Gelacht wird trotzdem

LInksbündig Politisch inkorrekter Humor ist Trend. Wer nicht mitlachen will, sieht unweigerlich uncool aus

Haben wir´s nicht schon immer gewusst: Der US-Amerikaner an sich ist antisemitisch, doppelmoralisch, kriegs- und waffengeil, ausländer- und frauenfeindlich. Wie schön, dass uns Sacha Baron Cohen das alles in seinem neuen Film Borat! noch einmal vorführt. In der Rolle des kasachischen Reporters Borat Sagdiyev reist und radebrecht der in Cambridge promovierte Historiker Cohen durch die USA und stellt sich doof. Allerlei Klischees, die auf dem Weltmarkt gerade zu haben sind, hat Cohen im Gepäck und offeriert sie - ins Absurde verdreht - einerseits den US-Amerikanern, die er auf seiner Tour trifft. Und andererseits und danach dem Kinogänger, der in seinem weichen Sessel dann gut lachen hat über diese bösartig dummen Amis: Er selbst ist schließlich längst nicht so beschränkt, um Cohen/Borat auf den Leim zu gehen. Manchmal ist es eben herrlich einfach sich über die Kulturlosen in Übersee lustig zu machen - anstatt die Parallele zur eigenen Gesellschaft zu ziehen.

Auch die Kritiker pflegten vielfach die deutsche Erhabenheit. Ein ums andere Mal las man da, dass der Regisseur mittels seiner Kunstfigur den US-Amerikanern die hübsche Maske vom hässlichen Gesicht reiße, Cohen/Borat zeige sie, so schrieb es die Netzeitung, als "Bewohner eines Konsumparadieses, in dem zwar viel gelächelt wird, aber dennoch Kälte und Distanz regiert." Ähnlich, nur ein wenig intellektueller, nannte der filmdienst Cohens Werk "eine dokumentarische Momentaufnahme der amerikanischen Psyche zwischen Bigotterie, christlichem Fundamentalismus, Dummheit, Sendungsbewusstsein und einer puritanischen Körperfeindlichkeit, die durch die strategisch ausgebildete Toleranz der ‚political correctness´, die eine Strategie des kommunikativen Beschweigens ist, bestens kaschiert wird." Als ob das hierzulande alles so arg anders wäre.

Kaum angelaufen besetzt Borat! in den USA bereits Platz 1 der Kinocharts. In Deutschland dagegen bislang nur Platz 2: Auf der Pole Position steht weiterhin 7 Zwerge - Der Wald ist nicht genug. Harte Konkurrenz. Und während die Menschen in die Kinos strömen, um über Borat! zu lachen, hätten andere am liebsten, dass dieser Film gar nicht - oder zumindest nicht in dieser Fassung - gezeigt wird. Nicht nur der kasachische Präsident sah sein Land verleumdet, auch das Institut für Antiziganismusforschung hat mittlerweile Beschwerde eingelegt, der der Verleih teilweise stattgegeben hat: Nach und nach wurden die Minuten aus dem Trailer des Films entfernt, die nach Meinung des Instituts Vorurteile gegenüber Sinti und Roma bestätigten. Konkret geht es um eine Szene, in der Borat - unterstützt von einem hilfsbereiten Verkäufer - nach einem Auto sucht, das beim Überfahren von "Zigeunern" keinen Schaden nimmt. Auch gegen die Produktionsfirma, diverse TV-Sender, die den Werbespot des Films ausstrahlten, und die Website der Tageszeitung Die Welt, auf der ein Interview mit Borat abgedruckt wurde, will man angeblich juristisch vorgehen.

Natürlich sind derart heftige Reaktionen für einen Film wie diesen die beste PR: Jetzt erst recht, scheinen sich viele zu denken, und eilen stolz ins Kino, in der Annahme, endlich ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und -bildung auszuüben. Schlecht finden kann man den Film nun nicht mehr, denn sonst fände man sich schließlich auf der Seite der Opfer wieder. Und wer will das schon? Es ist mithin dasselbe Problem wie immer, wenn sich Satire politisch unkorrekt gebärdet: Der Unmut, den der Film stiftet, hilft nur dem Film, und nie den darüber Unmutigen. Die nämlich gelten plötzlich nur noch als humorlose, kleinkarierte Kritikaster oder gar Zensoren - ganz egal, auf welche wahren wunden Punkte ihr Einspruch zielt. Denn natürlich kann es passieren, dass Cohen für viele seiner Aussagen einen ganz und gar unironischen Applaus erhält. Andererseits: Wer Judenjagd für einen großen Spaß hält und gerne mal Zigeuner platt machen möchte, dem ist wohl ohnehin nicht mehr zu helfen.

"Die eine Hälfte der Menschheit lacht über die andre, und Narren sind sie alle", schreibt Gracian in seinem Handorakel der Weltklugheit. Man kann nur hoffen, dass Cohen bald nach Deutschland kommt - auf dass der deutsche Humor sich selbst ins Gesicht sehe. Und dann die andere Seite mal was zu lachen hat.


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Geschrieben von

Katrin Schuster

Freie Autorin, u.a. beim Freitag (Literatur, TV, WWW)

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