Fast alle Männer trugen schwarz, nicht wenige Frauen rot, und in sattem Gold leuchtete die Trophäe in allen Vorschauen. Sogar das Datum fügte sich in die nationalfarbene Ästhetik ein: Dass die Verleihung des Deutschen Fernsehpreises in diesem Jahr am 3. Oktober ausgestrahlt wurde, war kein Zufall und soll kein Einzelfall bleiben. Mindestens bis 2014, darauf haben sich die Preisstifter ARD, ZDF, RTL und Sat.1 geeinigt, wird der Tag der Deutschen Einheit auch der Tag des Deutschen Fernsehpreises sein.
Oder umgekehrt. Einheit und Fernsehpreis passen nämlich besser zusammen, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Schon weil der Deutsche Fernsehpreis selbst aus einer Art Wiedervereinigung resultiert: Nach 15 Jahren dualen Rundfunksystems wurde wieder gemeinsame Sache gemacht. Der damalige Sat.1-Programmgeschäftsführer Fred Kogel und der damalige RTL-Geschäftsführer Gerhard Zeiler arbeiteten mit der Institution zusammen, der sie einiges zu verdanken und dennoch längst den Rücken gekehrt hatten – Kogel diente das ZDF als Sprungbrett, Zeiler wurde im ORF groß. 1998 gingen der öffentlich-rechtliche Telestar und der Goldene Löwe des Senders RTL im gemeinsam organisierten Deutschen Fernsehpreis auf.
Dass die Auszeichnung dem nationalen Feiertag den Rang ablaufen könnte, steht jedoch nicht zu befürchten, selbst wenn die emotionale Bedeutung des 3. Oktober langsam schwindet – in Sachen Spannung und Unterhaltsamkeit kann die Gala des Deutschen Fernsehpreises einfach nicht unterboten werden. Das liegt auch daran, dass sie meistens aufgezeichnet, anschließend zu einem glänzenden Selbstbildnis der Branche zurechtgeschnippelt und erst am nächsten Tag ausgestrahlt wird (genau wie der 3. Oktober nur deshalb den Tag der Deutschen Einheit markiert, weil am 2. Oktober 1990 der Weg dafür geebnet wurde). Da alle Beteiligten in diesen 24 Stunden der Schweigepflicht unterliegen, lauern entsprechend viele öffentlichkeitswirksame Tücken in der Zeitverschiebung. Man denke nur an den Auftritt von Marcel Reich-Ranicki im Jahr 2008, der – auch weil er auf dem Bildschirm heruntergespielt wurde – zum Gegenstand einer Debatte avancierte.
Günter Schabowskis Beispiel
In diesem Jahr durfte man sich an einem besonders schönen Informationsleck erfreuen, das gerade durch die Abwesenheit menschlichen Intellekts entstanden war. Bereits am späten Abend des 2. Oktober waren auf Dutzenden Zeitungswebseiten die Namen einiger Preisträger zu lesen. Den Vorspann der Nachricht („Eil +++ Bitte verwenden Sie die Meldung zum Deutschen Fernsehpreis nicht rpt nicht vor Ablauf der Sperrfrist. Die Meldung hat Sperrfrist 3. Oktober 2300“) hatten die automatisierten Online-Ticker offensichtlich nicht verstanden und deshalb zur Sicherheit gleich mitveröffentlicht.
Jenseits der Tatsache, dass sich hier zum wiederholten Male der buchstäbliche Unsinn eines hirnlosen Publizierens zeigt, darf man dafür durchaus dankbar sein. Nicht weil wir sonst noch 289 Jahre auf die brisanten News hätten warten müssen, sondern weil diese Sätze den Abend jener zweifellos unglaublichsten Unkenntnis ins Gedächtnis rufen, der die Deutsche Einheit und damit auch den gleichnamigen Tag erst möglich gemacht hat – so folgenreich wie von Günter Schabowski am 9. November 1989 wurde eine Sperrfrist noch nie ignoriert. Vielleicht sollte der Deutsche Fernsehpreis seine hochgradig geheimen Eilmeldungen künftig mit dem Credo Schabowskis verschicken: „Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich.“
Katrin Schuster bloggt unter katrinschuster.de
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