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Medientagebuch Technikbegeisterung ersetzt Produktkritik: Das iPad wird vorgestellt, und Apple kann sich Werbung und Gebrauchsanleitung sparen. Das übernehmen heuer die Medien

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung haderte am demonstrativs­ten mit der Berichterstattung über Apples neues großes Ding, die tatsächlich mehr der Werbung (die sich Apple deshalb sparen kann) als dem Journalismus diente. Auf der Titelseite präsentierte die FAZ unter der Überschrift „Eye Pad“ ein übergroßes Wattepad, die zugehörige Bildunterschrift sprach von dem „ganz großen Werberad“, das Apple für das iPad gerade „drehe“: „Für Aufmerksamkeit ist also gesorgt. Und da ‚man‘ über das Gerät spricht, wird auf Seite 17 dessen Designer porträtiert.“

Das mit dem „ganz großen Werberad“ ist freilich ein wenig übertrieben, denn Apple präsentierte sich nicht selbstherrlicher als gewohnt. Die FAZ hatte, so wie alle anderen auch, einfach nicht den Mut zur Ignoranz und suchte deshalb, den Grund für ihr Aufspringen auf den iPad-Zug einem diffusen „man“ in die Schuhe zu schieben. Immerhin sah man das Dilemma, dass man dieses Gerät nicht übergehen kann, will man am vermeintlichen Diskurs der Gegenwart teilhaben.

Anders Spiegel Online: „Angefasst: iPad im SPIEGEL-ONLINE-Schnell-Check“ lautete der Titel einer 12-teiligen Bildergalerie, deren Fotos nicht nur das Produkt, sondern auch die (gierig?) begreifenden Hände der Redakteure abbildete. Man sichert sich die Autorität gegenüber den Lesern durch möglichst große Nähe zum Objekt; eine bessere Grundlage zur Beurteilung als das In-den-eigenen-Händen-Halten gibt es ja angeblich nicht. Auf dieser Annahme basiert die Reihe der Zeit, in der ausgewiesene Motoren-Unkundige Autos testen und darüber schreiben. Die relative Ahnungslosigkeit gehört zum Konzept, da solches Laientum gerne für Zielgruppennähe bürgt.

Dass sich Tages- und Wochenzeitungen mittlerweile Themen annehmen, die vor nicht allzu langer Zeit den Special-Interest-Magazinen und deren Experten vorbehalten waren, ist eine heikle Angelegenheit – selbst wenn der Verdacht des Product Placements unbegründet ist (was er bei Special-Interest-Magazinen eher selten ist). Oder besser: Gerade wenn der Verdacht des Product Placements völlig unbegründet ist. Weil man sich dann nämlich fragen muss, welchen Sinn und Zweck das hat. Zum Verbraucherschutz taugen die meist eher feuilletonistischen Betrachtungen im Grunde nie: Ein potenzieller Autokäufer wird kaum die Zeit zu Rate ziehen, und das iPad ist noch lange nicht auf dem deutschen Markt erhältlich. Womöglich spricht aus diesen Texten also zuallererst der Neid auf die Macht der Produkte, die Macht über den Konsum, den auch die Medien längst als Ersatz politischen Handelns anerkannt haben. Deshalb beschwören solche Artikel auffallend häufig die kulturelle Revolution, und das stets in entschieden jubelnder oder düsterer Rhetorik: Weil die eigene Warenästhetik nicht mehr zieht, möchte man wenigstens Co-Autor einer anderen werden. Das erklärte auch, warum die politischen Implikationen lautstark beschwiegen werden.

Um dem Vorwurf der Bodenlosigkeit vorzubeugen, werden als Begleitmaßnahme oft faktenreiche Listen von Pros und Contras des Produkts aufgestellt. Die meinen jedoch allein die Praxis­tauglichkeit und kaum je ökologische oder gesellschaftliche Kosten. Die Arbeitsbedingungen derjenigen, die das Produkt herstellen, oder die Rohstoffe, die dafür verwendet werden, spielen keine Rolle für den, der so eine Ware in den eigenen Händen hält. Da gerät der Rest der Welt aus dem Blick, der Tellerrand des Journalisten deckt sich ­umstandslos mit den Rändern des Produkts und sein Artikel gleicht einer ­Bedienungsanleitung bis aufs Wort. Die ist oft schwerer verständlich, ­enthält aber immerhin eine Qualitätsgarantie.


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Geschrieben von

Katrin Schuster

Freie Autorin, u.a. beim Freitag (Literatur, TV, WWW)

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