Einen Monat ist es nun her, dass Maria Svelands Roman „Bitterfotze“ in Deutschland bei Kiepenheuer und Witsch erschien. Der Verlag hatte das Buch mit dem Satz angekündigt: „Ein Roman, der hier im Haus so heftige Diskussionen auslöste, dass ein (männlicher) Kollege beleidigt das Zimmer verließ“.
Ich warte nun seit Wochen auf einen Sturm. Doch es bleibt erstaunlich ruhig um dieses Buch. Zwar erschienen in der taz vor einem Monat gleich zwei Artikel dazu und auch andere Medien griffen es kurz auf, ebenso der Freitag, aber seien wir doch mal ehrlich: Die Diskussion darüber beschränkt sich auf einen sehr kleinen Leserkreis. Und überhaupt: Wen interessiert mitten in der Finanzkrise schon das Pamphlet einer frustrierten Mittdreißigerin aus Schweden? Sollten Männer und Frauen jetzt nicht viel besser zusammenhalten, anstatt sich in einen Streit zu begeben? – Nein! Denn dieses Buch ist es wert, diskutiert zu werden.
Scheinbar unauffällige Alltags-Situationen werden darin entlarvt: Es ist nicht das persönliche Problem einer Frau, wenn sie mit der Kinderbetreuung überfordert ist. Nein, es ist ein strukturelles Problem, ein gesellschaftlicher Irrglaube an Gleichberechtigung, der sich darin manifestiert, dass Frauen weiterhin von riesigen Schuldgefühlen geplagt werden, wenn sie sich die gleiche Freiheit herausnehmen, wie Männer es ohne mit der Wimper zu zucken machen. Die Schuld, die Last, die Verantwortung – zum Großteil geschultert von Frauen und immer noch zu wenig von Männern – zeigen sich an den Stellen, an denen Sveland vermeintlich kühle Statistiken zitiert. Männer sind innerhalb einer Ehe psychisch gesunder, als in einem Single-Leben, bei Frauen ist es genau umgekehrt. Zufall? Daran glaubt Sveland nicht, sie sieht eine Menge gesellschaftliche Strukturen und Normen, die zu solchen Double Standards führen. Während sie oft leidet und sich zwischen eigener Karriere und Mutterschaft zerrissen fühlt, betrachtet sie ihren so selbstverständlich zielstrebigen Mann oft mit Wut:
„Ich schaue Johan an und hasse ihn, weil er so zufrieden guckt.“
Doch es ist kein bloßes „macht kaputt, was euch kaputt macht!“, das in diesem Buch propagiert wird. In Bitterfotze wird auf den ersten Blick der Mann an sich an den Pranger gestellt (beleidigte KiWi-Mitarbeiter folgten). Geht man tiefer, fühlt man sich in die Protagonistin Sara ein und betrachtet die Welt mit ihren Augen, dann offenbart sich ein viel tiefer sitzendes Leid: Sehen, ohne gesehen zu werden. Lieben wollen, aber fürchten müssen, durch den Menschen, der geliebt werden soll, nicht so angenommen zu werden, wie man es braucht, um man selbst zu bleiben. Anders gesagt: Einen Mangel an Anerkennung. Anerkennung im hegelschen Sinn, wie auch Judith Butler sie in ihrem Werk „Kritik der ethischen Gewalt“ aufgreift, bedeutet: „Ich kann mich selbst nur durch den anderen anerkannt anerkennen.“ Ein dialektischer Vorgang. Ohne zu weit in die Tiefe gehen zu wollen, denn Butlers und erst Recht Hegels Philosophie sind sicherlich zu komplex, um sie eben kurz darzustellen: Einen anderen anerkennen, in ihm einen Menschen sehen zu können, ihn lieben zu können, ist an viele Voraussetzungen geknüpft. Butler nennt es diese Bedingungen Bezugsrahmen:
In unserer Gesellschaft zum Beispiel, ist es weiterhin unterschwellig selbstverständlich und normal, dass Frau in ihrer Mutterrolle aufgeht, während Mann ein Arbeitstier ist, das die Familie ernährt. Wenn die Frau aus diesem Rahmen fällt, kommt es häufig zum Kampf, der ab der Geburt des ersten Kindes immer noch viele Paare teilweise völlig unvorbereitet trifft. Ein Streiten um die Anerkennung der eigenen Lebensvorstellungen. Es ist ganz logisch: Man kann eine gemeinsame Beziehung nur dann mit allen Hochs und Tiefs überstehen, wenn letztendlich die Bereitschaft zur Anerkennung des jeweils anderen vorhanden ist.
