Dies ist eine Art Antwort auf Katharinas Blog "Als 68er" (www.freitag.de/community/blogs/johanna-k/als-68er), es ist ein Pendant, vielleicht auch eine Spiegelung, ist die Erinnerung an ein Heranwachsen in Ostberlin.
Es musste ja so kommen. Statt in den warmen Armen meiner Mutter, wuchs ich auf in der emotionalen Kälte von Kinderkrippe (Zwangs-Topfen) und Kindergarten (Panzer im Sandkasten). Als 1968 Geborene zähle ich zwar zu den ersten sozialistischen Wunschkindern, weil damals auch in der DDR endlich die Möglichkeit der Anti-Baby-Pille in die Familienplanung eingebunden wurde, dennoch war es meiner Mutter unmöglich, ihr Medizinstudium abzubrechen oder auszusetzen. Zumindest nicht, wenn sie Ärztin werden wollte. Also ab mit dem Kind in die Ganztagsbetreuung. Wirklich traumatisch war der Wechsel vom Kindergarten in Lichtenberg zum anderen in Friedrichshain. Wer verliert schon gern von heute auf morgen alle seine Kindkollegen. Und Facebook hatten wir ja nicht. Schon gar kein Babyfacebook.
Als ich dann unterm Weihnachtsmann-Kostüm die dicke Küchenfrau erkannte, war es eigentlich vorbei mit der unbeschwerten Kindheit. Manchmal konnten die frischen Apfelringe aus dem Obst-und-Gemüse-Laden nebenan wieder so etwas wie Heimatgefühl herstellen. Ja, es gab Obst-und Gemüse-Läden in der DDR. Was frisch war, war auch Bio. Was nicht frisch war, gab's eh kaum.
Und als ich älter war und zur Schule ging - damals bewältigten die Kinder das allein und oft sogar zu Fuß -, war immer etwas Haushaltgeld und ein Stoffbeutel im Ranzen. Für den Fall, dass der Heimweg an einer Menschenschlange vorbei führte und diese wiederum in ein Geschäft, in dem es Pfirsiche gab oder Kirschen oder Erdbeeren. In manchen Jahren lohnte sich das auch für Toilettenpapier oder Butter. Mich interessierten aber vor allem Negerküsse, die gab es in jener Kaufhalle in der Singerstraße, in der Plenzdorfs "Legende vom Glück ohne Ende" (die von Paul und Paula) spielt. Später dann jagte ich Bücher.
Ein nur kleiner Umweg führte zur Karl-Marx-Buchhandlung in die Karl-Marx-Allee. Die, an der Ulrich Mühe in "Das Leben der Anderen" ganz am Schluss zunächst vorbei zieht - bis er das (wie sich herausstellt) ihm gewidmete Buch im Schaufenster sieht. Damals lag das, was man suchte, bevor man wusste, dass man es hätte suchen können, nicht in der Auslage. Es lohnte nicht, die Neuerscheinungen überhaupt auszupacken. Sie gingen direkt aus der Kiste unter dem Ladentisch über den Verkaufstresen. Die Frage, was denn so reingekommen sei, genügte. Ein gewisses Vertrauensverhältnis vorausgesetzt. Das hat teure Lagerflächen sparen helfen. So kam es, dass wir alle das Gleiche lasen - Neues, Altes, Werkausgaben. Tschingis Aitmatow, Christa Wolf, Emile Zola, Jürgen Kuczynski, Christoph Hein,Volker Braun, Rosa Luxemburg, Eva Strittmatter oder Erwin, Honoré de Balzac, Bert Brecht, Leon Feuchtwanger, Friedrich Wolf.
Wir Jugendlichen lasen alles, worüber die Erwachsenen sprachen. Denn ob nun die Freunde der Eltern spontan auf ein Bier klingelten oder alle zusammen auf Dachgärten bis zum Morgenlicht feierten - es wurde geredet, geredte, geredet.
