Payback an der Schule

Bildungsgutscheine Schwimm dich schlau! Oder wie man Schüler der Werbewirtschaft zum Fraß vorwirft. Zum Streit um die Bildungs-Chipkarten

Am Anfang musste man eine solche Karte nur vorzeigen, um die eigene Bonität nachzuweisen; da trug sie den Vornamen eurocheque. Mit dem Präfix „Telefon-“ hatte so ein Ding plötzlich einen eindeutigen Wert, zu dem man es kaufen konnte und der zugleich das Guthaben darstellte; war dieses Guthaben weg, war auch die Karte unbrauchbar geworden und vice versa.

Aus der eurocheque- wurde dann die electronic cash- bzw. Kreditkarte: Die Euro, die man damit ausgibt, werden erst ein paar Tage beziehungsweise Wochen später vom eigenen Konto abgebucht. Und es kam noch besser: Vor zehn Jahren gelangte schließlich die so genannte Payback-Karte auf den Markt, die das Bezahlen nicht verzögert, sondern ihre Benutzer für deren Ausgaben angeblich sogar belohnt. Da weiß man dann gar nicht mehr, was diese Karte eigentlich wert ist: Die Gleichung zwischen Kosten und Nutzen geht, rein nach Zahlen betrachtet, nicht mehr auf.

Setzt man diese Reihe fort, dann müsste es bald Plastikkarten geben, die gar nichts mehr kosten, sondern nur noch Guthaben bereitstellen; die nichts mehr nehmen, sondern nur noch geben. Und tatsächlich hat Sozialministerin Ursula von der Leyen ein solches Ding eben als Abhilfe der Bildungsmisere vorgeschlagen. Kinder von Hartz-IV-Empfängern sollen eine Chipkarte in die Hand bekommen, aufgeladen mit einem bestimmten Betrag, der zur Nutzung diverser Freizeitangebote eingesetzt werden kann. Arbeitstitel: „Bildungsgutschein“. So schnell wird also das, was man bisher Freizeit nannte, zur Bildung und auf diesem Wege ins Aufgaben­gebiet des Staates eingeordnet. Nach Willen von der Leyens sollen sich die Jobcenter darum kümmern, dass der sozial schwache Nachwuchs in den Genuss dieser „Bildung“ kommt.

Dass das Ministerium vor allem von zahlreichen Besuchen von Sportvereinen und Musikschulen träumt, wenn es an die derart Chipkarten-beglückten Kinder denkt, versteht sich von selbst – wie sollte man seiner minderbemittelten Herkunft auch anders entkommen als durch Leichtathletik und Geigespielen? Mitwirken an der Definition der Chipkarten-Bildung soll außerdem die Wirtschaft – der Staat könne die Kosten dieser Almosen ja nicht alleine schultern, war von der Ministerin bald zu vernehmen. Gerd Landsberg, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, hat dafür schon ein paar gute Ideen. Zum Beispiel: Theaterbesuche für Hartz-IV-Kinder, sponsored by der lokalen Sparkasse („Wir machen den Weg frei“). So werden Bedürftige vom Sozialministerium zum Freiwild für die Werbeschützen: An Schulen und um Schulen herum ist Werbung in vielen Bundesländern verboten, in jedem Fall aber ungern gesehen; ist die Freizeit-Bildung aber erst einmal outgesourct, dann hindert einen niemand mehr daran, sie mit Anzeigen zu versehen. Wer den armen Armen so viel Wahres, Schönes und Gutes tut, der soll dafür schließlich belohnt werden. So ganz ohne Kosten für den Nutzer ist die vermeintliche Gratis-Karte mithin nicht; Kurse für Medienkompetenz wird man mit ihr wohl noch lange nicht bezahlen können.

Und was geschieht eigentlich, wenn von der Leyens Plan aufgeht? Wenn am Ende all diese Kinder mit Abiturzeugnis herumstehen, womöglich sogar über­legen, ein Studium aufzunehmen, und deshalb in ihren Taschen kramen, für die Universität aber leider keine Bildungs-Chipkarte finden können. Sondern einzig und allein die EC-Karte ihrer Bank, die ihnen gerne weiterhelfen wird. Allerdings, versteht sich, nur gegen Gebühr.

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Geschrieben von

Katrin Schuster

Freie Autorin, u.a. beim Freitag (Literatur, TV, WWW)

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