Wer Svelands Buch als bloße Anklage an die Männer liest, der irrt: Was die Beziehung von Sara zu Johan angeht, so schreibt sie in ihren eigenen Worten in erster Linie ihren Glauben an eine Versetzung der Bezugsrahmen auf – wenn beide Partner dies denn wollen. Das ist alles andere als leicht. Hoffnungsvoll aber endet das Buch sehr wohl, wenn Sara beschließt, noch ein Kind mit Johan zu bekommen und sich selbst und dem Leser erklärt:
„Ich glaube, ich habe noch einmal die Kraft, zu streiten und mir die Seele aus dem Leib zu schreien.“
So viel von mir. Würde jetzt bitte jemand die Freundlichkeit besitzen, und mit mir darüber streiten?
Katrin Rönicke, geboren 1982 in Wittenberg, studiert Erziehungswissenschaften und Sozialwissenschaften in Berlin und ist Mutter eines zweijährigen Jungen. Ab April ist sie Stipendiatin der Heinrich-Böll-Stiftung. Für den Freitag schreibt sie in ihrer wöchentlichen Kolumne über Gender- und Bildungsthemen. Außerdem schreibt sie für den feministischen Blog
Kommentare 25
Tja, das Thema ist wohl zu hoch, zu grundsätzlich, zu weltbildzerstörend. Und ich, der ich das Buch (noch nicht) gelesen habe, das Probleme aber kenne, kann nur sagen: Darüber lässt sich nicht streiten, nur versuchen, danach zu leben.
Insofern: Die, die es am häufigsten betrifft, werden sich nicht melden. Männer sind nun mal, wenn's um ihr Seelchen geht, eher verklemmt und zurückhaltend. Oder neutraler: gehemmt und unsicher.
Abwarten also...
PS. Bin auch in Wittenberg geboren, Paul-Gerhard... :-)
blog.hr-schmitz.de
Es gibt übrigens zwei tolle Artikel zum Thema Lohnunterschied in Deutschland und Kinderbetreuung in Schweder in der brandneuen brand eins. Leider aber nur auf Papier. Daher: Ab an den Kiosk.Viele Grüße, Tessa
Nochmal ich: Auf Amazon, da fliegen die Fetzen: a href="http://www.amazon.de/review/R3PZSVHHPIAX4K/ref=cm_cr_rev_detup_redir?%5Fencoding=UTF8=1=6=Mx37JXJ2DT4SCII" target="_blank">www.amazon.de/review/R3PZSVHHPIAX4K/ref=cm_cr_rev_detup_redir?%5Fencoding=UTF8=1=6=Mx37JXJ2DT4SCII
Ich habe natürlich davon - Literatur und Feminismus und Feminismusliteratur - überhaupt keine Ahnung (und das nicht nur, weil ich ein Mann bin), aber vielleicht ist ja auch die Schonfrist vorbei? Vielleicht interessieren uns Bücher von sich selbst bejammernden Frauen genauso sehr wie von in Selbstmitleid ersaufenden Männern? Nämlich überhaupt nicht.
Aller Unkenntnis über das Buch zum Trotz hege ich doch die Befürchtung - kenntnisfrei lebt sich's bekanntlich fröhlicher -, daß eine Erzählung mit einem solchen Titel in etwa dieselbe Sprengkraft hat wie ein mehrere Tage altes, still vor sich hingährendes Müsli.
mit Hegel und Butler wird mit dieses Problem kaum bewältigen können. Da wird man schon aus dem Bewußtsein oder den Diksursen heraus gehen müssen in die abtrünnge Physis des Menschseins.
Das Ende des Feminismus trat ein, als er sich nicht mehr traute sozioökonomische Verhältnisse zu thematisieren und alles auf ein postmodernes Diskursgeplänkel hinunterdrückte, die Lebensformen auf die Arbeitsmarktsubjektivität vereinheitlichte und zu nichts weiter wollte, als zu diskursiver Anerkennung, die latente sozioökonomische Unterdrückung sein kann. Anstatt solche hochtrabenden idealistischen Geister zu zitieren, könnte man einen Blick in die feministische Ökonomie werfen, wie sie z.B. die Schweizerin Mascha Madörin seit Jahrzehnten fordert. Natürlich ohne in die postmodernen Diskursparties jemals Gehör gefunden zu haben.
Der Siegeszug des Feminismus hat den Anspruch in vielen Frauen geweckt, genau die gleiche Rolle wie die Männer in der Gesellschaft spielen zu wollen.
Das beisst sich aber häufig mit den persönlichen Bedürfnissen der jeweiligen Frauen. Meist wird auch nicht, oder zu spät wahrgenommen, dass die so hochgelobte Karriere-Rolle einen massiven Verzicht auf persönliche Bedürfnisse auch beim Mann erfordert.
Habe das Buch zwar nicht gelesen, aber ein paar Kritiken darüber, und eben diesen Artikel.
