Der Chef ist weg, der Boss, der Köhler. In 2 Tagen wird ein neuer Bundespräsidentenmensch gewählt. Wie fühlt er sich an, der Alltag so ohne richtiges Staatsoberhaupt? Ein Tagebuch.
Also ich liebe den Sommer vor allem wegen der Nächte. Es ist lauwarm, duftet nach Wiese oder nach Bratwurst, wir sitzen vor der gastronomischen Einrichtung und retten die Welt, bis es dämmert. Hin und wieder gibt es Vollmond.
Natürlich ist das alles nur eine Entschädigung für die Strapazen des Tages. Wie gern würde ich es im Sommer halten wie die Schwestern und Brüder in den südlichen Ländern, würde mich hinter Außenjalousien bedeckt halten, zwischen 11 und 16 Uhr kein Haus verlassen, überhaupt erst gegen 17 Uhr mein Tagwerk beginnen - bei inspirierenden Getränken ins schattigen Gassen. Das kann dann ruhig ein bisschen länger dauern.
Ich habe einen Kompromiss gefunden und frage ich mich, wie es kommt, dass ich dennoch ein so ganz anderes Leben führe als meine Eltern, die schon ein so ganz anderes Leben führen als meine Großeltern. Meine Omi fragt mich manchmal, wie ich nach Einbruch der Dunkelheit nach Hause komme. Ich könnte antworten, dass es sich um den Tagesanbruch handelt. Sage aber: Taxi.
Als meine Eltern und Großeltern so alt waren, wie ich es jetzt bin, waren das vernünftige, verantwortungsvolle Erwachsene. Im Grunde sind sie es heute noch. Ihre Kinder waren aus dem Gröbsten und der Wohnung raus, und sie haben sich einige Wünsche erfüllt: eigenes Zimmer, entspannter Urlaub, mehr Zeit zum arbeiten. So wie sie gestern arbeiteten, wollten sie ja heute leben.
Ich habe lange schon zwei eigene Zimmer, von denen ich mich aber im Sommer entfremde, weil sie drinnen sind, und ich bin ja draußen. Ich erfülle mir meine Wünsche sofort, das heißt, entweder übernimmt das der Wirt oder der Hermes-Paket-Shop.
Ich bin werberelevant.
Nicht mehr lange, dachte ich vor kurzem noch, denn angeblich ist ja bei 49 Schluss. Nun aber lese ich, dass sich die Zielgruppe der Berechenbaren in einem Strukturwandel befindet. Waren es bisher die 14- bis 49-Jährigen, sind es nun die 20- bis 59-Jährigen, denen hinterhergehechelt wird. Das ist interessant für die Fernsehanstalten, die sich bisher den Vorwurf der Überalterung anhören mussten und nun plötzlich im Trend senden.
Und es ist interessant für die Zukunft. Nicht nur die Jugend ist nicht mehr das, was sie mal war, die Alten, sag ich jetzt mal, sind es auch nicht mehr. Das ist natürlich eine Riesenchance für unser Land. Wenn nämlich die Zahl derer, denen zugetraut wird, eine eigene Meinung mit einer eigenen Wahl in Einklang zu bringen, sich etwas mittiger zwischen den Polen der Zurechnungsfähigkeit einpegelt, wobei nach oben noch Spielraum sich auftut, wenn also diese Volksgruppe so entscheidend ist, dann kann sie doch bitteschön auch entscheiden. Alles. Zuerst über die Wahlrelevanz der Bundespräsidentenkandidaten.
Ist es schon zu spät? Ach was, es ist noch nicht mal dunkel.
Kommentare 18
"...wir sitzen vor der gastronomischen Einrichtung und retten die Welt, bis es dämmert. Hin und wieder gibt es Vollmond."
Ach liebe k.k., wer möchte da nicht mitretten.....
"Das kann dann ruhig ein bisschen länger dauern."
Liebe kay.kloetzer,
ich danke Ihnen für diese Serie aus der Zeit ohne oben, die ja nun bald zu Ende gehen wird; diese kleinen Geschichten aus und über das Leben in der Nachbarschaft sind leicht und trotzdem nicht flach, gut beobachtet und stets mit einem freundlichen und verzeihenden Blick auf die Nachbarschaft und die umgebende Welt versehen.
Ich hab mich an ohne oben (oben? warum eigentlich oben?) gewöhnt. Kann so bleiben und kommt meinem Demokratieverständnis entgegen.
Und - du kannst deine Serie bis in alle Ewigkeiten weiterschreiben. Unter der Rubrik:
Dauerauftrag Demokratie
immer ohne oben
Ein Dauerbrenner ;)
Braturst! danke auch
liebe kk, bin auch der meinung, dass es grundsätzlich zwischen haupt- und nebensachen zu unterscheiden gilt. deine geschichten sind die hauptsache, der wahlfang ist das beiwerk.
dass die jungen alten umworben werden, ist doch längst usus. woher soll sonst der umsatz kommen? und der soll ja möglichst gesteigert werden. wir jungen alten müssen mehr tun für den konsum. ne bratwurst ist entschieden zu wenig. steigere dein einkommen und der rest ergibt sich.
nimm dir ein beispiel am buprä!
Der Anfang der Wurst korreliert meist mit dem Ende eines Schweins und hat obendrein was von einer Götterspeise - denn nur Gott weiß, was wirklich alles drin ist.
gestern der vollmond, also wirklich! so etwas habe ich noch nie gesehen, nicht ganz voll, aber breiter als der turm der thomaskirche (der mond).
da danke ich ihnen sehr GeroSteiner! und bin gespannt, ob ich entzugserscheinungen bekomme. vielleicht nicht gleich, aber so am dritten tag ohne?
herzlich
kk
mal bitte die teufelin nicht an die wand!
hauptsache nebensache. die nebensachen sind doch viel mehr, da möchte ich lieber nebensache sein, obschon nicht die schönste der welt.
liebe grüße
kk
Wer ein Herz für die Wurscht hat, der gehe ins 'Bratwurstherzl' nähe Viktualkienmarkt und esse ein deftiges Leber- oder Linsengericht. Wie gesagt, wer ein Herz hat.
Die zwei Enden der Bratwust sind von der Mitte aus gesehen der Hauptwiderspruch derselben.
Currywurst?
vor Ostern: sieben Wochen ohne
Senf ist das Erste, was rationiert wird, wenn die Würste an die Regierung kommen.
Es ist doch Wurst, was als Delikatesse empfunden wird.
Wer den Teufel an die Wand malt, spart Tapete!
Viellericht kommt er näher (der mond),
zum Mitwählen......:-))