Schön war die Zeit, als man sich noch der Illusion hingeben konnte, Blogger seien Menschen, die uns kostenlos mit Meinung und Information versorgen; aus Leidenschaft. Was für eine Glaubwürdigkeit sie umgab! Doch nun: alles dahin. Nur wegen "adical", der so genannten "Plattform für Werbung auf Blogs, organisiert von Bloggern", deren Gründung (als GbR) Johnny Häusler im Februar dieses Jahres auf seinem Blog Spreeblick bekannt gab. 191 Kommentare finden sich mittlerweile unter diesem Eintrag, die diskutierende Gemeinde spaltet sich in Fundis und Realos. Während diese die ihrer Meinung nach unumgängliche Professionalisierung begrüßen, betrachten jene Werbung auf Blogs als unzulässige Kommerzialisierung einer moralischen Tätigkeit. Der Konflikt um das Spannungsfeld von Information und Relevanz, Moral und Finanzierung ist alt wie die mediale Welt - und wird derzeit, da sich Internet, Fernsehen und Zeitungen in Abhängigkeit voneinander verändern - neu ausgetragen. In Sachen Blogging wies der selbst ernannte digitale Bohèmien Sascha Lobo - als Mitbegründer von "adical" - der Grundsatzdiskussion einen verminten Weg: "Wer Werbung in Medien grundsätzlich und immer und sowieso verdammt, kann das gerne tun, sollte aber nochmal nachdenken, vielleicht während eines Praktikums bei der Nordkoreanischen Staatszeitung."
Ganz so einfach ist das natürlich nicht. Wer Werbung in Medien nicht grundsätzlich und immer und sowieso verdammt, der müsste sich vice versa darüber im Klaren sein, was zu verdammen wäre und was nicht - was also gute und was schlechte Werbung ist. Ein Versuch: Gute Werbung ist deutlich als Werbung kenntlich gemacht und nimmt keinen Einfluss auf redaktionelle Inhalte. Schon kommt uns die Realität gleich mehrfach in die Quere: Natürlich sähen Zeitungen, Fernsehsender und kommerzielle Internetangebote anders aus, wenn sie tun könnten, was sie wollten, weil sie nicht von ihren Finanziers abhängig wären. Wo in die eine Richtung Geld fließt, da wird im Gegenzug ein Umfeld für Reklame bereitgestellt. Um zu überleben sind Medien darauf angewiesen, die Aufmerksamkeit ihrer Leser verkaufen. Und die will eben jeden Tag aufs Neue gewonnen werden.
Die Techniken dazu sind bekannt und seit der Einführung des Privatfernsehens umso deutlicher zum Vorschein getreten - wohl weil in jüngster Zeit kein anderes staatliches Medienmonopol nach Jahren des Bestehens so plötzlich private Konkurrenz bekam. Das Herunterbrechen aller Themen auf das dynamische Duo sex and crime bindet - wie langfristig auch immer - einen Gutteil der Zuschauer. Der kreative Umgang mit den Konsumaufforderungen kommt hinzu: Mittlerweile sind mannigfaltige Werbeformen entwickelt worden, die offiziell nicht Schleichwerbung, sondern Sponsoring, Cross-Promotion oder Produktbeistellung heißen und deshalb erlaubt sind. Dass viele Zeitungen nicht mehr nur leere Druckfläche verkaufen, sondern ihren guten Namen und ihre Redakteure gleich dazu, dass im Fernsehen gerne mal ganz zufällig dieses oder jenes Produkt vor der Kamera erscheint und im Internet allein um Klickzahlen gebuhlt wird, gehört längst zum Stammtisch-Repertoire. Ist die Abhängigkeit von Werbekunden erst einmal institutionalisiert, dann entsteht - nicht immer, aber oft überraschend schnell - eine Grauzone, die sich juristisch und moralisch nur noch schwer erhellen lässt.
Lebensbedrohlich wird dieses Problem für das Internet wohl nie, für einige Zeitungen bei der nächsten Krise, für das Fernsehen ist es aktuell und höchst brisant. Von den privaten Sendern ist man einen lockeren Umgang öffentlicher Verantwortung bereits gewohnt. Unter Beschuss stehen die öffentlich-rechtlichen Anstalten. Schließlich zahlt der Bürger für deren Unabhängigkeit und Qualität seine Pflicht-Abgaben. Als jüngst das Verfassungsgericht den Einspruch der Politik gegen die avisierte Erhöhung der GEZ-Gebühren abwies, schlugen die Wellen der Empörung hoch. Von einem Freibrief zur Selbstbedienung war die Rede, von Nicht-Erfüllung der vorgeschriebenen Grundversorgung, von Verflachung und Quotenschielerei. Die Quote mithin ist ein seltsames Reizwort, das von allen Seiten je nach Bedarf in die Diskussion geworfen wird. Denn schielen ARD und ZDF einmal nicht nach ihr und strahlen zur besten Sendezeit Volksmusik aus, dann wird ihnen das zum Vorwurf gemacht. Nicht ganz zu Unrecht, denn wo bleibt die Berechtigung eines volksfinanzierten Fernsehens, das keiner sieht?
Vom baldigen Ende des Fernsehens gar munkeln die Fans und Vermarkter des Internets: Weil das Web all das ebenfalls könne, was das TV kann: schnell reagieren und informieren, bewegte Bilder bereitstellen, unterhalten. Dabei scheinen ARD und ZDF die Apologeten des Netzes bestätigen zu wollen, denn längst haben sie für ihre eigenen Live-Auftritte gesorgt. Dies rief umgehend die Privatmedien auf den Plan: Unzulässige Ausweitung der Geschäftsfelder! Wettbewerbsverzerrungen! Diese Rufe hatten den öffentlich-rechtlichen Anstalten schon 1956 entgegengeschallt, als der erste Werbespot im Fernsehen lief - damals noch aus den Reihen der Zeitungsverleger. Es gab Klagen. Die Gerichte entschieden zugunsten des Bildschirms.