Die Leiden der Protagonistin scheinen mir nicht zuletzt auf einen Mangel an Lebensplanuun in ihrer Partnerschaft zurückzuführen sein, wo beide Partener versuchen, Karriere und Kinder unter einen Hut zu bekommen.
Das innige Verhältnis einer Mutter zu ihrem Kind und das Privileg, dieses Kind in den ersten Jahren häufig frei von bruflichem Stress beim Heranwachsen begleiten zu können. Dies ist etwas, worum jeder denkende und fühlende Mann seine Partnerin immer beneiden wird.
Genauso zu werden wie der Mann, erschien mir schon immer als ein fehlgeleitetes feministisches Ziel.
Auch die krampfhaften Bemühungen in unserer Gesellschaft in allen Berufen mit Gewalt (und mit viel Geld, z.B. im Hochschulbereich) den Frauen-Anteil unbedingt auf > 50% zu bringen, scheint mir eher einfallslos und von schlichten Gemütern propagiert, die eben nur die Anzahl an Weiblein und Männlein zählen können. Viel vernünftiger wäre es, unterschiedliche Berufe, und eben die, in denen mehr Frauen arbeiten (z.B. Grundschullehrerinnen) besser zu entlohnen.
Echte Geschlechtergleichheit ist etwas anderes. Sie sollte den Unterschieden im Leben, Denken und Fühlen von Mann und Frau gerecht werden. Gesellschaftliche Strukturen sollten so geändert werden, dass zwei Jahre Auszeit für ein Kind nicht das Ende für den Beruf bedeutet. Dass z.B. auch höhere Berufs-Positionen im Team von zwei Personen, jeweils halbtags ausgeübt werden sollen, etc ...
Frauen, die den Geschlechterkampf an Stelle des (früheren) Klassenkampfes setzen, und dem Phantom nachjagen, der "bessere Mann" sein zu wollen, sind tatsächlich in der Gefahr zu verbittern. Nicht nur an der V. sondern auch im Herzen.
„Ich schaue Johan an und hasse ihn, weil er so zufrieden guckt.“
Nun, das ist wohl der Preis dafür, dass Frauen länger leben. Wenn sie im fortgeschritten Lebensalter mit ihrer Freundin im Café sitzend an ihren verstorbenen Mann denken, gleitet ihnen regelmäßig ein Lächeln über die Lippen. So gleicht es sich aus ;-)
Also ich habe das Buch mit Neugier zur Hand genommen - in der Erwartung, dass es Zeitgeistliteratur gibt, die über die Anmaßungen von Roche und Kuttner hinaus geht. Das Thema ist wichtig, dachte ich. Ist es ja auch, nur Sveland den Anforderungen nicht gewachsen. Pardon, aber haben wir das nicht schon in den 90ern längst gewusst? Und einen anderen Ansatz gehabt, als den 70er-Jahre-Gruppen-Feminismus, den Sveland bemüht? Mal abgesehen davon, dass Bitterfotze ins Sachbuchregal des Antiquariats gehört, kann es eben wegen seiner Einseitigkeit kaum Debatten auslösen. Alice Schwarzer, zu deren Fans ich mich nicht zähle, hat in den 70ern versucht, das konservativ-dumme Gefüge aus Tradition, Gesetzen und Gewohnheiten aufzubrechen. Ihr Erfolg ist die Demontage. Was bis heute fehlt, ist eine progressive Orientierung, die jene Traditionen, Gesetze und Gewohnheiten aufgreift, einbindet, auf den Erfahrungen aufbaut. Den Kindern der 68er-Generation ist das kollektive Gedächtnis verteufelt worden, geändert aber hat es sich nicht. Da können doch Paare wie Sara und Johan am Alltag nur scheitern, wenn Saras Träume, Wünsche, Forderungen auf Theorien beruhen. Wenn ihr nicht mal die Ansprüche an sich selbst klar sind und die an Johan aus dieser Unsicherheit heraus wanken. Ich denke nicht, dass wir jetzt erst recht zusammenhalten müssen. Ich denke, dass es im Moment überhaupt keine Lösung gibt für das Problem der gesellschaftlichen wie individuellen Entwurzelung und emitionalen Verwahrlosung, der Männer eben anders begegnen als Frauen. Ich weiß nur, dass die beruflich erfolgreiche, vom miterziehenden Vater bekochte, glückliche Mutter zweier Kinder keine Illusion ist, sondern eine Konstruktion. Ja, es ist ungerecht. Doch Selbstgerechtigkeit macht es noch nicht besser.
