Neo-Porno

Linksbündig Dolce & Gabbana setzen kühl auf Empörung

Im Vordergrund des Bildes liegt quer eine schöne Frau, die nichts außer High-Heels und Dessous trägt. Die Füße hat sie aufgestellt, nurmehr die Schuhsohlen und die Stiletto-Absätze sowie Kopf, Schultern und Arme berühren den Boden, denn das Becken hat sie weit in die Höhe gereckt, so dass ihr Körper einen beinahe rechten Winkel in die Luft zeichnet. Ein schöner Mann mit blankem Oberkörper beugt sich von der Seite über sie, er drückt ihre Handgelenke kraftvoll auf den Boden. Drumherum im losen Halbkreis stehen drei weitere schöne Männer, ein vierter ist am Rande zu erahnen.

Nicht nur die Glanzeffekte der aalglatten Körper, deren Verteilung im Raum und die architektonische Umgebung, sondern auch die Blickstrukturen sind ähnlich denen religiöser Gemälde aus früheren Zeiten organisiert. Sechs männliche Augen richten sich auf das Objekt der Begierde, der vierte Mann sieht aus dem Bild heraus direkt dessen Betrachter an. Die Frau hat die Lider halb geschlossen, das Ziel ihres Blickes ist nicht auszumachen, es liegt wohl in die Ferne, jenseits des Rahmens dieses Motivs aus der aktuellen Kampagne des Designer-Duos Dolce Gabbana. Erotik und Obszönität überkreuzen sich hier so kühl wie kalkuliert.

Die italienische Ministerin für Gleichstellung, Barbara Pollastrini, warf dem Modelabel vor, die Anzeige sei eine "Anstiftung zur Gruppen-Vergewaltigung", viele schlossen sich ihrer Meinung an. Diese Entrüstung überrascht, hatte man sich doch schon bestens - wenn auch oft genug zähneknirschend und -fletschend - gewöhnt an Sexismus in Medienbildern. Pornografische Ästhetik allüberall, kaum eine Werbung lässt sich noch finden, in der nicht eine Frau ihren Mund lasziv geöffnet hat, als würde ihr gerade ein lustvolles Stöhnen entweichen ob der buchstäblich geilen Klamotten oder Kosmetika, die sie da am Leibe trägt. Doch so dreist und im besten Sinne un-verschämt wie Dolce Gabbana hatte bislang niemand das optische Inventar der Pornoindustrie geplündert und überhöht.

Denn daran, dass hier ein "gang bang" skizziert wird, besteht kein Zweifel. Der Begriff bezeichnete früher tatsächlich den Tatbestand, dass mehrere Männer eine Frau vergewaltigen - "gang" bedeutet die Gruppe, "bang" den sexuellen Akt. Doch mittlerweile gebraucht man dieses Wort längst nicht mehr in solch negativem Sinne, die dunkle Vergangenheit hat es freimütig hinter sich gelassen, auch wenn es sich natürlich freut daran, dass der Gewalt-Aspekt weiterhin in seinem Bodensatz steckt: Gang bangs von heute sind groß angekündigte Events der Pornoindustrie, 2004 brach der amerikanische Star Lisa Sparxxx letztmals den Rekord darin, sich von möglichst vielen penetrieren zu lassen. Beworben und besucht wird ein solches Ereignis als spaßige Freizeitgestaltung, wenn nicht gar überfällige Liberalisierung von gesellschaftlichen Verklemmtheiten. So avanciert der Pornofan zum politisch Korrekten und die Darstellerin zur einzig wahren Emanze. Die neue Freiheit der Frau erschöpft sich also vor allem darin, ihren Sex freiwillig und ganz bewusst den Männern und Medien zur Verfügung zu stellen. Ein neues Vokabular steht ihr dafür jedoch nicht zur Verfügung.

Die italienischen Behörden wollten den Argumenten der künstlerischen und sexuellen Freiheit ohnehin nicht folgen, am 5. März wurde die Anzeige aus der Öffentlichkeit verbannt. Und Domenico Dolce und Stefano Gabbana entschuldigten sich, "wir wollten niemanden beleidigen ... für uns sind Frauen Königinnen", zitierte die Tageszeitung La Repubblica. Und dann verwunderten sich die beiden Designer noch über die Politiker, die wegen einer Werbung einen solchen Lärm machten, denn "dieses Landes hat gerade andere Probleme."

Natürlich war der letzte Satz selbst wiederum Populismus alla italiana - Sexismus darf man getrost zu den Problemen dieses wie vieler anderer Länder zählen. Doch so lange das Geschäft mit der Ausstellung sichtlich erregter und ergebener Frauen weiter so gut läuft, scheint man von einer echten Diskussion noch weit entfernt. Von "Dolce Gabbana" sollte darin dann allerdings keine Rede sein. Sondern zuallererst von den An- und Brandstiftern, deren moralische Korrektheit am lautesten dröhnt, während sich zwei Seiten oder Klicks weiter Frauen als "hemmungslose Amateure" oder "scharfe Schachteln" anbieten, um damit nicht nur ihr Leben, sondern mittels der Inserate auch diese Medien und also deren Empörung zu finanzieren.


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Geschrieben von

Katrin Schuster

Freie Autorin, u.a. beim Freitag (Literatur, TV, WWW)

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