Handicap

Linksbündig Was ARD und ZDF dürfen

Ein wenig erinnert das Ganze ans Amateur-Golfen: Wer anfangs vermeintlich besser dasteht, der bekommt ein entsprechendes Handicap verordnet, damit die Chancen auf den Pokal am Ende möglichst gleichmäßig verteilt sind. Zumindest die EU macht sich gerade diese Idee von Gerechtigkeit zu eigen, wenn sie die gebührenfinanzierten Online-Aktivitäten von ARD und ZDF exakt begrenzt wissen will, auf dass ein fairer Wettbewerb mit den privatwirtschaftlichen Verlagen und Sendern gesichert sei. Um die Formulierung dieses Handicaps im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag wurde nun wochenlang lautstark gestritten, ein erster Vorschlag der Privaten lautete: "Eine elektronische Presse findet nicht statt." Womit das Problem zugleich benannt wäre. Denn was in aller Welt soll das bedeuten?

Auf Außenstehende mag die Angelegenheit ohnehin wie ein Hahnenkampf wirken: Beide Seiten sprechen von "Zensur", erinnern an "Besatzungszeiten" beziehungsweise "Morgenthau-Plan" und malen ansonsten jede Menge greller Menetekel an die öffentlichen Wände. Was weniger mit dem beinahe unaussprechlich bürokratischen Namen des Gegenstands der Fehde zu tun hat als mit den Besitzstandsängsten und Ideologien, die die private Presse mal wieder gegen den staatlichen Rundfunk in Stellung bringen. Wobei weder dem einen noch dem anderen die Kriegsmontur sonderlich gut steht, weil sie darin vor allem ihre eigenen Interessen kommandieren. Und während die FAZ also nur mehr von "Zwangsgebühren" spricht und die ARD all ihre Gegner mal schnell über den Kamm der "Quoten, Klicks und Kohle" schert, sucht man mehr oder weniger vergeblich nach objektiver Berichterstattung - wobei alle just damit hätten glänzen müssen, um ihre jeweiligen Forderungen zu rechtfertigen.

Die stattdessen angebrachten Vergleiche mit der deutschen Nachkriegszeit sind wohl kein Zufall: Die Tragweite des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags wird von allen Beteiligten hierzulande gleichermaßen beschworen - obwohl die endgültige Entscheidung gar nicht bei ihnen, sondern bei der EU liegt. Und der geht es sichtlich weniger darum, eine qualitative Konkurrenz zu fördern und festzustellen - was einzig im Sinne der Gebührenzahler wäre -, als darum, dass weiterhin alle Unternehmen zumindest potentiell Zugriff auf die Euro-Quantitäten haben, die im Netz zu holen sind. Außer den Öffentlich-Rechtlichen natürlich. Denn Werbung auf deren Webseiten ist untersagt.

Mit der am Donnerstag vergangener Woche beim Treffen der zuständigen Ministerpräsidenten festgehaltenen Definition scheinen die Beteiligten nun alle recht zufrieden; das Verbot lautet jetzt auf ein "presseähnliches Angebot", das heißt Formate, die "in Gestaltung und Inhalt Zeitungen und Zeitschriften entsprechen". Was die Sache nicht wesentlich klarer macht. Vermutlich hofft jeder, diese Sätze nach seinen Gunsten auslegen zu können.

Dass ausgerechnet im Internet private und öffentlich-rechtliche Medien aufeinander prallen, war zu erwarten gewesen: Das Web ist weltweit empfangbar und wird dennoch hochgradig individuell genutzt. Kein anderes Medium gilt als so zukunftsträchtig, kein anderes Medium überwindet so spielend lokale wie formale Grenzen. Die Unterscheidung zwischen Text, Foto und Bewegtbild sowie zwischen Information, Kultur und Unterhaltung (auch darum geht es in der Diskussion) ist vielleicht eine ästhetische oder ethische, aber im Grunde keine technische. Und noch ein Weiteres zeugt davon, dass das Netz von diesem "abschließendem Arbeitsentwurf" gründlich missverstanden wird: Er sieht vor, dass nur Inhalte, die einen so genannten Public-Value-Test bestehen, länger als eine Woche öffentlich-rechtlich online stehen dürfen. Eine derartige Ignoranz gegenüber der außerordentlichen Fähigkeit des Internets zur gleichsam unbegrenzten Archivierung kann den betroffenen Sendern nur schaden. Und ihren Zuschauern, die all die Inhalte finanzieren.

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Geschrieben von

Katrin Schuster

Freie Autorin, u.a. beim Freitag (Literatur, TV, WWW)

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