Ich habe das Buch mit großem Interesse gelesen. Als junger Vater kann ich die Sichtweise von Frau Sveland absolut nachvollziehen. Auch bei uns zu Hause gibt es oft die Situation das meine Frau diejenige ist, die den größeren Teil der Kinderbetreuung übernimmt. Sie hat vor der Schwangerschaft ihr Studium beendet und ist jetzt - unser Kind ist 1 1/2 Jahre alt - arbeitslos. Damit spiele ich also die Rolle des Alleinverdieners und man fällt mehr oder weniger ungewollt in Rollenbilder der Steinzeit zurück. Natürlich versuche ich im Alltag so viel Aufgaben wie möglich zu übernehmen, doch realistisch betrachtet ist man halt nur am späten Nachmittag und am Wochenende für das Kind da, während den großen Rest meine Frau erledigt. Traurig aber wahr. Mutterrolle vs. Arbeitstier.
Nach der Lektüre des Buches versuche ich bewusst speziell am Wochenende meiner Frau mehr Freizeit zu ermöglichen - doch unter der Woche ist das schwer zu machen. Ich hoffe das die Situation sich ändert wenn meine Frau auch Arbeit findet und unser Kind dann nicht nur halbtags in die Kita geht.
Brauchen wir nun auch noch sich selbst bezichtigende Väter, die sich dafür entschuldigen, weil sie die finanzielle Verantwortung für den Lebensunterhalt übernehmen? Wo sind wir eigentlich?
Wahrscheinlich will wegen solchen Kommentare keiner wirklich über derartige Bücher streiten. Die meisten Leute haben das Buch nicht gelesen, aber ein paar einsame (meist 'männliche') Personen, fühlen sich dazu berufen, ihre Generalkritik an 'dem' Feminismus zum Besten zu geben. Nicht mal minimalstes Wikipedia-Wissen ist vorhanden ("Genauso zu werden wie der Mann, erschien mir schon immer als ein fehlgeleitetes feministisches Ziel.") und krude Biologismen ("Unterschieden im Leben, Denken und Fühlen von Mann und Frau"; "Das innige Verhältnis einer Mutter zu ihrem Kind") werden zum Besten gegeben. An anderer Stelle würde man einfach laut "Troll dich!" rufen, aber bei solchen Büchern und anderen die Geschlechterordnung betreffenden Themen wird einem da gleich Diskussionsunfähigkeit nachgesagt, obwohl die großen Antifeministen sich nicht mal mit den von ihnen kritisierten Posititionen und Theorien auseinandergesetzt haben. Da kann man schon fast 'bitterfotzig' werden, auch, wenn man gar keine hat.
Als Selbstbezichtigung verstehe ich den Kommentar von dk1982 nun überhaupt nicht! Er gibt einen interessanten Einblick in den Alltag von jungen Eltern/Paaren, der wieder einmal zeigt: Beide, Männer und Frauen, fühlen sich selbst nicht wohl, wenn sie auf eine Rolle reduziert leben. Ich fürchte nur, solange Erwerbsarbeit unsere Existenz sichert, auch die von Familien, wird sich daran nicht sehr viel ändern. Den Zwang, Geld auch verdienen zu müssen und nicht nur zu Arbeiten, weil es der Selbstverwirklichung dient, kann niemand theoretisch wegdiskutieren - zumindest nicht auf einer feministischen oder Gender-Ebene.
Selbstbezichtigung? Süß. Wenn du es so verstehen möchtest. Mir geht es eher um die Vorstellung einer gleichberechtigten Rolle der Erziehung und Fürsorge eines Kindes. Doch da Frauen - noch dazu mit Kindern - auf dem Arbeitsmarkt sehr benachteiligt sind, ist dies schwer möglich.
@ Reinhard: einen Dank für den Link und den ersten Satz: "weltbildzerstörend" trifft es ziemlich gut. Ich finde aber im Gegensatz zu ihnen schon, dass man zwar - volle Zustimmung - danach LEBEN sollte. Das schließt aber für mich nicht aus, dafür zu streiten. Denn nicht alles, was in einer Beziehung geschieht, hat seinen Ursprung nur in dieser. Das Thema Kinderbetreuungsmöglichkeiten und familienfreundlichere Arbeitswelten (ach, wer sagt eigentlich, dass diese nur Familien gut tun - nennen wir sie doch einfach gleich: Menschenfreundliche Arbeitswelt) sind so zwei Punkte, es gibt noch mehr. Dafür öffentlich zu streiten, für das private Glück - das ist doch trotzdem sinnvoll, oder??
