Wenn in Kürze der Anpfiff zur Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen ertönt, werden so unterschiedliche Erwartungen, Forderungen und Hoffnungen an Spielerinnen, Veranstalter und das Publikum herangetragen worden sein, dass man sich fragen muss: Kann das gut gehen? Ein Teil der Medien und der Zuschauer scheint sich vor allem zu wünschen, dass die Spielerinnen sexy vor Kameras posieren, andere wiederum überlegen, ob die Emanzipation jetzt nicht wirklich den Durchbruch schafft, wenn Frauen selbst in die Männerbastion der Rasenspiele einfallen.
Um zu verstehen, warum der Frauenfußball auf so andere Art und Weise im Fokus der Aufmerksamkeit steht, als es der Männerfußball je tat, muss man zunächst feststellen: Fußball ist historisch gesehen ei
gesehen eine Männersportart. Seine moderne Geschichte begann 1848 in Cambridge, von wo er sich zunächst auf den britischen Inseln ausbreitete. Tatsächlich ist dort auch der Frauenfußball entstanden – und das bereits Ende des 19. Jahrhunderts. Ebenso schnell, wie der Männer-Fußball zu nationaler Popularität gelangte, griffen die alten Rollenbilder auf den Frauenfußball über: Der Sport wurde als „unweiblich“ gebrandmarkt. Zwischen den zwanziger und sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurden in vielen Ländern offizielle Verbote durch die Fußball-Verbände ausgesprochen. Der Deutsche Fußballbund hob das Verbot für Deutschland 1970 wieder auf. Erst 1971 bekannte sich die UEFA dazu, diese Sportart für Frauen anerkennen und fördern zu wollen.Das Stigma der Unweiblichkeit haftet dem Frauenfußball bis heute an. Damit einher gehen viele Stereotype: Das Mannweib, die Kampflesbe, sogar sexuelle Frustration werden mit Fußball spielenden Frauen assoziiert. Eine Ursache für die Bezeichnung „unästhetisch“ ist die vermeintliche „Gefahr“, Fußballspielen mache dicke Waden – was offenbar immer noch skandalös ist.In anderen Sportarten wird stereotype Weiblichkeit zelebriert: So dürfen Beachvolleyballerinnen nur Bikini-Höschen tragen. Viele Kleiderordnungen für Frauen – etwa beim Badminton oder Hockey – dienen dazu, durch Sexyness den Vermarktungswert zu erhöhen. Im Fußball dagegen lässt sich so etwas schwer durchsetzen. Und so können sich viele Fußballerinnen stereotypen Sexyness-Ansprüchen verweigern und es ablehnen, zu Sexobjekten gemacht zu werden.Sport trennt die GeschlechterDer Sportunterricht trennt seit jeher die Geschlechter: Während die Jungen Fußball spielen, greifen die Mädchen zum Band oder allenfalls zum Volleyball. Bänderturnen für Jungen ist dabei ebenso tabu wie Kicken für die Mädchen. Nur langsam brechen diese Mauern auf: Sportwissenschaftlerinnen der Uni Dortmund haben 536 hessische Schülerinnen und Schüler befragt, ob Mädchen den Schulsport anders erleben als Jungen. Das Ergebnis: Für 62 Prozent der Jungen, aber nur für 38 Prozent der Mädchen steht im Sport der Leistungsvergleich im Vordergrund. Siegfried Eid von der Sportkommission der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft sagt es so: „Sportlehrer müssen sich immer fragen: Will ich mir Platzhirsche heranzüchten oder das Miteinander fördern?“ – wobei vor allem auch das Miteinander der Geschlechter im Sportunterricht spätestens ab der Pubertät nach wie vor ein Tabu ist.Es steht also eine starke Tradition hinter der Auseinandersetzung mit der Frage: Warum eckt Frauenfußball an? Spielerinnen in Europa haben dabei vor allem mit Schubladendenken und der mangelnden Erfahrung mit Frauen in einem „Männersport“ zu tun. In Ländern, wo die Geschlechterrollen mehr Kontrolle und Sanktionen unterworfen sind, hat eine Fußball spielende Frau oft andere Sorgen, und zwar existenzieller Art. Aber bleiben wir in Europa. In der Geschichte des deutschen Frauenfußballs darf ein Name nicht fehlen: 1. FFC Turbine Potsdam. Gegründet im schon erwähnten Jahr 1971 ist der Club eines der erfolgreichsten Frauen-Teams. Ab 1998 war der Verein stets unter den Top Fünf in der Bundesliga und 2003 zum ersten Mal auf Platz