Wer Solidarität so in bares Geld ummünzt...

Pirate Bay ...heißt zu Recht Freibeuter. Die Bit-Torrent-Plattform Pirate Bay wird verkauft - an eine Firma, die Internetcafés und Gaming-Center betreibt

Die Nachricht, dass die Internettauschbörse The Pirate Bay verkauft wird, ist tatsächlich eine Überraschung. Obwohl der Zeitpunkt kaum besser gewählt sein könnte: Im April wurden die Betreiber der Plattform – die drei fast noch jugendlichen Erfinder sowie ihr Finanzier, der schwedische Rechtspopulist Carl Lundström – in erster Instanz zu jeweils einjährigen Haftstrafen sowie einer Geldstrafe von insgesamt 2,75 Millionen Euro verurteilt, weil sie im Netz massenhaft auf illegale Kopien von Musik, Filmen und Software verwiesen hatten.

Dass die nächste Instanz sie vom Vorwurf der Komplizenschaft bei der Bereitstellung von Raubkopien freisprechen wird, ist jedoch recht fraglich – was vermutlich einer der Gründe ist, warum die Domain der Piraten gerade gar so billig zu haben ist. Umgerechnet 5,5 Millionen Euro will die schwedische Global Gaming Factory (GGF) dafür bezahlen. Das ist ein Schnäppchen für eine Website, die zu den 100 meistbesuchten des World Wide Web gehört und monatlich über eine Milliarde Suchanfragen verzeichnet.

Zudem passt The Pirate Bay bestens ins Portfolio der GGF, die sich rühmt, das weltweit größte Netzwerk von Internetcafés und Gaming-Centern zu betreiben. Deshalb soll aus der Piratenbucht nun ein Hafen der Legalität werden: Die GGF will die Domain nutzen, um dort ein Geschäftsmodell zu etablieren, das beim öffentlichen Tauschen privater Dateien die Rechte der Urheber sichert und deren Bezahlung organisiert. Wie das funktionieren soll, darüber schweigt sich die GGF bislang höflich aus. Sollte das Unternehmen seinen ökonomischen Verstand gebrauchen, wird es die Nutzer kaum zur Kasse bitten. Denn diese Art der Legalisierung hat bislang noch jedes Mal den Niedergang ehemals florierender Tauschbörsen bedeutet, siehe Napster und Kazaa.

Dass neben The Pirate Bay auch die schwedische Firma Peerialism, Expertin auf dem Gebiet der Peer-to-peer-Technologie, erworben wurde, lässt vielmehr darauf schließen, dass die GGF vor allem ihre Kompetenz als Vermarkter zur Neugestaltung einbringt.

Ob die Filesharer, die The Pirate Bay bisher genutzt haben, eine derartige Kommerzialisierung akzeptieren werden, ist die große Frage. Es wird sich mithin zeigen, ob die Solidarität der User tatsächlich gesellschaftlicher Natur ist oder ob sie nur privaten Interessen entspringt. Anders gesagt: Ob das Ideal des gemeinsamen Kampfs gegen die böse Industrie größer ist als die individuelle Lust auf Gratis-Content. Diese beiden Interessen werden fortan nämlich getrennt vertreten.

Spannend ist dabei zunächst, wie sehr die Piratenpartei unter dem Verlust der Pirate-Bay-Öffentlichkeit zu leiden haben wird. Die beiden entstammen zwar derselben Bewegung, gehören aber nicht zusammen. Die Wechselwirkungen waren allerdings nie zu leugnen: Nach dem Urteil gegen die Pirate-Bay-Betreiber stiegen die Mitgliederzahlen der schwedischen Piratenpartei um über 160 Prozent, von 15.000 auf 40.000. Sie gilt mittlerweile als drittgrößte Partei des Landes. Der multiple Rechtsbruch kann der Politik eben manchmal ganz wunderbar zu Diensten sein.

Von diesem Kuchen wollen nun offenbar auch die verurteilen Pirate-Bay- Erfinder ihr Stückchen abhaben: Die 5,5 Millionen Euro aus dem Verkauf der Tauschbörse sollen in eine Stiftung fließen, die sich der Rede-, Informations- und Internet­freiheit widmen will. Vielleicht wird es diese Art der Geldwäsche endlich ermöglichen, die Taten der Pirate-Bay-Erfinder an ihren stets ziemlich großen Worten zu messen; sie, kurz gesagt, als Diskussionsteilnehmer ernstzunehmen.

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Geschrieben von

Katrin Schuster

Freie Autorin, u.a. beim Freitag (Literatur, TV, WWW)

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