Ich kann nur sagen, dass die großen Unterschiede zwischen Mann und Frau, die hier nicht nur von @Coroner zelebriert werden, mir sehr fremd geworden sind. Aufgrund diverser Arbeiten für mein Studium, aber auch aus eigenem Interesse lese ich regelmäßig die Ergebnisse der aktuellen Gender-Forschung, Neurobiologie und auch Erziehungswissenschaften. Mein aktueller Wissensstand dazu: Die großen Unterschiede sind nur da, weil man sie erwartet, antizipiert und sind in vielfältigster Form eine Self-Fulfilling Prophecy. Schlimmstenfalls lähmen sie einen Menschen, weil er schief angesehen wird, wenn er diesen Geschlechtsrollenerwartungen nicht entspricht. Wenn Selbstbestimmung das Ziel sein soll, dann sollte man von diesen Rollenerwartungen schnellstens wegkommen.
Und Mutterliebe: Ist gut! Mutterliebe ist was schönes (ich spreche da aus eigener Erfahrung!) - aber warum versteht jemand, der so inflationär mit diesem Wort um sich schmeißt, ohne auch nur in Betracht zu ziehen, dass diese Liebe nicht nur Müttern zueigen ist, nicht, wie diskriminierend das gegenüber Vätern ist? Wie verletzend? Wie ausgrenzend? Ich möchte an dieser Stelle nicht zu sehr ins Private gehen, aber eines kann ich sagen: Bei solchen Worten bekommt mein Mann regelmäßig die Wut. Wie kaltherzig ist es eigentlich, einem Mann solche Gefühle abzwerten? Welche Berechtigung hat irgendwer dazu? Finde ich immer wieder unglaublich und werde ich hier auch nicht weiter kommentieren, weil mir das zu fern ist, so zu denken.
@Joachim Losehand hat ja einen ganz Blogeintrag zu diesem Thema geschrieben und ein wenig sarkastisch erklärt, er habe kein Problem damit, wenn die Frauen - jetzt mal salopp gesagt - karrieregeil würden, den Männern nacheiferten, 60 Stunden die Woche arbeiten wöllten etc... Überhaupt: Ein paar Vorurteile (gegenüber den Feminismus und die Gender-Debatte) verhinderten, wie auch an dieser Stelle, eine differenzierte Sichtweise auf das Thema in diesem Beitrag.
Was aber sollte vielmehr das Ziel sein? Wieder: Selbstbestimmung. Wenn eine Frau 60 Stunden will - okay, wenn sie das mit ihrem Partner geregelt bekommt und er damit auch glücklich ist - why not! Da bitte dann auch keine ideologische Verurteilung – und das sollte umgekehrt auch für Männer gelten, die so viel arbeiten – so lange das für die Partnerin okay ist.
Aber was ich viel entscheidender finde: Warum redet niemand über die Vorteile, die eine neue Arbeitsteilung in Partnerschaften haben kann? Warum wird nicht darüber geredet, wie extrem gut sich das machen lässt, wenn beide sagen wir 30-35 Stunden arbeiten und sich auch die Familien-/Haus-/ usw...-Zeit teilen? Klar: Diese Arbeitswelt sieht solche Modelle nicht vor, Zeitwohlstand ist noch kein Thema, aber warum macht man es dann nicht dazu?? Warum fordert Joachim zu einem Umdenken im kapitalismuskritischen Sinne auf - aber spricht diese Dinge NICHT an? Meine einzige Erklärung: Vorurteile gegenüber dem Feminismus wollten gerne sich selbst gegenüber bestätigt werden... Aber eine differenzierte Diskussion wollte er wohl weniger führen...
Erstmal vielen Dank für die Diskussion - schmunzelnd stelle ich fest: es geht doch. Zumindest ein bisschen. Und auch die kritischen Stimmen freuen mich. Ich möchte deswegen gerne meiner eigenen Aufforderung zur Diskussion nachkommen und ein paar Dinge erweiternd zu obigem Text loswerden:
@ vhammon, von Ihnen habe ich ja auch einen längeren Leserbrief bekommen. zu dem, was hier öffentlich gesagt wurde: Niemand klagt einen Vater dafür an, dass er seine Familie "ernährt" und es geht auch gar nicht darum, dass jemand wie dk1982 ein schlechtes Gewissen haben soll. Sondern:
@all: Worum es in aller erster Linie eigentlich immer beim Feminismus geht/gehen sollte, ist: Selbstbestimmung. Wenn eine Frau zu Hause bleibt, weil sonst niemand für ihr Kind da ist, ist das Fremdbestimmung. Natürlich kann niemand im Leben 100% immer selbstbestimmt leben: Die Grenzen der anderen und zum Beispiel auch die Bedürfnisse eines Partners/Kindes/von Freunden/Eltern etc... spielen eine wichtige Rolle - wir sind eben soziale Tiere und, um es nochmal mit Butler zu sagen: Auf andere angewiesen, ohne den anderen nicht anerkannt und nicht in der Lage, zu leben. Aber wenn zwei oder mehr Menschen miteinander leben und es um Selbstbestimmung geht, dann ist es eben suboptimal, wenn einer von beiden "sein Ding machen" kann, und einer von beiden überhaupt nicht. Es muss austariert werden und worum es mir im Artikel ging war: Dass dieses Austarieren nur dann Erfolg haben kann, wenn beide einander – wieder Butler – anerkennen. Als Menschen, die Bedürfnisse haben, anerkennen. Damit geht es halt los.