eins. Der Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb) berichtet seit Jahren von den Spielen. Spätestens mit der Frauen-WM 2007 brachen auch die restlichen Medienanstalten ihr Schweigen und wagten, anfangs noch zaghaft, in einen kleinen Freudentaumel zu verfallen, als die Deutschen Runde für Runde weiterkam und schließlich siegten.War der Playboy nötig?Doch das wahre Sommermärchen fand eben nicht 2007, sondern 2006 statt. Männerfußball gilt nach wie vor als interessanter, wird besser bezahlt, bekommt mehr Aufmerksamkeit und löst bei allen Beteiligten weniger ambivalente Gefühle aus. Fußball und Männer „passen“ zusammen. Eine oft genannte Erklärung dafür ist scheinbar die Biologie: Männer bauen eben schneller Muskeln auf. Frauen sind im Schnitt kleiner, langsamer und weniger kräftig als Männer. Und dann noch das Testosteron: Aggressivität und Kampfgeist – das sind selten mit Frauen assoziierte Eigenschaften. Dabei verschwimmen so genannte biologische Unterschiede sehr schnell mit völlig konstruierten Verschiedenheiten. Denn die Varianz zwischen den Geschlechtern ist insgesamt deutlich geringer als innerhalb.Manche betonen denn auch die Chancen, die das WM-Turnier für ein neues Frauenbild in der Gesellschaft mit sich bringt. Anlass zur Hoffnung besteht: Seit Frauenfußball in den Medien mehr Beachtung erlangt, gibt es plötzlich neue Rollenvorbilder. Bestes Beispiel für eine kleine Revolution ist etwa der Erfolg des britischen Films Kick it like Beckham (2002). Bei aller Kritik an den kitschigen Vorstellungen und den weitergetragenen Stereotypen, mit denen der Film sicherlich nicht konsequent brechen wollte: Er bildet einen Meilenstein in der Wahrnehmung des Verhältnisses von Frauen und Fußball. Die kann sich durch die Weltmeisterschaft nun weiterentwickeln.Schon vor der WM begann in der Öffentlichkeit ein Nachdenken, wie man sich nun zu verhalten habe: Müssen wir uns jetzt, weil die Gesellschaft doch so emanzipiert ist, genauso jubelnd und feiernd auf Fanmeilen zusammenrotten? Wie stehen wir zu den Frauen, die in diesem Sport „ihren Mann“ stehen? Das Turnier bringt das Gewohnte ins Schwanken – das ist immerhin etwas.Zwei Stränge im HypeZugleich zeigen sich die Schattenseiten des Hypes: Die ersten fünf Kickerinnen waren bereits im Playboy zu bewundern. Als müssten sie beweisen, dass sie sexy sind, obwohl sie Fußball spielen. Noch dazu in Posen, deren homoerotische Anspielungen gerade im Zusammenhang mit einer Sportart, der ein Lesben-Klischee anhängt, mehr als kritisch sind. Warum war das nötig? Damit der Frauenfußball die mediale Aufmerksamkeit bekommt, die er verdient? Damit das Portemonnaie der Frauen wenigstens ein bisschen mehr von dieser WM profitiert – denn zugegeben: Es muss für Spielerinnen frustrierend sein, ihre Gehälter mit jenen der Männer zu vergleichen. Wichtiger ist aber wohl: Es gehört zu unserer Kultur, dass berühmte Frauen sich nackig machen. Zumindest, wenn ihr Körper nicht „unweiblich“ ist.So lassen sich im Hype um die Frauen-WM zwei Stränge ausmachen: Der eine tendiert dazu, nach dem Motto „die schönste Seite des Fußballs“ zwar Vorfreude zu empfinden, sich aber vor allem auf Basis von Geschlechterklischees mit diesem „Phänomen“ zu befassen. Da spielen halt Frauen und das ist eben anders, aber lassen wir sie doch. Sind ja auch ein paar Schöne dabei.Der andere tendiert dazu, zu viel von dem Turnier zu erwarten. „Die Spielerinnen haben bei der WM schon ein schweres Päckchen zu schultern“, sagt die Sprecherin des Lesben- und Schwulen-Verbandes in Deutschland, Renate Rampf. „Sie sollen die Sportart aufwerten – auch als Akt der Emanzipation. Es sollen tolerante, weltoffene Spiele werden. Und dann wäre da noch die Aufwertung Homosexueller.“ Die Fußballfrauen haben also eine altbekannte Aufgabe übertragen bekommen: Sie sollen alles unter einen Hut bringen – mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht. In diesem Sinne: Haut rein, Mädels – so was haben wir doch schon immer gekonnt!