An Stefanie Stappenbecks Stelle wäre ich ein bisschen beleidigt. Dass wegen des Tods von Jörg Hube auch ihre Beschäftigung beim Münchner Polizeiruf nach der kommenden Folge im Mai endet, mag sehr schade, aber noch verständlich sein; man habe beschlossen ganz neu anzufangen, weil das Duo, das man im Sinn hatte, sich ohne Hube nun mal nicht mehr erzählen lasse, heißt es im Presseheft des aktuellen Polizeirufs „Die Lücke, die der Teufel lässt“. Dass Stappenbeck mit Hube einen hatte, an dem sie ihr eigenes Talent und Profil schärfen konnte, hat man gesehen. Was allerdings noch lange kein Grund ist, der Uli Steiger diesmal eine Reihe von Karikaturen an die Seite zu stellen. Neben denen sieht sie nämlich eher schlecht aus.
Und auch das Drehbuch von Dirk Kämper hat die bald nervende Häme auf die depperten Bürokraten der Polizei nicht verdient. Denn die Geschichte, die mit nicht nur einem echten Kracher beginnt und dank ihrer anfänglichen Rasanz gut bei der Stange hält, ist alles anderes als eine Komödie: Erst stirbt Uli Steigers Kollege und Ersatzvater Friedl Papen (für den man ein taugliches Jörg-Hube-Double gefunden hat, das freilich nur von der Seite zu sehen ist), dann scheint ein Bankräuber den anderen übertölpelt zu haben und letztendlich geht es um die Frage nach der Gerechtigkeit eines Kreditwesens, dessen Regeln mittlerweile zwar verschärft wurden, das aber dennoch weiterhin große Fragen aufwirft.
Nicht, dass man das nicht mit Augenzwinkern vorführen könnte, es ist nur einfach zu viel, gerade wenn es um Steigers Kollegen geht. Da findet man den trägen Dicken mit Bartzöpfchen, den zahlenverliebten Analysten, die sture Chefin (die natürlich allesamt scheitern) – so, dass Stappenbeck sich ehrlich schwer tut, inmitten dieser eindimensionalen Gestalten noch differenzierte Ernsthaftigkeit walten lassen. Was nicht einmal dadurch entschärft werden kann, dass sie von dem Fall abgezogen ist und also auf eigene Faust und mit den weit überlegenen Gerätschaften ihres Ex-Arbeitgebers, der Bundeswehr, ermittelt. Ohnehin hat man nicht nur einmal den Eindruck, an Kämpers Buch wurde hier und da ein wenig herumgeschnippelt, damit mehr Zeit bleibe, um den Reigen der Idioten lustvoll zu demontieren.
Was das Personal der Verdächtigen betrifft, beweist Regisseur Lars Montag dagegen ein besseres Gespür für die richtige Dosis Absurdität, für die richtige Nähe von Komik und Tragik seiner Schauspieler. Dass er an der Groteske großen Spaß hat, konnte man bereits in dem 2007er Tatort „Sterben für die Erben“ sehen, der fast wie ein Theaterstück von Alvis Hermanis daher kam. Diesmal also: ein glänzender Felix Römer als eitler Gernegroß mit feister Liebe zu Amerika, der den Herrenwitz von Grund auf beherrscht und dennoch, ohne anzüglich zu werden, das Prinzip der Kreditvergabe mit Würsteln erklären kann; ein nicht minder gut aufgelegter Franz Xaver Kroetz als bayerische rote Socke mit verstopftem Campingklo und Hang zum sozial gerechtfertigten Anarchismus; eine Judith Engel, die nur grinsen muss, damit es den Zuschauer bis ins Mark friert ob der psychischen Abgründe, die sich im Mittelstand auftun; und ein Tobias Kasimirowicz als strahlender Freikirchler, der mit gruselig verklärtem Blick seinen Echsen die zappelnden Insekten reicht. Da sind Kruditäten dabei, freilich, aber die sind originell und bayerisch genug, um gut zu unterhalten und nicht als Klischees missverstanden zu werden. Was auch und vielleicht sogar vor allem an der Kamera von Harald Cremer liegt. Der mag das dezente Andeuten, das ausschnitthaft Verweisende, nämlich offensichtlich lieber als das holzhämmernde Draufhalten.
Und das geht mir halt genauso.
Literaturhistorisch nicht ganz korrekt: Dass die Liebe gerissener ist als die Sühne
Dagegen natürlich schon korrekt: Dass Frauen gerissener sind als Männer
Ein Nachwort, das Jörg Hube hätte gefallen können: „Ja mei, der Tod kann halt mehr als Du“
Kommentare 12
ich fand's großartig. endlich mal ein polizeiruf (gilt auch für tatort), bei dem ich nicht immer weiß, was gleich passiert, weil man es den figuren schon ansieht. das duo dirk kämper/lars montag ist ein wunderbares autorenteam, wenn montag dann auch regie führt, passt es eigentlich immer. allerdings auf seine weise. und die ist tatsächlich speziell. da sind mal echte typen im deutschen fernsehen, leute mit macken, hysterische frauen, akzentuierte männer - alle vielschichtig in anlage und spiel. und immer gibt es kleinigkeiten zu entdecken, die manchmal vielleicht ein bisschen zu groß heriengetragen werden, die ich aber stets als amuse-gueule empfinde. nicht auszudenken, was die redaktion vorsorglich gestrichen hat.
zitat: würd mich nicht wundern, wenn der den bader-meinhof persönlich gekannt hat (der freikirchler)
und, pardon, diese überschrift trägt film wie text nicht. herrenwitz war es nur als finte für den zuschauer, und das campingklo war auch nur eine sequenz, eine ausrede. so geschrieben wirkt es nun wie ein köder für die voyeure. muss ja nicht.
kk
war doch recht fluffig, das ganze (so weit ich's mitkriegte)
Wenn Uli Steiger nicht gegen irgendeinen grotesken Reigen ankommt, dann nur, weil sie sich da locker einreiht. Ich hab irgendwann nur noch Quakstimme verstanden. Was für ein gequirlter Mist!