Ein Ungleichgewicht, das zu einem Leidensdruck bei einem Partner führt, kann entstehen, weil
a) eine Frau nicht ihren beruflichen Weg gehen kann, den sie aber gehen möchte, weil (X Gründe, einfach einsetzen) und der Mann tut es. Er KANN aber auch entstehen weil:
b) Ein Mann nicht so viel Zeit für sich/Freunde/Familie und den Rest des sozialen Lebens hat, weil er 60 Stunden die Woche arbeiten muss...
Kurz: Ein reines Mann-Frau-Ding draus zu machen ist eben auch quatsch - niemand will, dass die Selbstbestimmung der Frau auf Kosten derer des Mannes gehen soll. Aber eben auch nicht umgekehrt, und das passiert heutzutage noch häufiger als Vice Versa, also gibt es dieses Bedürfnis, darüber zu reden und dafür zu streiten, dass es anders wird, überwiegend bei Frauen.
Erstmal vielen Dank für die Diskussion - schmunzelnd stelle ich fest: es geht doch. Zumindest ein bisschen. Und auch die kritischen Stimmen freuen mich. Ich möchte deswegen gerne meiner eigenen Aufforderung zur Diskussion nachkommen und ein paar Dinge erweiternd zu obigem Text loswerden:
@ vhammon, von Ihnen habe ich ja auch einen längeren Leserbrief bekommen. zu dem, was hier öffentlich gesagt wurde: Niemand klagt einen Vater dafür an, dass er seine Familie "ernährt" und es geht auch gar nicht darum, dass jemand wie dk1982 ein schlechtes Gewissen haben soll. Sondern:
@all: Worum es in aller erster Linie eigentlich immer beim Feminismus geht/gehen sollte, ist: Selbstbestimmung. Wenn eine Frau zu Hause bleibt, weil sonst niemand für ihr Kind da ist, ist das Fremdbestimmung. Natürlich kann niemand im Leben 100% immer selbstbestimmt leben: Die Grenzen der anderen und zum Beispiel auch die Bedürfnisse eines Partners/Kindes/von Freunden/Eltern etc... spielen eine wichtige Rolle - wir sind eben soziale Tiere und, um es nochmal mit Butler zu sagen: Auf andere angewiesen, ohne den anderen nicht anerkannt und nicht in der Lage, zu leben. Aber wenn zwei oder mehr Menschen miteinander leben und es um Selbstbestimmung geht, dann ist es eben suboptimal, wenn einer von beiden "sein Ding machen" kann, und einer von beiden überhaupt nicht. Es muss austariert werden und worum es mir im Artikel ging war: Dass dieses Austarieren nur dann Erfolg haben kann, wenn beide einander – wieder Butler – anerkennen. Als Menschen, die Bedürfnisse haben, anerkennen. Damit geht es halt los.
Ein Ungleichgewicht, das zu einem Leidensdruck bei einem Partner führt, kann entstehen, weil
a) eine Frau nicht ihren beruflichen Weg gehen kann, den sie aber gehen möchte, weil (X Gründe, einfach einsetzen) und der Mann tut es. Er KANN aber auch entstehen weil:
b) Ein Mann nicht so viel Zeit für sich/Freunde/Familie und den Rest des sozialen Lebens hat, weil er 60 Stunden die Woche arbeiten muss...
Kurz: Ein reines Mann-Frau-Ding draus zu machen ist eben auch quatsch - niemand will, dass die Selbstbestimmung der Frau auf Kosten derer des Mannes gehen soll. Aber eben auch nicht umgekehrt, und das passiert heutzutage noch häufiger als Vice Versa, also gibt es dieses Bedürfnis, darüber zu reden und dafür zu streiten, dass es anders wird, überwiegend bei Frauen.
@ Kay.Kloetzer nur die eine Frage: WAS ist denn keine Konstruktion?? Sie schreiben hier jemandem, der glaubt, dass das soziale Geschlecht in erster Linie eine Konstruktion ist - so what? Das heißt doch auch nicht viel mehr als: Nimm dein Leben in die Hand und mach etwas draus - und das heißt eben auch, selbstbestimmt zu leben (siehe meine anderen Kommentare).
