"ARD kriegt Angst - Dhimmi-Sender setzt islamkritischen Film Wut ab" titelte das Blog Politically Incorrect (PI), das in seinem Shop T-Shirts mit Aufschriften wie "Islamophobic - and proud of it" verkauft. "Dhimmi" nennt der Koran Andersgläubige, die zwar unter dem Schutz eines muslimischen Staats stehen, aber deutlich weniger Rechte als die islamischen Mitbürger haben; nach einem Artikel in der Tageszeitung Die Welt hat sich der Begriff in der neokonservativen Szene durchgesetzt, als Bezeichnung für die westlich-verständnisvollen "Schwächlinge", diese "ewigen Gutmenschen", die statt Stärke zu zeigen - wie George W. Bush etwa - "falsche Toleranz" demonstrieren, indem sie Selbstzensur üben, aus Furcht, den Missmut der Muslime zu erregen.
Und auch das Übrige dieser Überschrift von PI ist nichts außer purer Propaganda: Die ARD scheint sicher keine Angst vor der Ausstrahlung dieses Films zu haben, denn sie hat ihn nicht abgesetzt, sondern von Mittwoch, 20.15 Uhr, auf Freitag, 22 Uhr, verschoben und mit einer anschließenden Gesprächsrunde versehen; und gerade dadurch eine öffentliche Aufmerksamkeit erregt, die - dieses Wissen darf man den Verantwortlichen schon zutrauen - erst recht für Quote sorgen wird. Auch handelt es sich bei Wut nicht um einen "islamkritischen Film".
Wut erzählt vielmehr die Geschichte eines jener viel beschworenen "gewaltbereiten Jugendlichen" mit "Migrationshintergrund", der glaubt, dass man in der am Diskurs orientierten deutschen Gesellschaft mit Gewalt am besten durchs Leben kommt und also deutsche Bürgerkinder terrorisiert. Der Vater von Felix Laub, dem Can die neuen Turnschuhe abgenommen hat, will sich das nicht gefallen lassen. Erst redet er mit dem Halbwüchsigen - "normal miteinander reden" echoet Cans Gang höhnisch - später überwacht und filmt er ihn bei seinen Drogendeals und schaltet daraufhin die Polizei ein. Was Cans Hass auf derlei "feige" Lösungen nur weiter steigert.
Bereits am Montag vergangener Woche geißelte Spiegel-Online den Film deshalb als Spiel mit dem Feuer, als "fahrlässigen" Beitrag in der Debatte um Integration. Weil er den Fremden als brutalen Täter zeige. Doch so eindeutig ist das nicht, man muss schon ganz schön blind sein, um das rassistische Gebaren der deutschen Professorenfamilie zu übersehen. "Setz deinen Türkenarsch in Bewegung" kommt dem provozierten Vater recht locker über die Lippen, während Can - neben seiner durchschlagenden Respektlosigkeit - wieder und wieder nur seine Tiraden über "Schwuchtel" und "Spasts" ablässt - ganz wie ein kleines Kind, das gar nicht wirklich weiß, was das eigentlich bedeutet. Tatsächlich scheint Regisseur Züli Aladag vor allem mit der unreflektierten Xenophobie der ach so liberalen Deutschen und ihrer heimlichen Sehnsucht nach der harten Hand abrechnen zu wollen und nicht ausschließlich mit den Problemen der Kinder früherer Einwanderer. Zu Beginn nämlich hält Papa Laub seinem Sohn den rhetorischen Vortrag über Gastarbeiter, Entwurzelung, die damit verbundenen Schwierigkeiten und so weiter. Um zu enden: "Und die Deutschen blicken auf sie herab." "Und du nicht?" fragt Felix. Der Vater antwortet nicht, sagt nur: "Deine Schuhe kriegen wir wieder."
Tatsächlich: Die Schuhe bekommen sie wieder, doch Can erobert mehr und mehr Terrain, der fremde Feind befindet sich bald nicht mehr nur im eigenen Land, sondern in der eigenen Wohnung, an der eigenen Arbeitsstelle. Can brüskiert Simon bei seiner Antrittsvorlesung vor versammelter Studenten- und Professorenschaft, er bedient sich am Fotoalbum, spielt auf Felix´ Cello, bringt am Ende in deren eigenem Wohnzimmer die gesamte heilig-deutsche Familie in seine Gewalt. Die ohnehin schon auseinanderfiel: Felix ist enttäuscht, weil Papa sich nicht selbst die Finger schmutzig machen wollte, sondern einen Freund der Familie sandte, um Can eine Abreibung zu verpassen.
Das eben ist - jenseits der markigen Zustimmung, die der Film dank jener brisanten Ästhetik der autoritären Gewalt von rechts erntet - sein Problem: Wut umgibt sich mit der Aura des Realistischen, ging im Vorfeld bereits hausieren mit der Behauptung, mutig jeder politischen Korrektheit entgegen zu arbeiten, um ein wahrheitsgetreues Bild der Zustände zu zeichnen. Und inszeniert am Schluss einen eskalierend grausigen Psycho-Horror, der wohl von Michael Hanekes Funny Games inspiriert sein mag, der jedoch mit der Wirklichkeit rein gar nichts mehr zu tun hat. Denn die Problemjugendlichen - "Rütli-Blagen" wie ein Kommentar auf PI sie nennt - entwerfen ganz sicher keine Schlachtpläne der Demütigung, die meisten schlagen schlichtweg zu, um ihr reales Machtdefizit auszugleichen (da unterscheiden sie sich nicht von Neonazis). Eine deutsche Familie planvoll zu Grunde zu richten, dürften die wenigsten im Sinn haben. Während - und das kann man da nicht ausblenden - es hierzulande eine doch beachtliche Menge ureinheimischer Bürger gibt, die gerne alles, was undeutsch daher kommt, aus diesem ihrem Land entfernen möchten und das, wenn sie es für nötig befinden, durchaus auch selbst in die Hand nehmen. Das wäre eine Wahrheit, an die man sich trauen sollte.
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