Fragen Sie einen Vogel, warum er singt!

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Das ist ja eben das kleine oder vielmehr große Wunder dieser Branche: dass sich immer noch Literaturverrückte finden, denen nichts besseres einfällt, als einen neuen Verlag zu gründen. Obwohl ihnen jeder finanzvernünftige Mensch vermutlich davon abraten oder gleich stumm die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würde. Kann uns doch egal sein: In jedem Frühjahr und jedem Herbst trudelt wieder eine oder trudeln sogar gleich mehrere Vorschauen ins Haus, auf denen vorne drauf die stolze Zeile „Das erste Programm“ zu lesen ist.

Neu auf dem Markt ist in diesem Herbst zum Beispiel (ein anderes Beispiel wäre mir bislang noch nicht aufgefallen) der Secession Verlag, der auf dem bildlosen, in graubraun gehaltenen Cover seiner ersten Vorschau schön schräg titelt: „Das ist ja unfassbar. Das ist katastrophal. Das springt ins Auge. Oder haben Sie nichts gesehen?“ Hä? Genau! So etwas gefällt mir prinzipiell erst einmal und jedenfalls besser als irgendwelche romantisch guckenden Frauen oder Meeresufer oder Crime Scenes. Auch Pressetexte sind oft ein Elend, deren Lektüre bereitet nur selten Freude; in der Secession-Vorschau aber tut sie das.

Auf der Editorial-Seite wird dann auch gleich die Frage nach dem Sinn einer Verlagsgründung in heutigen Zeiten beantwortet: „Wir möchten es betonen: Fragen Sie einen Vogel, warum er singt!“ Soll heißen: Die beiden Gründer wollen und können eben nichts anderes bzw. nichts besseres als Bücher machen. Und das ist gar nicht abfällig gemeint, sondern vermutlich die ganz banale Wahrheit: Susanne Schenzle war bis vor nicht allzu langer Zeit noch Vertriebsleiterin beim Ammann Verlag, der im Juni dieses Jahres die Pforten schloss. Und der Zweite im Bunde ist Christian Ruzicska, der 1998 den Tropen Verlag mitgründete, dann ein paar Jahre bei Henschel als Programmleiter arbeitete und nun also wieder in die Selbständigkeit zurück gekehrt ist.

„Unser Herbst 2010 – Das erste Programm“ des Secession Verlags umfasst nur vier Bücher – die in ziemlich einheitlichem Look aufgemacht sind. Das ist ja gerade so eine der grundlegenden Fragen für Verlage: Gibt man jedem Buch sein ganz eigenes Aussehen oder versucht man sich an strikter und folglich unverkennbarer Einheitlichkeit? Ich bin von Letzterem nicht sonderlich begeistert – so ansprechend ich den Secession-Stil grundsätzlich finde – weil es mich immer an jene SZ- oder Zeit-Editionen erinnert, die irgendwie, Entschuldigung, billig aussehen. Oder eben an die Suhrkamp-Taschenbücher, auf die man zu Studentenzeiten richtig stolz war, weil die Regale – sofern man eine Reihe davon besaß – so bemerkenswert Fleckhaus-uniform aussahen.

Diese Zeit des Einheitslooks, so dachte ich, sei vorüber; was ich auch daraus schloss, dass Magazine wie Dummy oder eben Verlage wie die FVA sich bei jeder Ausgabe bzw. in jeder Saison wieder ein ganz anderes Aussehen verpassen (lassen). Vielleicht ist das aber auch nur ein subjektiver Eindruck und die Corporate Identity ist vielmehr gerade wieder im Kommen. Wundern würde mich das ja nicht, denn Markenbildung wird schließlich auch auf dem Buchmarkt immer wichtiger.

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Geschrieben von

Katrin Schuster

Freie Autorin, u.a. beim Freitag (Literatur, TV, WWW)

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