Betreff: "das Ende des Feminismus"
das wurde wohl schon allzu oft ausgerufen, ich denke nicht, dass es so bald erreicht sein wird. Der heutige Feminismus hat das Ziel der Geschlechterdemokratie und da dieses in vielen Bereichen der Gesellschaft noch sehr sehr weit entfernt liegt, wird der Feminismus nicht sehr bald zu Ende gehen - wenngleich sich das mancher wünschen mag, wobei ich mich dann auch oft Frage, welche der 1.000 Vorurteile ggü. dem Feminismus da wieder reinspielt... Aber das ist ja ein anderes Thema, wenngleich es hier, wie mir scheint, sehr akut hervortritt. In meiner Kurz-Vorstellung unter dem Text ist ein Link zu einem Blog, dort schreibe ich mit anderen jungen Feministinnen und wer sich gerne jenseits der eigenen Vorurteile ein Bild davon machen möchte, sei herzlich eingeladen einmal vorbeizuschauen.
Liebe Grüße,
Katrin
Ich freue mich immer über Mißverständnisse, denn die offenbaren mir die Verständnisse der anderen. Meinen Blogbeitrag „Mädchenmorgenblütenträume“ habe ich nicht sarkastisch gemeint, überhaupt bin ich nicht sarkastisch, sondern höchstens zynisch, denn Zynismus ist die Tonart der träumenden Realisten.
Was heißt: Ich „habe kein Problem damit, wenn die Frauen - jetzt mal salopp gesagt - karrieregeil würden ...“? Natürlich „habe ich ein Problem“ damit. Für mich sind eine „abhängige Beschäftigung in einem multinationalen Dienstleistungsunternehmen mit 60-Stunden-Woche, endlose unergiebige Konferenzen, nervenzerrüttende Flugreisen um die Welt, der Verlust der Privatsphäre, Aufsteigen in der Hackordnung, Anhäufung von materiellen Gütern“ an sich ein Alptraum, so ziemlich das Unerstrebenswerteste, was ich mir für mein Leben je gewünscht habe und wünsche. Warum sollte ich das jemand anderem – Mann oder Frau – wünschen oder „kein Problem damit haben“?
Eck- und Angelpunkt meines Blogbeitrags war diese kruse und krude Vorstellung vom Inhalt dieser zweifelsohne erstrebenswerten „Selbstbestimmung“. Jene „typisch männliche“ Vorstellung, Selbst-Bestimmung, Selbst-Wert läge in beruflichem Erfolg, beruflicher Selbstausbeutung und äußerem Lametta wie Posten, Pöstchen und Preisen ist es, die mich an der Diskussion um die Selbstbestimmung der Frau irritiert. Jawohl: irritiert. Natürlich darf und soll und kann jeder Mensch ungehindert sich nach seiner Façon glücklich oder unglücklich machen. Aber, fragte ich: „Ist das alles? Sind Frauen auch nur Männer?“ Warum lassen sich Frauen von Männern – den „Typen“, wie sie Luise F. Pusch gerne abfällig nennt – die Definitionshoheit über die Ziele der „Selbstbestimmung“, den Wert und Inhalt des Lebens so scheinbar einfach aufdrängen?
[...]
[...]
In den letzten Absätzen habe ich deutlich gemacht, daß ich ganz grundsätzlich die Werte-Frage stelle (ich erwähnte nicht das Wort „Kapitalismus“, weil die Werte-Debatte auch schon vor dem Kapitalismus in vormodernen Gesellschaften in Philosophie und Religion existierte). Denn die von mir angeführten Lebensphilosophien Stoa und Epikureismus stehen pars pro toto in deutlicher Opposition zu den Lebensentwürfen und -zwängen und den Werten, wie sie die Männerwelt seit Urzeiten propagiert und lebt. „Viele [antike] Philosophen“ schrieb ich „halten sogar jegliches materielle „Gut“ und jegliche öffentliche Beteiligung für flüchtig, für nichtig und ein Übel.“ Wie deutlicher soll ich „die Dinge“ noch ansprechen?
„Warum wird nicht darüber geredet, wie extrem gut sich das machen lässt, wenn beide sagen wir 30-35 Stunden arbeiten und sich auch die Familien-/Haus-/ usw...-Zeit teilen?“ Wer schon mal eine halbe Stelle an einer Universität hatte (ca. 20h), denn solche Modelle gibt es natürlich in der Arbeitswelt, weiß, daß man nicht mit der Stechuhr am Arbeitsplatz sitzen wird, daß Konferenzen auch an den freien Tagen stattfinden, daß man Arbeit nicht liegenlassen kann, ohne ungute Gefühle oder ohne kritische Blicke der Kollegen. „Halb arbeiten“ kann man nur im Schichtbetrieb, wo man die Werzeuge hinlegen oder weitergeben kann, wo man von Kollegen abgelöst wird. Schon mal (m)eine Professorin (zwei Kinder, ein Gatte) im Forschungsfreisemester beobachtet? Gutachten wollen geschrieben werden, Prüfungen finden trotzdem statt, Konferenzen ebenso, faktisch kommt man nur zum arbeiten, wenn man das Telefon und das Internet abklemmt, nicht zum Briefkasten geht – oder gleich in die ungarische Steppe übersiedelt, wo weder Internetcafés noch Mobilfunk ernsthaft eine eingeführte Größe sind.