Sich dagegen abzugrenzen, war nicht unbedingt mein Wunsch. Vielmehr wollte ich dazugehören. Die wirkten frei und wissend, fröhlich im Denken zuhause. Mein Protest bestand dann darin, beim Aufkommen der Farbfilme stur in Schwarz-weiß zu fotografieren. Farbe war spießig. Auch was die Klamotten anging. Und da, wer Individualität ausstrahlen wollte, sich seine Sachen sowieso selber nähte, schneiderte ich mir aus schwarzem Fahnenstoff schlimme, sackartige Überwürfe. Alternativ kam höchstens Blaudruck infrage. Es war da eine Sehnsucht nach Aufgehobensein in einer Gemeinschaft bei gleichzeitiger Abgrenzung durch höchstmögliche Eigenartigkeit.
Da meine Eltern ganz normal bis abends arbeiteten, verbrachte ich ab der 3. Klasse meine Nachmittage selbstbestimmt. Mal abgesehen von den Arbeitsgemeinschaften, irgendwelchen Mathe- oder Zeichen- oder Sport- oder Tanzkursen,die ich ohne große Ambition abhakte. Leider. Gern hätte ich ein Instrument gelernt oder mich mit irgendetwas länger beschäftigt, als die erste Euphorie anhielt. Aber das Motto war: Alles kann, nichts muss. Als ich mit Eintritt in die Pubertät den Zugang zur Mathematik verlor, hörte ich eben auf. Als Leichtathletik nur noch 4 x wöchentlich ging oder gar nicht, entschied ich mich für gar nicht. Als ich versuchte, mir selbst Latein beizubringen, ließ ich es, weil ich allein nicht weiter kam, eben wieder bleiben.
Natürlich gab es paramilitärische und Propaganda-Verpflichtungen in der Schule. Aber die haben mein Leben nicht unmittelbar geprägt. Ich weiß nur noch, dass wir uns die Uniformen auf hautnah nähten, damit sie nicht ganz so peinlich aussahen. Und Freiluft-Appelle auf dem Hof der Pankower Penne mussten regelmäßig unterbrochen werden, weil die Flugzeuge nach Tegel im Landeanflug dröhnten. Schweigeminute für den Klassenfeind.
An den Wochenenden ging es mit den Eltern aufs Grundstück - Langeweile im Grünen. Im Sommer drei Wochen an die Ostsee - lesen am Strand, feiern am Abend. Im Winter 10 Tage Ski fahren im Erzgebirge oder mit Glück mal in Bulgarien. Jahr für Jahr ein Ritual, das nie enttäuschen konnte, weil die Erwartungen nie über das zu Erwartende hinaus gingen. Mein Vater riss in unserer Neubauküche eine Trockenwand raus, um ein bisschen Weite zu schaffen.
Als ich alt genug war, das nicht mehr mitmachen zu müssen, fuhr ich mit Freunden an Wochenenden auf irgendein Grundstück - Romantik im Grünen. Im Sommer an die Ostsee - reden am Strand, feiern am Abend. Auf dem Zeltplatz in Zinnowitz sahen wir im Sommer '89 die ersten Neonazis. Im Winter blieben wir zuhause.
Im Winter kamen die Zweifel. Im Dunkel sahen wir unsere Zukunft nicht. Wussten nicht mehr wie warum wohin. Im Winter tranken wir uns die Wärme in den Leib. Uns starben noch keine Menschen, aber die Illusionen über unsere Freiheit. Weil nicht jeder lernen, studieren durfte, was er wollte. Weil es auf kluge Fragen dumme Antworten gab. Wir sahen die Decke schon, an die wir zu früh stoßen würden. Und gläsern war die nicht.
In Sommern spielten Bob Dylan oder Bruce Springsteen open air in Ostberlin. Im Februar gingen wir zum Festival des Politischen Liedes und sangen mit Wenzel oder Gundermann, mit van Veen oder Branduardi, mit Billy Bragg oder León Gieco: "Solo le Pido a Dios".
So war ich politisch: hellhörig, romantisch, naiv und frustriert.
Ich hatte Glück. Als die Mauer fiel, waren ich 21. Und ich war in Leipzig, erwachsen geworden mit den Träumen einer Revolution. So gesehen bin ich wohl eine Alt-89erin.