Ich hatte auch sehr viel Spaß. Zunächst war ich ziemlich irritiert, weil der Vorgänger so ernst und abgründig war und ich Mühe hatte meine Erwartungen loszulassen. Aber dann - immer noch abgründig und tragikkomisch.
Ich glaube das war heute geschmackssache. Während ich mich amüsiert habe und es spannend fand bis zum Schluss, war mein Freund nur genervt.
Mir gehts wie KK - "würd mich nicht wundern, wenn der den bader-meinhof persönlich gekannt hat" - ist der Hammer. Einer der esten Dialogsätze des Fernsehens. Der kommt über meinen Schreibtisch. Ich glaube nach dem Satz hätten sie alle nacheinander grundlos auf die Strasse kacken dürfen und ich hätte den Film immer noch gut gefunden:)
Was ich aber auch schön fand.
Weiße, irre grinsende Frau versucht heimlich Obama zu entsorgen, der dann aus dem Nichts wieder auftaucht und den Schatz findet.
Bleibt nur die Frage, wer hat den findigen Hund losgebunden?
ja, kalle wirsch, schon wie mehrere verirrte durch dieses vorstadtgrauen laufen und "obama" rufen - das hat was.
ich denke mal, er hat sich losgerissen? oder durchgebissen, muss man dort wohl sagen.
herzlich
kk
Fand ich auch - das mit dem Hund war genial.
Vor allem aber Franz Xaver Kroetz - die Szenen mit ihm habe ich genossen, das Geld im Mülleimer, und der das einzige, was er zum Schluss auf dem leeren Platz hinterließ.
Die Vorgesetzte fand ich überzogen dämlich dargestellt, außerdem wollte ich ihr die ganze Zeit sagen, sie solle mal mit beiden Augen gucken. Dieser Haarvorhang war zuviel.
Die schauspielerische Leistung der Bombenträgerin (ich hab nicht erkannt, wer sie spielte, leider) fand ich beträchtlich: die pure Angst.
Ansonsten mag ich aber das Muster: armer Polizist wird missverstanden und muss auf eigene Faust ermitteln, nicht so gerne. Dem armen Mädchen dann noch die Schuld zuzuschieben, als sich herausstellte, dass nichts explodiert wäre, hätte sie die Frau nicht ihr Auto starten lassen, ging mir zu weit.
Dieser Polizeiruf 110 hat den Altersdurchschnitt der Zuschauer wohl erstmals gesenkt.
Rasant ging es zur Sache. Da war aufpassen angesagt.
Die Chefin, auf einem Auge "blind", eine solche Frisur hab ich noch nicht mal bei RTL gesehen,schlägt jede männliche Besetzung.
Wie im echten Leben, der "Herrenwitz".Elegant gelöst, unaufdringlich.Geht scheinbar nicht ohne, wenn man einen bestimmten Typus beschreiben will.
Die Nöte eines Teils der Bevölkerung,welche nicht ohne das Eigentum an umbauten Raum auskommt, gut beschrieben.Welch grausame Wohnwelt man dann für Geld bekommt, zum schwermütig werden.
Den Franz Xaver Kroetz tät ich bitten, den nächsten Kommissar zu machen. Ewig nicht mehr gesehen, sofort wiedererkannt,höchst lebendig.
Bitte weiter so!
Gut, dass es die Mediathek gibt.
Eigentlich war ich gar nicht so traurig den verpasst zu haben, aber wenn man euch so liest...
Mal sehn ob ich rgendwann zwaischen 20 und 6 Uhr die Zeit finde. (Diese Jugendschutzzeiten im Internet, meine Güte... Das ist doch ... vielleicht schreib ich mal einen Blog zum JMSchStV.)
Ein gute Prise Gegenwartskritik, schrullige Typen, ausgelebter Groll zur Gegenwartskritik und eine fast nebensächliche in jedem Fall aber unaufdringliche Aufklärungsarbeit der Polizei, die statt dauernd zu klingeln nach dem Motto "wir hätten da noch eine Frage" nicht aus ihren Büros rauskommt und also deppert ist und bleibt.
Der Polizeiruf auf dem Weg zum Kottan. Was fehlt ist ein running Gag.
Daran dringend arbeiten ansonsten - weiter so...
Ja, die Bombenträgerin war der Hammer. Ganz große Kunst.
Die Vorgesetzte war wirklich sehr 80er. Ich stimme dir auch zu, dass diese Against All Odds Plots ziemlich nervig sind. Abre genau das fand ich so überraschend, dass ich mich trotzdem so gut unterhalten gefühlt habe. Es kommt eben doch zum großen Teil darauf an, wie man so einen Plot umsetzt.
Joa mei, wie schee!
Der beste Polizeiruf seit langem! Fast so gut wie "Roter Kaviar".
Man sollte Stappenbeck weiter ermitteln lassen und Franz Xaver Kroetz eine Sonderrolle geben.
Hat doch in den Winnetou- oder Edgar-Wallace-Filmen mit Eddi Arendt, Klaus Kinski und Ralf Wolter auch geklappt.