Nicht auf allen Sendern ist morgens um acht die Welt so in Ordnung wie auf ARD, ZDF und Sat.1. Während auf RTL, Vox oder 3sat selbst die Wiederholungen guter Serien, Dokumentationen oder Magazine müde wirken (von gestern eben!), leuchtet´s bei den drei Erstgenannten allwerktäglich bereits ab halb sechs Uhr in der Früh in frischem und kräftigem Orange. Laut Psychologie wirkt diese Farbe belebend, stimmungsaufhellend und appetitanregend. Bei den Öffentlich-Rechtlichen heißt die orangefarbene Sendung Morgenmagazin, die Variante des privaten Kollegen nennt sich Frühstücksfernsehen. Da sitzen die Moderatoren in einem Studio mit Fenstern und allerlei Topfpflanzen, in Orange gehalten sind hier beinahe alle Dekorationselemente.
So belang- und sinnlos das zumeist ist, man muss Sat.1 immerhin für eines loben: Der Sender ist einer der Väter dieses Formats und hat tatsächlich durchgehalten. Im vergangenen Jahr feierte das Sat.1-Frühstücksfernsehen (auch wenn es immer mal wieder einen anderen Namen trug) seinen 20. Geburtstag; RTL gab seine gleichzeitig begonnene Version des Fernsehwachmachers Ende der neunziger Jahre wieder auf. ARD und ZDF stießen erst später dazu, nachdem die frühmorgendliche Berichterstattung über den Zweiten Golfkrieg auf überraschend großes Interesse gestoßen war. Seit 1992 produzieren die beiden öffentlich-rechtlichen Anstalten wochenweise wechselnd, was parallel zu sehen ist. Damit wurden sie schnell zu Marktführern, woran sich vor allem eines ablesen lässt: Wer morgens fernsieht, will möglichst seriös informiert werden; ein Morgenmagazin wird vielleicht anstelle einer Zeitung konsumiert, aber durchaus zum selben Zweck. Und wer statt ARD oder ZDF lieber Sat.1 einschaltet, der würde vermutlich keine so genannte Qualitätszeitung lesen.
Ein Horoskop gibt es deswegen nur bei Sat.1; ansonsten kann man hier wie da die Ressorts der Presse fast deckungsgleich auf dem Bildschirm abbilden. Wobei "Vermischtes" naturgemäß einen großen Raum beansprucht. Auch dem Service-Gedanken, den die so genannten Qualitätszeitungen nur mit den allerspitzesten Fingern anfassen, wird hier außerordentlich freimütig gehuldigt. Doch während ARD und ZDF brav Energiesparglühlampen vorstellen und einen Experten zum Gespräch geladen haben, um Zuschauerfragen zu beantworten, nehmen die Verbrauchertipps bei Sat.1 oft genug kuriose Züge an. Jüngst testete man "Aufsitzrasenmäher" und erläuterte die "Kuchendiät" (die wahrlich keine Kuchendiät ist). Während der EM wurden die Namen der Nationalspieler gedeutet ("Da Schweine nicht steigen, müssen wir uns ne andere Bedeutung aussuchen, ich denke, er hat alles im Griff, ne?"), aktuell versuchen sich zwei Damen an einem seltsamen Gerät, das angeblich per Rütteln die Pfunde schmelzen lässt sowie an einer Fett-weg-Creme. Markennamen hält man hier ohnehin sehr gerne in die Kamera, um Verständlich- und Tiefgründigkeit bemüht man sich herzlich wenig, und überhaupt: die Figur! Das ist das stetig wiederkehrende Thema des Sat.1-Frühstücksfernsehens, soviel Übergewichtige gibt es sonst wohl nirgends im deutschen Fernsehen zu sehen. Ob das beruhigend auf die Selbstwahrnehmung wirken oder den Appetit auf den Nutella-Toast verderben soll, muss dahingestellt bleiben. Die Sterne meinen: "Verzweifeln Sie nicht gleich, nur weil Sie Ihren eigenen hohen Ansprüchen nicht gerecht werden."
Sat.1 scheint offenbar großen Gefallen an dem Format zu finden. Seit vergangener Woche gibt es samstags ebenfalls Frühstücksfernsehen, auch über eine Verlängerung um eine Stunde wird nachgedacht. Es ist schon beeindruckend: Zu keiner anderen Zeit des Tages getraute sich ein Sender, ein einziges Programm dreieinhalb (ARD/ZDF) beziehungsweise viereinhalb (Sat.1) Stunden lang am Stück zu senden. Wobei das natürlich der Tatsache geschuldet ist, dass kein Zuschauer die ganze Zeit dabei bleibt. Die Morgenmagazine haben vielmehr mit dauernd wechselnden Gästen zu rechnen. Deswegen gibt es alle halbe Stunde einen Nachrichtenblock, deswegen dauert kaum ein Beitrag länger als fünf Minuten, und deswegen ist stets die Zeit eingeblendet.
Man sollte dennoch nicht glauben, dass die Morgenmagazine eine Sache für nebenbei sind. Jedenfalls werden sie nicht nebensächlicher wahrgenommen als jedes andere Gegenüber am Frühstückstisch. Es ist fast wie bei einer normalen Lebensabschnittsbeziehung: Die Bindungen zum jeweiligen Liebling sind - vor allem bei den öffentlich-rechtlichen Ausgaben - eng, die Wahl eines morgendlichen Gesellschafters ist schließlich keine leichte, Diskussionen über die jeweiligen Moderatoren, die dementsprechend vor allem als Vornamen existieren, werden oft mit deutlichen Worten geführt. Manch einer fühlt sich gar gezwungen, jede zweite Woche auszusetzen, da dann wieder die ARD (oder eben das ZDF) an der Reihe ist. An häufigen Partnerwechseln scheinen Frühstücksfernseher nicht interessiert. Zumindest nicht morgens um acht, wenn die Welt noch in Orange ist.
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