Im Kriegsgebiet fehlen die Worte

Neue Show Kurt Krömer besuchte die Bundeswehr in Afghanistan und versucht sich jetzt am Late-Night-Talk. Das funktioniert nicht

Wenn ein Sender eine neue Late-Night-Show ankündigt, rauscht den Medienredakteuren im Lande üblicherweise ein „Ach Amerika, du hast es besser!“ durchs Gehirn – und die Debatte ist im Grunde schon vorher fertig. Dass sich nun der Komiker Alexander Bojcan alias Kurt Krömer auf dieses angeblich heikle Terrain gewagt hat, und zwar am Samstagabend nach dem Wort zum Sonntag, blieb dagegen überraschend wenig beachtet. Gleich mehrere Zeitungen bedienten sich einer schnödendpa-Meldung. Den zwei Journalisten, die über die Aufzeichnung der ersten Folge berichteten, schien offensichtlich gerade das, was im Fernsehen nicht mehr zu sehen war, erzählenswert: „Krömer macht mit dem Publikum vor der TV-Aufzeichnung political-correctness-Übungen für den neuen Sendeplatz: ‚Hühnerficker‘ gehe gar nicht, und Negerküsse seien ‚auf der schwarzen Liste ganz oben‘.“ (stern.de) Und: „Im Warm-up persifliert er die politische Korrektheit – ‚getürkt‘ heiße jetzt ‚gesüdosteuropäischt‘ und Hausfrau nur noch ‚Indoorwoman‘.“ (Berliner Zeitung)

Der Fernsehzuschauer ahnt von alldem nichts, denn statt eines Warm-Ups bekommt er den gar lieblichen Vorspann zu sehen, in dem Krömer durchs nächtliche Berlin spaziert, mit Nat King Coles „L.O.V.E.“ als Playback auf den Lippen. Ein Mann mit langem Bart und langem Gewand kommt ihm entgegen, die beiden machen high five; ein Junge fährt mit einem Cruiser-Rad einen U-Bahn-Steig entlang – in der nächsten Szene fährt Krömer das Rad; eine Frau holt einen Pump mit Leoparden-Muster aus ihrer Tasche – in der nächsten Szene hält Krömer den Schuh in der Hand; ein dicker Kerl in Lederklamotten isst ein Currywurst – in der nächsten Szene steckt Krömer das Plastikspießchen ein.

Zu enges Korsett

Beinahe jeder US-Comedy gelingt das Integrationsversprechen des Fernsehens charmanter und zugleich spitzzüngiger. Krömer hingegen verwechselt Pointen konsequent mit Provokationen: „Als ich Angela Merkel in Afghanistan gesehen habe, habe ich gedacht: Schade, dass man nur von den afghanischen Frauen verlangt, dass sie verschleiert sind.“ Ähnlich die Gespräche mit seinen ersten Studiogästen Gregor Gysi und Helge Schneider: „Wem würden Sie lieber nackt in der Sauna begegnen: Angela Merkel oder Claudia Roth?“

Die Krömer Late Night Show besteht aus acht Folgen, und wenn man die Ankündigung richtig versteht, dann werden die Einspieler über Krömers Besuch bei den deutschen Truppen in Afghanistan in jeder davon vorkommen, als „kleiner, aber fester Bestandteil“ (ARD). Dass Alexander Bojcan diese Reise im Dienst der Bundeswehr bewegt hat, weil sie Gefahren barg, obwohl sie weder Honorar noch Renommee versprach, ahnte man auch ohne die mehrseitige Reportage darüber, die sich pünktlich zum Start der Sendung im Zeit-Magazin fand. Jedoch lässt die Rolle als Kurt Krömer wenig von diesem Versprechen übrig; dieser desorientierte, immer knapp vor dem Scheitern und dabei eigentlich sehr biedere Mensch ist einfach ein zu enges Korsett, um die Herausforderung zu bestehen: Im Zentrum der kurzen Filmchen stand beim ersten Mal vor allem das Mikrofon, das hin und her gereicht oder irgendeinem Soldaten ins Gesicht gehalten wurde, sowie der Militär-Seelsorger, dem Krömer sein Leid mit seinen Nachbarn klagte. Im Kriegsgebiet fehlen dem Kleinbürger die Worte, von unterminierendem Witz ganz zu schweigen. Aber vielleicht ist es ja auch schlicht so: Als Bayerin versteht man den Berliner Humor einfach nicht.

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Geschrieben von

Katrin Schuster

Freie Autorin, u.a. beim Freitag (Literatur, TV, WWW)

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