Doch die Angst vor der schwindenden Relevanz steht dem Fernsehen ins Gesicht geschrieben - sonst brächten sich die Öffentlich-Rechtlichen nicht so oft selbst ins eigene Gespräch und die Privaten versuchten nicht so herzzerreißend, den Apparat als Familienmitglied zu positionieren mit "Supernanny" und "We are family". Die Todesfurcht scheint mithin ein wenig übertrieben. So lange in Elektromärkten noch Geräte mit einer Bildschirmdiagonale von über 70 Zentimetern verkauft werden, kann es dem Fernsehen so schlecht nicht gehen. Zudem sollte man die gemeinschaftsstiftende Rolle des Gesprächs über Gesehenes nicht unterschätzen, die das Fernsehen in besonderem Maße unterstützt. Kaum ein anderes Medium erzeugt eine derart massenhafte Gleichzeitigkeit von Wahrnehmungen ein und des selben Ereignisses auf ein- und dieselbe Art. Auch das ziellose Gucken und das Zappen per Fernbedienung sind längst zu schlechten, aber lieben Gewohnheiten geworden, die so schnell weder YouTube noch Blogging ersetzen können.
Die Frage bleibt, wer das in Zukunft finanzieren soll. Die klassische Fernsehwerbung scheint überholt, sie "verliert den Rang der Selbstverständlichkeit", wie Norbert Schneider, Direktor der Landesmedienanstalt NRW, in einer Rede über die "Zukunft des Rundfunks" sagte. Als Gründe nannte er unter anderem das "schlechte Image", die kaum mehr steigenden Einnahmen sowie jene Grauzone der legalen Schleichwerbung, die sich etablieren konnte.
Neue Methoden der Finanzierung entdeckt man bei den privaten Sendern, die aus ihren vielen Nöten ein paar Tugenden zu zaubern suchen. Schließlich wäre es ein Irrtum, zu glauben, Privatfernsehen sei kostenlos. Es finanziert sich nur über mehrere Ecken: Ein Unternehmen zahlt an den Sender und der Zuschauer per Konsum an das Unternehmen. Schließlich sind an die Seite dieser Umwegfinanzierung noch weitere, direktere Formen getreten. Wie etwa die Einnahmen aus Anrufkosten, womit sich Neun Live so schnell wie wohl kein anderer Sender in die schwarzen Zahlen katapultierte. Gerecht ist das alle mal, kommen doch für den Unterhalt dieser Sendungen nur diejenigen auf, die sie ansehen und sich zum Telefonieren verführen lassen. Man muss eben wissen, welche Art von Glücksversprechen man sich was kosten lässt - sei es Geld oder Aufmerksamkeit.
Die andere Art der Finanzierung verkehrt den Geldfluss: Für die Inhalte bezahlen nicht Zuschauer, sondern Unternehmen, die sich von der Repräsentation einen Mehrwert erhoffen. Manche Buchhandlungen oder Supermärkte arbeiten bereits auf diese Weise: Sie vermieten Regale oder Stapelplätze an Firmen, die dort ihre Ware präsentieren - weil es kein Geheimnis ist, dass sich besser verkauft, was massenhaft angeboten wird. Das Fernsehen kopiert dieses Konzept: Zählt man die Sendungen, die heute bereits Markennamen tragen, ahnt man, wie sehr manches Vollprogramm schon jetzt einem Shoppingsender gleicht. Dass RTL irgendwann nur noch Sänger castet, die bei BMG unter Vertrag genommen werden, Bücher von Random House empfiehlt und über Themen aus Brigitte und Stern berichtet, ist vorstellbar. Ob dies die Zukunft des Privatfernsehens sein kann, muss abgewartet werden.
Wahrscheinlicher scheint ein Siegeszug der Idee des Pay-TV: Man abonniert und bezahlt nur die Sender, die man wirklich sehen möchte - ganz wie bei der Zeitung. Unter dem Namen "Triple Play" offerieren Kabelbetreiber und die Telekom bereits so genannte Bündelangebote aus Internet, Telefon und eben Fernsehen, die meist mehr als die üblichen Kanäle umfassen: Wer es nackter, lustiger oder krimineller will, kann das Programm gegen Mehrkosten aufstocken. Im neuen Gewand begegnen uns die altbekannten Gebühren - als die Zukunft des Fernsehens! Nicht nur des Öffentlich-Rechtlichen.
Dass indes in Sachen der altbekannten GEZ nicht alles beim Alten bleiben kann, ist längst auch den Verantwortlichen klar. Beim nächsten Treffen der Ministerpräsidenten im Oktober sollen Alternativen zur aktuellen Form der Gebührenerhebung Thema sein, über eine geräteunabhängige Lösung wird nachgedacht. Auch von einer vollständigen Werbefreiheit der öffentlich-rechtlichen Anstalten sprechen manche. Damit wären ARD und ZDF tatsächlich Vorreiter in Sachen Medienfinanzierung. Denn damit wäre ein großer Schritt in Richtung Wiederherstellung von Glaubwürdigkeit und Qualität des Fernsehens getan. Auch wenn mancher sie dafür gerne nach Nordkorea verbannte.
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