupt recht autoritär und erklärt zudem, wo heutzutage die Gefahren lauern: Nicht mehr die Männer an sich sind es, die den Frauen das Leben schwer machen, sondern Menschen aus anderen „Kulturen“, die „eben leider nicht durch den Feminismus gegangen sind, wie die ex-sozialistischen Militärdiktaturen Osteuropas oder die muslimischen Länder.“ Da ist sie dann plötzlich nicht mehr so weit weg von Kristina Schröders anderem Fettnapf namens „Deutschenfeindlichkeit“. Aber dafür himmelweit entfernt von dem Kampf um Emanzipation und Gleichberechtigung, der einmal den Feminismus ausmachte.

Katrin Schuster bloggt auf katrinschuster.de



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Geschrieben von

Katrin Schuster

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