Was erlaube´ DFL!

Medientagebuch Sowohl als auch: Fußballspiele sind besser vor medialem Missbrauch geschützt als jeder Mensch

Als das Fernsehen vergangenes Wochenende über den Verdacht auf einen neuerlichen Fußball-Wettbetrug berichtete, musste es eine Kreativität aufbringen, die im Nachrichtenwesen eher selten vonnöten ist. Die einen zeigten in ihrem Fußballbericht erst diese, dann jene jubelnden Zuschauer; bei RTL Aktuell wiederum sah man nichts außer dem Bundesliga-Logo im Hintergrund und der Nachrichtensprecherin im Vordergrund. Und Spiegel TV - dessen gedruckter Namensgeber die Sache erst ins Rollen gebracht hatte - schnitt zur Illustration verfremdete Aufnahmen irgendeines Trainings zwischen die Interviews. Das Problem: An den Aufnahmen der betroffenen WM- und Bundesliga-Spiele haben diese Medienproduzenten keine Rechte. Und müssen folglich in journalistischer Manier über etwas berichten, von dem sie keine Bilder zeigen dürfen, da diese, wenn man so will, einer ökonomischen Zensur unterliegen.

Der Deutschen Fußball Liga (DFL), die die Bundesliga-Rechte vermarktet, geht es naturgemäß nur um den Sport. Als ihr primäres Ziel nennt sie den "Erhalt und die Stärkung des professionell betriebenen Fußballs in Deutschland". Wieso jedoch nur einer der "vier Kernbereiche" der DFL dem Spielbetrieb gilt, die anderen dagegen mit "Rechte- und Lizenzvertrieb", "Lizenzierung und Finanzen" sowie "Marketing und Kommunikation" überschrieben sind, ist eine andere Frage. Schließlich kann man ihr das nicht einmal vorwerfen, ist sie doch eine GmbH, die auf ihre Bilanzen selbstredend achtgeben muss. Gegründet wurde die DFL im Jahr 2000 - als hundertprozentige Tochter des Ligaverbands ("Die Liga - Fußballverband"). Mit 100 Prozent identischem Personal. Nur dass man dieses bei der DFL Vorsitzende nennt und nicht Präsidenten: Der Ligaverband ist ein eingetragener Verein und demnach offiziell anerkannt als ohne wirtschaftliche Interessen operierend. Vermutlich wissen nicht einmal die Beteiligten selbst genau, welche Hälfte der Personalunion sie gerade vertreten: ob den GmbH-Vorsitzenden oder den Vereinspräsidenten.

Solche amorphen Talente im Stile des wandelbaren Proteus machen das Paradox des Medienfußballs fast noch besser kenntlich als jene Berichterstattung über den jüngsten vermeintlichen Skandal. Wer im Fußball zugange ist, ist eben sowohl als auch: sowohl gewinnorientiert als auch nicht gewinnorientiert. Wenn es darum geht, die Sendezeiten weiter zu zerstückeln und dem Pay-TV vorzubehalten, wird das öffentliche Interesse an dem Erhalt und der Stärkung des professionell betriebenen Fußballs in Deutschland beschworen, für das die erzielten Einnahmen unabdingbar seien. Und wenn es daran geht, dieses öffentliche Interesse zu befriedigen, werden plötzlich private Urheberrechte an Ton und Bild geltend gemacht - obwohl sich an der künstlerischen Leistung und Eigenständigkeit eines Fußballspiels mit Recht zweifeln lässt. Pflichten kennt die DFL dagegen wenige, vor allem keine öffentlichen.

Ein paar Jahre lang hatte die Gesetzgebung diesem widersprüchlichen Konstrukt sogar nachgegeben und die Sportrechtevermarkter als Ausnahme - neben Landwirtschaft und Presse - im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen geführt. Auch wenn der Paragraph 31 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) dank EU-Angleich mittlerweile entfallen ist: Fußballspiele sind vor einem medialen "Missbrauch" in Deutschland besser geschützt als jeder normale Mensch. Eine freie Berichterstattung darüber ist längst nicht mehr möglich. Aber ohne Berichterstattung würde wohl immer noch auf holprigem Rasen und in billigen Turnschuhen gekickt, da die Sponsoren nicht von einem Millionenpublikum wahrgenommen werden könnten.

Dass die Fans sich nicht längst abgewandt haben, ist das einzige Wunder in dieser Geschichte. Bei der Planung von Spieltagen, Anstoßzeiten sowie neuen Cups und Wettbewerben richten sich DFB und DFL nicht nach denen, die mit ihrer Aufmerksamkeit für den entscheidenden Mehrwert sorgen, sondern zuallererst nach den Möglichkeiten der Erlössteigerung. Auf der Straße hat jeder Bürger mehr Rechte als in einem Fußballstadion oder vor einem Fernseher, in dem ein Spiel übertragen wird. Während über Prominente und Politiker berichtet werden darf, sobald das öffentliche Interesse daran außer Zweifel steht, gilt dieses Gesetz für den Fußball offenbar nicht. Genauso wie im Zweifel die Vereine noch immer auf ihr Hausrecht beharren können - auf ihr Hausrecht in den Stadien, die die öffentliche Hand zuvor brav mitfinanziert hat.

Das klaglose Hinnehmen dieser Tatsachen verstehe, wer will, man muss wohl ein echter Fan sein, um die offensichtliche Schieflage zu ignorieren. Im Grunde ist die Sache ganz einfach: Entweder Fußball ist ein öffentliches Ereignis - dann dürfte jeder frei darüber berichten. Oder es ist keines - dann möchte die DFL für die Ausstrahlung ihres 90-minütigen Werbespots bitte dieselben Beträge an die Sender überweisen wie Persil, VW, Eon und McDonald´s das tun.

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Geschrieben von

Katrin Schuster

Freie Autorin, u.a. beim Freitag (Literatur, TV, WWW)

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