Kommentare 101
das ist ein wacher "auf kante genähter" text, eigene reminiszenzen hervorrufend, erinnere mich z.b., daß wir zusätzlich zu all den von Dir genannten sachen noch beatnik-lyric inhalierten, auf lunge sozusagen, jack kerouac und ginsberg bspw., die es in den endsiebzigern urplötzlich in ostdeutschen buchausgaben zu kaufen gab (reclam und poesiealbum), und sogar in ausreichender auflage; überhaupt eine seltsame zeitspanne, in leipzig war z.b. eine ausstellung zur us-amerikanischen photographie zu bewundern, von den anfängen bis in die moderne ...
Alles mal was für später ...
Dieser Text ist für mich heut abend zu lang. Als die Mauer fiel, war ich dreißig. Ich zähle mich aber zur Generation 2CV.
das musste ich googeln. generation ente also. na, so lange ich mich nicht adäquat zur generation p601 zählen muss, isses mir dann doch egal auch.
Ich kann auch nur sagen. Wunderbar, ganz klasse. Alles wieder erkannt.
In Nuancen auch anders, weil ich so viel älter bin. Hast Du das schon länger "auf der Pfanne"? Es liest sich so schön durchkomponiert.
Diese Buch-Dinge.
Bei uns war es ja leichter, an Sachen zu kommen, weil es auch Rezensionsexemplare manchmal gab und so.
Und ich finde die "Ironie" wieder, die auch in meinen DDR-Reminiszenzen drin war. Wir waren doch nicht blöde, wir wussten doch, wie bescheuert viele Sachen waren ,aber haben - manchmal grimmig -auch lachen können über diese Hirnis.
Und, die Gespräche, Gespräche...das war ja auch in meinem Schwingkreis so, manchmal völlig unpolitisch-politisch.
Also wirklich: Danke, danke für den wunderschönen Text. Ging mir richtig nahe.
Wo steckst Du denn?
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siehste jayne, das mit kerouacs "unterwegs" weiß ich schon gar nicht mehr genau. wohl noch, dass wir es lasen, aber als ich neulich meine ausgabe suchte (anlässlich des nun erschienenen ersten romans "und die nildpferde kochten in ihren becken", gemeinsam mit burroughs), da fand ich in den tiefen der regale nur eine rororo-ausgabe. aber poesiealbum - ja klar. musste man auch dazukommen. und damals nahm ich alles, ob ich's nun kannte oder nicht.
heute neige ich dazu, mich bei der kauf- oder lese-entscheidung auf urteile anderer zu verlassen. ist das eine geldfrage, platzfrage oder schon fehlende neugier? gut jedenfalls ist es nicht.
wollte hier eigentlich ein a href="http://startext.net-build.de:8080/barch/MidosaSEARCH/dr1_druck/mets/2211/index.htm?target=midosaFraContent=http://startext.net-build.de:8080/barch/MidosaSEARCH/dr1_druck/xml/inhalt/7d39fb53-65bf-41b3-873e-5cf93cf0f47c.htm" target="_blank">bild
ach! aus lokatis' reclam-archiv? das ist auch ein fundus zum verkriechen für ein jahr ...
Hallo kay,
na, kein Wunder, dass die DeDeEr untergegangen ist - wenn ihr alle so Transusen ward ;)
www.muenster.de/homepages/2cv.html
danke, liebe magda, jetzt bin ich wieder daheim in leipzig. am donnerstag im hostel hatte ich katharinas text erstmal nur überflogen und ihr am abend schon gesagt, dass ich gern die ost-sicht hinzufügen möchte, mich aber leider kaum erinnern kann. und als ich heute nachmittag das gefühl hatte, den noro-virus meiner großeltern auszuhecken, dachte ich: ehe es zuende geht, machste mal gleich. virus kam dann doch nicht.
meine ambivalenz bei dieser erinnerung ist, dass ich wahrlich nichts schlimmes erlebt und ja sogar auch mitgetan habe, also kommunistischen idealen anhing. ich bin mir dessen bewusst, dass andere es schwer hatten. ich möchte nicht, dass es ihnen wie hohn klingt. vielleicht hatte ich einfach glück - so war das ja: die umstände hingen immer konkret von den menschen ab, die sie bestimmten. in meinem umfeld hatte ich glück.
liebe grüße
kk
wann dürfen wir das buch dazu auf der buchmesse feiern?
aber streifzug, die diktatur des proletariats ist beendet, untergegangen, abgelaufen - jedoch nicht die DeDeEr. das soll jetzt keinesfalls wie eine drohung klingen. auch wenn das unverlangte dementi es natürlich dazu macht ...
