"Flexi-Quote – die intelligente Quote" steht auf der Website Flexi-Quote.de. Erst Ende August ging diese Seite des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend online. Wenig später wird das Ministerium von einer Frau eingeholt, die über ihm steht und Politik machen kann, der sich auch eine Kristina Schröder womöglich zu unterwerfen hat. EU-Kommissarin Viviane Reding hat heute für den Knaller des Tages gesorgt: Ihr Gesetzesentwurf, der es den börsennotierten Unternehmen Europas vorschreiben wird, eine Frauenquote für die Aufsichtsräte einzuführen, wurde am Mittwochmorgen von der EU-Kommission angenommen.
Damit sind endlich mal Tatsachen geschaffen. Für viele Akteur_innen, die seit Jahr und Tag für diese 40 Prozent kämpfen, etwa die Unterzeichner_innen der Nürnberger Resolution, dürfte es eine große Erleichterung sein. Es zeigt aber auch ein weiteres Mal, dass man auf die Ministerin selbst nicht hoffen darf – und es bietet einen Ausblick auf kommende Debatten: So glimpflich wie heute wird es nicht immer laufen. Wollen wir uns wirklich darauf verlassen, dass eine höhere Instanz die Belange der Frauen gegen die nationale Ministerin durchsetzt?
Nicht, solange ich Ministerin bin
"Es ist ganz klar: Solange ich Ministerin bin, wird es keine starre Quote geben", hatte Kristina Schröder vor sieben Monaten der Bild am Sonntag gesagt. Stein und Bein. So ist das. Und jetzt? Wenn in anderen Branchen von außen Tatsachen geschaffen werden, auf die man keinen Einfluss hat, beruft man sich meistens auf "höhere Gewalt". So dürfte das auch Kristina Schröder gelingen – denn eine "höhere Gewalt" ist es, im wahrsten Sinne des Wortes.
Dabei ermöglicht eine EU-Richtlinie immer wieder sehr schön eine inhaltliche Distanzierung, bei gleichzeitiger Legitimierung des Verfahrens an sich. Dem muss man sich natürlich unterwerfen. Betont wird meistens, wie wichtig es sei, europaweit gleiche Bedingungen zu haben. "Harmonisierung" heißt das dann im Politikersprech. Eine solche Harmonisierung wird meistens "gebilligt". Kristina Schröder wird ähnliche Worte finden und versuchen, ihr Gesicht zu wahren.
Last Woman Standing
Dabei war sie wirklich bewundernswert stur. Als Last Woman Standing rückte sie keinen Milimeter von ihrer Ablehnung einer starren Quote und von der Idee ihrer "Flexi-Quote" ab. Dabei hatte selbst die ihr sonst treu zur Seite springende Dorothee Bär ihre Meinung von "Ich bin grundsätzlich gegen solche Quoten" (2010) zu "Freiwillige Selbstverpflichtungen bringen nichts" (2012) geändert. Im Gegensatz zu ihr und vielen anderen blieb die Ministerin hart. Sie ging dafür sogar in einen Konflikt mit Kabinetts-Kollegin von der Leyen.
Vermutlich hängt diese Härte mit einer starken Überzeugung zusammen: Schröder steht für den Minimalen-Eingriffs-Staat: Bloß nicht zu sehr in die Gesellschaft hineinpfuschen! Wo Emanzipation nicht von alleine entsteht, da ist das eben so. Ein zweites Hindernis auf dem Weg zu einer Quote, wie wir sie in Deutschland nun durch die Hintertür erwarten können, war ein Wesensmerkmal Schröders, das bei genauerem Hinsehen auffällt: Wann hat sie eigentlich jemals eine politische Position oder Meinung revidiert? Wo hat sie jemals eingelenkt?
Nein, so "ticke" sie nicht, sagt Schröder zu Kritik und Rücktrittsforderungen in einem Interview auf Spiegel Online noch diesen Sommer. Und: "Frauen- und Familienpolitik sind Felder, in denen jeder gerne seine individuellen Erfahrungen zum Maß aller Dinge macht und vieles sehr schnell sehr persönlich wird." So einfach ist das mit der Kritik – so schnell ist sie vom Tisch gefegt.
Frau mit Familie als Totschlagargument
Zum Start ihrer Karriere war sie im Spiegel interviewt worden und hatte dort einige Klopper rausgehauen. Um dem schlechten Abschneiden von Jungen in der Schule beizukommen hatte sie zur Lösung des Problems die Frage in den Raum geworfen: "Schreiben wir genug Diktate mit Fußballgeschichten? Dafür interessieren sich auch die Jungs. Oder geht es immer nur um Schmetterlinge und Ponys?" und auch zur Quote war damals schon alles klar: "Sie müssen sich auch einmal fragen, welche Frauen von einer Quote profitieren würden: wahrscheinlich jene, die keinerlei familiäre Verpflichtungen haben. Aber wollen wir nicht genau den Frauen mit Familie helfen?" Da wird die Frau mit Familie schnell zum Todschlagargument.
Dass auch Frauen mit Familie von einer Quote profitieren – wohl nicht vorstellbar für die Ministerin. Visionslos auch die Kehrseite, dass nur denjenigen Frauen geholfen werden müsse, die Familie hätten. Aber klar – emanzipiert sind die anderen ja schließlich selber. Danke!
Es bleibt zu hoffen, dass die Prophezeiung Schröders sich selbst erfüllt: Dass jetzt wo die Quote kommt, Schröder geht. 2013 wäre ja eine gute Gelegenheit dazu.
Katrin Rönicke schreibt in dieser Kolumne alle 14 Tage mittwochs über Gender- und Bildungsthemen, zuletzt über die deutsche Integrationspolitik und ein Buch der Autorin Lena Gorelik.
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