Große Form

Hörspiel Gelungene Zentralisierung: Ulrich Chaussys ungemein aktuelle Sendung "Mein Name ist: BND" zeigt als Oktober-Folge des ARD-Radiofeatures, was das Medium alles kann

Zwar weiß der Kritiker die neue Form noch nicht recht einzuordnen, das Radiofeature muss aber 1947 ein Thema von einiger Bedeutung dargestellt haben; nicht zuletzt ob seiner utopischen Qualitäten: „Das Hörspiel setzt ein mit einer Tagung der alleuropäischen UNESCO-Universität im Jahre 2047 auf dem Hradschin in Prag. Die kapitalistische und die sozialistische Welt sind zu einer Einheit verschmolzen.“ Das schrieb der Spiegel damals über Axel Eggebrechts Was wäre, wenn ... Ein Rückblick auf die Zukunft der Welt, das erste Radiofeature, das in Deutschland gesendet wurde.

Eine weise Voraussicht bürgt zwar nicht zwangsläufig für die Tragfähigkeit einer medialen Formats. Bemerkenswert ist dennoch, wie das Radiofeature als große Form Aktualität behaupten kann: Am 20. Oktober erst starb Muammar al-Gaddafi unter bislang ungeklärten Umständen – und nun senden die ARD-Radios ein Feature, das von der so schwierigen wie zweifelhaften Rolle des Bundesnachrichtendienstes nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und nach 1989 handelt. Und in dem es etwa um die Umstände der Bin-Laden-Tötung geht. Verbindungen zu einem Sohn Gaddafis kommen auch vor.

1984 biss der Autor Ulrich Chaussy sich an Pullach schon einmal die Zähne aus; nun ist er zurückgekehrt, um vielleicht ein wenig klarer zu sehen – schließlich gibt sich der BND, so kurz vor seinem Umzug in die Hauptstadt Berlin, transparenter denn je. Um das zu beweisen, müsste man zwar nicht mehrmals eine umständliche Internetadresse aufsagen, aber hörenswert ist Mein Name ist: BND allemal – weil der Beitrag nicht mehr behauptet, als er einlösen kann; weil er informiert, ohne das Atmosphärische zu scheuen; weil er Menschen zu Wort kommen lässt und trotzdem noch „ich“ sagen kann; weil er das Medium Radio in seinem besten Licht zeigt.

Download für ein Jahr

Wobei das bekannt sein könnte, denn Chaussys Sendung ist die Oktober-Folge der Reihe ARD-Radiofeature, die im Januar 2010 gestartet wurde und der es tatsächlich gelungen ist, sich als Marke zu etablieren. Nach dem Vorbild des zuvor erfundenen Radio-Tatorts zentralisiert auch das ARD-Radiofeature die föderalen Aktivitäten.

Das kostete die einzelnen Anstalten Sendeplätze, über die sie bis dahin nach eigenem Ermessen verfügen konnten, sorgt aber für eine besser gesteuerte Aufmerksamkeit. Denn die je einstündigen Beiträge verschwinden nicht in der hauseigenen Mediathek, sondern werden noch einmal gesondert hervorgehoben: „Hören, was dahinter steckt!“, lautet der Slogan der Reihe, deren einzelne Ausgaben ein Jahr lang zum Download bereitstehen.

Ausgerechnet mit dem Hinter-die-Kulissen-Hören scheitert Ulrich Chaussy in seinem Feature allerdings. Just darin besteht jedoch das Faszinosum der Sendung: dass hier ein Journalist zugeben kann, im Fall des BND selbst den vermeintlichen Fakten misstrauen zu müssen, weil die Akten, die er einsehen konnte, an der Verschleierung dieser Fakten mitwirken.

Ob die Zentralisierungsversuche des ARD-Fernsehens, wo am Vorabend ab dieser Woche eine Reihe mit Regionalkrimis unter dem Titel Heiter bis tödlich startet, ähnlich gut gelingen, bleibt dagegen abzuwarten.



Mein Name ist: BND läuft am 29.10. um 09.05 Uhr (SR 2/antenne saar), um 13.05 Uhr (Bayern 2/Plus), am 30.10. um 09.05 Uhr (Nordwestradio), um 10.05 Uhr (NDR Info), um 11.05 Uhr (WDR5), um 18.05 Uhr (hr2 Kultur), um 21.03 Uhr (Bayern 2/Plus), am 31.10. um 20.05 Uhr (WDR5), am 2.11. um 19.05 Uhr (Nordwestradio) und ist ab 30.10. runterzuladen

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Geschrieben von

Katrin Schuster

Freie Autorin, u.a. beim Freitag (Literatur, TV, WWW)

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