Meiner Auffassung nach ist es ein Phantasiegebilde, was uns da vorgegaukelt wird. Eine große Blase voller luftiger Worte, die uns weißmachen will: anything goes. Man kann alles. Alles tun, alles erreichen, man muß sich nicht entscheiden, man macht einfach alles nebeneinander oder hintereinander. Das Wort „Verzicht“ hat einen so pessimistischen Beiklang, so voller Entbehrung, Entsagung, so entgültig, so nebelig, düster. Dabei verzichten wir jeden Tag, jede Sekunde, in der wir etwas tun oder nicht tun. Wir wollen das Leben und wollen es in Fülle. Wir wollen „viel leben“ und „lang leben“, wir wollen nicht „verzichten“. Aber verwechseln wir nicht Quantität mit Qualität? Wird unser Leben automatisch reicher, je mehr wir darin unterbringen? Wäre ein Leben nicht angefüllter mit Sinn, wenn wir uns auf Weniges konzentrierten, anstelle uns von Vielem zerrupfen und zerteilen lassen?
[...]
[...]
Wenn ich schreibe: „Ich [registriere], daß gerade „frauenbewegte“ Frauen sich von dem bewegen lassen, was Männer bewegt. ‚Ich will da rein!’ skandieren sie wie Gerhard Schröder, Geld und Macht sind auch für sie selbstverständlich die Garanten für ein zufriedenes, wenn nicht sogar glückliches und erfülltes Leben“, ist das dann nicht derselbe fatale Männer-Irrtum, daß ein „volles Leben“ ein erfülltes Leben sei? Wie oft haben Philosophen Männern gesagt, daß ein „volles Leben“ eigentlich ein leeres Leben ist, daß sie am Ende vor einem Haufen Nichts stehen, hochgeehrt, hochdekoriert und zu Tode erschöpft? Wie lächerlich das alles ist?
Frauen sind wohl auch nur Männer; sollen es die Philosophen also nun auch den Frauen sagen. Hoffentlich hören sie zu, die Männer vor ihnen taten es jedenfalls nicht.
Das ist ein sehr wahrer Satz:...
"Was heißt: Ich „habe kein Problem damit, wenn die Frauen - jetzt mal salopp gesagt - karrieregeil würden ...“? Natürlich „habe ich ein Problem“ damit. Für mich sind eine „abhängige Beschäftigung in einem multinationalen Dienstleistungsunternehmen mit 60-Stunden-Woche, endlose unergiebige Konferenzen, nervenzerrüttende Flugreisen um die Welt, der Verlust der Privatsphäre, Aufsteigen in der Hackordnung, Anhäufung von materiellen Gütern“ an sich ein Alptraum, so ziemlich das Unerstrebenswerteste, was ich mir für mein Leben je gewünscht habe und wünsche. Warum sollte ich das jemand anderem – Mann oder Frau – wünschen oder „kein Problem damit haben“?...
Es lohnt sich ihn zu wiederholen. An ihm ist gar nichts zynisch. Er ist nur wahr (und mag vielen weh tun).
Aber nur wo`s weh tut ändert sich (vielleicht) mal was.
Aber im Augenblick scheinen die Karrierefrauen (Achtung: ich werde zynisch) den Kapitalismus zu retten, u. a. durch neopatriarchale Matriarchinnen in Führungspositionen. Das war jetzt sicher nicht Genderkorrekt, aber das werde ich wohl nie lernen.
Aber ich versuch´s nochmal:
also, ich mag sowohl keine karrieregeilen Männer als auch keine karrieregeile Frauen.
Wie alle Ideologien unterliegt auch der Feminismus (leider) der Verblödung, spätestens seit dem alles "Gender" ist, also, mit dem Aufkommen dieses Begriffsungetüm (Gender-Mainstraeming).
Wie früher für alle der Marxismus-Leninismus Pflichtfach an den Ost-Unis war, so wurde dieser durch Gender-Mainstreaming nun überall abgelöst. Nun gehöre ich zu den altmodischen Menschen, die es für bedauerlich halten, wenn (auch noch so gut gemeinte) Ideologien sich des Wissenschaftsbetriebes bemächtigen.
Trotzdem, um es klar zu sagen: Frauen haben noch längst nicht überall die Gleichberechtigung erreicht und es gibt noch viel zu erkämpfen, obwohl schon viel erreicht ist, aber bitte ohne verschrobenen ideologischen Überbau.