Mord aus der Maschine

Tatort-Kritik So seelenlos war ein Tatort selten: "Glaube, Liebe, Tod" ist glatt wie eine US-Fernsehserie. Die Geschichte um eine Sekte verläppert sich im Mittelmaß

Meine Vermutung: „Glaube, Liebe, Tod“ war womöglich die erste Tatort-Folge, die wenn nicht komplett, dann mindestens teilweise maschinell erstellt wurde. Das würde jedenfalls einiges erklären. Den Titel zum Beispiel, der geradezu vorbildlich die Bau- und Funktionsweise jener Art der Serientitel-Gestaltung vorführt (die im Übrigen auch auf Überschriften bestens anzuwenden ist), die darin besteht, an einer uraltbekannten Wortfolge kleine, aber – bitte! – signifikante Veränderungen vorzunehmen. Wer besonders viel auf sich hält, der nimmt gerne Nietzsche zur Grundlage („Die Geburt der X aus dem Geiste der Y“, „Vom Nutzen und Nachteil des A für B“ u.s.w.) oder auch Walter Benjamin („Das was-auch-immer im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit). Die Tatort-Maschine begnügte sich bei „Glaube, Liebe, Tod“ allerdings mit der Bibel; vielleicht hat man sie aber auch einfach noch nicht allzu fett angefüttert, wer weiß.

Ein großer Vorteil solcher Titel ist, dass mit dem Wiederkennen des Zitats als solchem das Nachdenken über dessen inhaltlichen Sinn und Unsinn bereits abgeschlossen ist. Deshalb ist es auch ganz egal, dass es in dieser Tatort-Folge eigentlich nicht um Liebe geht (außer eben in dem Maße, in dem es irgendwie immer um die Liebe geht) und der Tod am Sonntagabend um 20.15 Uhr in der ARD wahrlich nichts ist, was man gesondert erwähnen müsste. Hauptsache, der Glaube kommt vor, denn die Tatort-Maschine hatte ja das Thema Sekten ausgespuckt. Und einen Namen gleich dazu, schließlich braucht es auch dafür nur die Bibel und irgendeine griechische Vorsilbe. „Epitarsis“ also: Deren Mitglieder sind, so sieht es aus, kurz davor, die Weltherrschaft zu übernehmen, nisten sogar schon im Büro des Staatsanwalts und gucken und lächeln stets kalt und unantastbar und deshalb höchst verdächtig. Und auch für den Fall, dass sie das nicht tun, hat die Maschine vorgesorgt: Das Zentrum dieser Leute befindet sich in einem Hochhaus aus Stahl und Glas, in dem Vorzimmerwachfrauen in steifen Kostümchen und mithilfe von Headsets jene Welt beschützen, die auf den omnipräsenten Monitoren beworben wird. Es ist die typische Tatort-Gleichung: Je cleaner die Fassaden, desto unappetitlicher sieht es dahinter aus.

Was außerdem darauf schließen lässt, dass hinter „Glaube, Liebe, Tod“ ein Tatort-Automat steckt: Kommissar Moritz Eisner gibt mehrmals solch schnittige Nur-die-Beweise-zählen-Antworten, wie man sie vor allem aus US-Serien, und da vor allem aus CSI, kennt. Damit scheint man die Maschine also ebenfalls reichlich gefüttert zu haben. Nur stehen die ahnenden Blicke auf die Details und die ausgestellte Law-and-Order-Lakonie des Horatio Caine dem Harald Krassnitzer nicht besonders gut. Zu dem Zeitpunkt ist das Programm aber ohnehin nicht mehr zu stoppen: Auf die Auftakttote folgen, als man schon denkt oder gar hofft, es müsste eigentlich bald zu Ende sein, noch schnell zwei weitere. Und zudem rückt Eisner selbst ins Zentrum, da die „Epitarsis“-Jünger ihre eiskalten Augen auf seine Tochter werfen. So wird aus einer Geschichte, die gleich mehrmals die Chance gehabt hätte, die ästhetischen und ideologischen Parallelen zwischen Sektenmitgliedern und deren Gegnern vorzuführen, dann doch wieder die Nummer mit der durchgeknallten Frau.

CSI-Eisner sagt: „Statuten spielen überhaupt keine Rolle. Was wirklich wichtig ist, steht im Gesetz“
Musste auch mal (wieder?) klargestellt werden: „Wir sind keine PR-Agentur! Wir sind die Exekutive!“

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Geschrieben von

Katrin Schuster

Freie Autorin, u.a. beim Freitag (Literatur, TV, WWW)

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