Im vergangenen Herbst begab sich die Frauenzeitschrift Brigitte – aus Neid auf „die Amerikaner, die einen derart scharfen Präsidenten haben“ – auf die Suche nach „dem deutschen Obama“. Und fand als potentiellen Kandidaten unter anderem Ludwig Hartmann: seit kurzem 32 Jahre alt, seit über 15 Jahren Mitglied der Partei Bündnis 90/Die Grünen, seit 2008 im Bayerischen Landtag.
Oder, in den Worten von Brigitte: „Rosige Gesichtsfarbe. Sanfter Blick. Breite Schultern. Ein Lächeln, das nicht so angestrengt rüberkommt wie bei den meisten Kollegen. Eine Frisur wie eine wallende Brandung, unter der Ludwig Hartmann höchstpersönlich den Fels gibt.“ Auf Bayerisch würde man sagen: a ziemlich fescher Kerl, der Hartmann Ludwig. Und das ist ein Lob für einen Grünen-Politiker, das immer noch ein wenig unerhört in Bayern klingt. Nicht weil ein Grüner nicht fesch sein könnte, sondern weil ein Grüner das bis vor nicht allzu langer Zeit per definitionem einfach nicht war. Mancherorts im Freistaat hält man diese Partei nämlich noch immer für einen Männerstrickverein.
Die ästhetische Anerkennung wenigstens eines bayerischen Grünen durch eine Frauenzeitschrift folgt der politischen durch die Wähler freilich nur auf dem Fuße. Angefangen hat das mit dem Daxenberger Sepp: Der Biobauer wurde 1996 erster Grüner Bürgermeister in Bayern und blieb das auch bis 2008. Und zwar in Waging am See, einer Gemeinde im Landkreis Traunstein, der bislang wahrlich nicht für seine alternativen Bestrebungen bekannt gewesen war. Zwischenzeitlich bildeten die Grünen sogar die stärkste Fraktion im Waginger Gemeinderat; aktuell liegen sie mit je fünf Sitzen gleichauf mit der CSU. Nach der SPD wiederum muss man im Waginger Rathaus gar nicht erst suchen: Die kommt dort einfach nicht vor. Was nicht ungewöhnlich ist in Bayern. Ungewöhnlich ist nur, dass die Grünen dort immer öfter vorkommen. Die prinzipielle Abneigung, die dieser Partei noch vor einiger Zeit entgegen schlug, könnte bald nurmehr zur historischen Anekdote taugen.
Entscheidung zwischen Schwarz und Grün
Auch Ludwig Hartmann, der seine politische Karriere bei der Grünen Jugend und im Stadtrat von Landsberg am Lech begann, hat begriffen, dass es in Bayern weniger um die Möglichkeit einer schwarz-grünen Koalition geht als vielmehr darum, dass die Wähler sich zwischen Schwarz und Grün entscheiden sollen und müssen. Die Stimmen für die CSU sind es, die die bayerischen Grünen im Auge haben, und die sie – der Daxenberger Sepp hat es schließlich bewiesen – auch gewinnen können. Kaum zufällig inszenierte sich Ludwig Hartmann in seinen beiden Landtagswahlkämpfen 2003 und 2008 als Wiedergänger des Märchenkönigs. Das Plakat zeigte ihn in royaler Montur, Schloss Neuschwanstein im Hintergrund, darüber der Slogan „Wieder ein Ludwig in Bayern“. Eine Ikonografie, mit deren Ironie sich SPD-Wähler schwer tun dürften. Während CSU-Wähler sie vielleicht nicht einmal bemerken.
Hartmann schaffte im Jahr 2008 jedenfalls den Sprung in den Landtag, den er 2003 noch wegen 81 fehlender Stimmen verpasst hatte. Das gelang zwar nur dank seines Listenplatzes; fast 16 Prozent der Stimmen im Münchner Nobelstadtteil Bogenhausen zu holen, bedeutet für einen Jungpolitiker der Grünen allerdings doch ein kleines Kunststück.
Auf dem Feld, das Sepp Daxenberger bestellt hat, wird Ludwig Hartmann in den nächsten Jahren womöglich noch reichere Ernte einfahren. Was Außenstehende nämlich oftmals übersehen: Der bayerische Patriotismus ist beileibe nicht so staatstragend, wie der Rest Deutschlands gerne denkt. Im Gegenteil schlummert da eine Revoluzzer-Lust, die durchaus die Tradition des Freistaats ausmacht und schnell geweckt werden kann. „Liaba bairisch steam, als kaiserlich verdeam“ (Lieber bayerisch sterben, als kaiserlich verderben), lautete einst der Wahlspruch der Bauernaufstände, die in der Sendlinger Mordweihnacht ein bitteres Ende nahmen. Wer diese Parole verinnerlicht und sich mit den Großkopferten anlegt, hat also auch als Grüner gute Chance auf ein Mandat. Die politische Landkarte ist da ohnehin recht unmissverständlich: Die meisten grünen Bürgermeister findet man im Süden Deutschlands.
Bäuerlicher Widerstand
Nun ist Hartmann allerdings kein Bauer, sondern Kommunikationsdesigner – das Vertrauen der bayerischen Landbevölkerung muss er also auf anderem Weg gewinnen. Da ist ihm die Münchner Olympiabewerbung für 2018 vermutlich gerade recht gekommen: Hartmann ist Mitbegründer der „Nolympia“-Initiative, die verhindern will, dass die Garmisch-Partenkirchener Landschaft für die Spiele um- und ausgebaut wird.
Da regt er sich wieder, der bäuerliche Widerstand gegen das leibeigenschaftliche Gebaren von denen da oben. Selbst dass Horst Seehofer eine Chefsache aus dem Garmisch-Partenkirchener Widerstand gemacht hat, änderte bislang nichts am Unwillen der Grundbesitzer. „Wer sich für Olympia verkaufen will, kann das nun profitträchtig tun“, erklärt Hartmann aktuell recht spitzzüngig auf seiner Website – während die Stadt Garmisch-Partenkirchen unbeeindruckt die historische Trommel rührt: „Bereits 1936 schrieb Garmisch-Partenkirchen Olympia-Geschichte. So wurden zum ersten Mal bei Olympia alpine Skirennen veranstaltet: die Slaloms am Gudiberg und die Abfahrten am Kreuzeck. Ebenfalls unvergessen bleibt der Schlusstag: mit dem Spezialsprunglauf und der Schlusszeremonie vor rund 150.000 Zuschauern. Eine Gänsehautkulisse!“ Bei solchen Steilvorlagen kann es dem Hartmann Ludwig tatsächlich herzlich egal sein, dass die Brigitte seinen „Multikulti-Faktor“ – das andere Kriterium neben dem oben zitierten „Sex-Appeal“ – zu gering findet.
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