Twitter? Nur ein weiterer PR-Kanal ...

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"Klassische und Neue Medien - Transatlantische Chancen und Herausforderungen" hieß eine Konferenz der Bayerischen Landeszentrale für Medien (BLM), die ich am Montag für den epd medien besucht habe. Solche Termine können ganz elend langweilig werden (wobei die Idee, dort hinzugehen, in dem Fall von mir kam). Da war das hier allerdings anders - weshalb ich die Aussagen, die dort getätigt wurden, gerne hier noch vorstellen wollte.

In der Vormittagsrunde saßen der arg joviale Richard Gutjahr vom BR, Markus Jox von der Abendzeitung, Claus Lochbihler (Journalist und Dozent der Akademie der Bayerischen Presse), die freie Journalistin und Bloggerin Ulrike Langer, Michael Praetorius (Leiter Online von Antenne Bayern) und als Moderator der Dozent Christian Jakubetz auf dem Podium.

Jakubetz hielt zuvor ein kurzes "Impulsreferat", in dem er von der Pflicht des "always on" sprach. Davon also, dass der User nicht mehr nur vom Fernseher, sondern auch vom WWW ein 24-Stunden-Programm erwarte. Eine Gefahr für die Qualität sieht Jakubetz darin nicht, denn er glaube, "die Grundregeln für guten Journalismus gelten auch im Netz". Die einzige Schwierigkeit bestehe darin, "die Nutzer da zu erreichen, wo sie sich befinden". Die Bedienung aller Kanäle, ein "Kanal-Portfolio", sei deshalb entscheidend. Das fanden auch alle anderen ungefähr genauso, die sich überhaupt so schwärmerisch über die neuen Möglichkeiten äußerten, dass die Euphorie ein wenig sogar aufs Publikum überschwappte.

Nur Jox wandte ein, dass just diese ganzen neuen tollen Kanäle (Website, Twitter, Facebook etc.) in seiner Redaktion schwierig zu handhaben sei, da die Printredakteure das alles selbst besorgen müssten, zusätzlich zu ihrem bisherigen Job. Das bringe bislang noch kein Geld, koste dafür aber viel Zeit. Zeit, die man folglich nicht mehr mit Recherchieren, Interviewen und ähnlichen 'genuin journalistischen' Dingen verbringen könne.

Jox war durchgehend der Einzige, der immer wieder auf die Schwierigkeiten der von allen anderen recht freudig erwarteten neuen Zeiten hinwies. Als Langer meinte, die Zukunft bestünde darin, sich mehr zu spezialisieren und auf seine Kompetenzen zu besinnen, und als Beispiel die Stärkung des Lokalen anführte, wandte Jox - meiner Meinung nach ganz zurecht - ein, dass Zeitungen ohnehin bereits Korrespondenten abbauten und die Nachrichten von anderen Orten der Welt als dem eigenen dann ja bald auf noch weniger verschiedene Quellen zurück gingen.

Am Nachmittag diskutierten der Passauer Publizistikprof Ralf Hohlfeld, der Online-Wahlkampf-Experte Oliver Zeisberger (der u.a. Thorsten Schäfer-Gümbel beriet), Stefan Gehrke (politik-digital.de) und der Washingtoner Journalistikprof John Ebinger (der zuvor kurz über Obamas Wahlkampf referiert hatte).

Vor allem Zeisberger sprach erfrischenden Klartext. Twitter sei für Politiker "völlig unbedeutend, damit gewinnt man keine Wahl", sagte er zum Beispiel. Dessen Nutzen bestehe vielmehr darin, "den klassischen Medien neue Geschichten über den Wahlkampf anzubieten", über deren Bande also die Mainstreams anzuspielen. Auch Parteitage dienten schließlich nicht mehr nur der Diskussion politischer Themen, sondern zudem der Generierung "schöner Bilder für das Fernsehen". Bei Thorsten Schäfer-Gümbel hätte man jedenfalls das Ziel erreicht: mehr Geschichten über Gümbels Twittern statt nur über Ypsilantis Wortbruch.

Nun frage ich mich: Wie geht man damit um? Ich würde ja auch sagen, dass es evtl. einen Artikel wert ist, wenn sich die Politik im Onlinewahlkampf versucht. Andererseits geht man deren PR dann wohl auf den Leim, indem man mit ihnen zusammen den Inhalten ausweicht.

Und zurück gelesen auf die erste Diskussionsrunde hieße das außerdem: Wenn Journalisten twittern, facebooken u.ä., dann geht es weniger darum, mit den Lesern zu kommunizieren, als vielmehr und allererst darum, Werbung für das eigene Blatt zu machen. Wie Gehrke so schön sagte: "Die neuen Medien sind ein weiterer PR-Kanal". Und just das - Werbung, PR, Marketing - ist ja eigentlich gerade nicht der Job eines Journalisten. Oder anders gefragt (und ich frage mich das wirklich, da ich das Problem sehe, aber für sehr diffizil halte): Kann man sich die Trennung von Redaktion und Anzeigenabteilung dann also auch bald schenken, weil sie per Twitter et al. bereits aufgeweicht wird?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Katrin Schuster

Freie Autorin, u.a. beim Freitag (Literatur, TV, WWW)

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