Das Buch heißt dann "Meine Ente", Erscheinungstermin unbestimmt.
täterä?
wenn meine ollen verwandten aus der hauptstadt der ddr hier mitlesen täten, wäre ich unerwünscht. aber zum glück haben die gar keinen computer.
kay, das wäre eine spannende Perspektive - DeDeEr als Evergreen mit diktatur des proletariats 2.0
Welche Farbe haben die sackartigen Überwürfe denn diesmal?
@ Rainer Kühn, hätte niemals geglaubt das Du so abenteuerlustig sein könntest: Déjà Vu? deux-chevaux?
alles erdige Farben, so'ne Art Ethno-Fashion, nicht immer so düster schwarz.
Meine Ente?
@streifzug
da ich zum nähen natürlich keine zeit mehr finde, seit die produktionsmittel nicht mehr meine sind, und weil ich angesichts der realitätsverdrängung bei esprit oder h nur noch bei ulla popken fündig würde, wären die überwürfe heutzutage eher in möbelhaus-sitzecken-farben gehalten. wenn ich nicht dank de-de-er-typischen verschleierungsvermögens schwarze hüllen zwiebeln könnte.
an der diktatur des proletariats 2.0 bin ich eher nicht interessiert. zumal wir eine herrschaft der dazu nicht befähigten in gewisser weise ja erneut haben.
nix für doppelplusungut
kk
@rainer
da wird's aber zeit für ein west-spar-paket mit flatrate und allem drunter und drüber. sonst denken die ost-verwandten noch, die welt sei wie der mdr sie malt.
@koslowki
wenn sie "im Westen das kapitalistische System unterwanderten", gehören sie dann zu denen,die am 9.11.89 sagten "ach du scheiße" (das hing ja verständlicherweise eher über westberlin), oder hatten sie da noch hoffnung, dass wir gemeinsam das ganze mal ordentlich umgraben? gehören sie also, anders gefragt, aus ihrer sicht zu den wende-verlierern?
herzlich
kk
Nö, meine Ente weiß, schwarz Dach, und MS OV 2001. Neben dem Radio immer drei, vier Bücher drin.
1968 - ach, welche Zeit. Mein Lebensplanung war damals, grobschnittartig, vorherbestimmt. Penne, Studium, Aufbau des Sozialismus mit eingebetteter Karriere und dann als Rentner mit der Verwandtschaft den Kommunismus genießen. Und wo lebe ich jetzt? Oh Clio, ich fühle mich von dir verraten. Oder es ist eine hinterhältige Rache, weil ich auf mein Jugendweihebuch ungenügend aufpasste.
kay, möbelhaus-sitzecken-farben?
voilà, DeDeEr als Evergreen mit diktatur des proletariats 2.0 und einer herrschaft des dazu befähigten:
http://teddyandmore.de/Strandkorb.JPG
68: mit acht Jahren kämpfte ich auf den drei Dorfstraßen für den Kommunismus und die erste Freundin, mein Transparent: Liebe in rot und Freiheit mit Hammer Sichel.
Es sollte anders kommen: ich wurde Gymnasiast. Auf einer Jungensschule.
@ luggi
ich wusste, dass wie wörter "unterwandern" und "umgraben" dich anlocken würden. welches buch hast du denn vernachlässigt? war's noch "weltall,erde, mensch"? oder schon dieses andere, ich komm' nicht drauf, ach: "vom sinn unseres lebens". also gelesen habe ich die beide nicht, aber als ab dem 10. November 89 alles im müll lag, fand ich das auch überstürzt, so erinnerungshistorisch gesehen. und irgendwann kann man die doch bei ebay ... ach nee, das ist jetzt die andere sichtweise.
kk
thälmann auf sylt?
thälmann auf sylt ist die bildinterpretation für streifzug
:)
nun wird es konspirativ ;)
"ich bin mir dessen bewusst, dass andere es schwer hatten. ich möchte nicht, dass es ihnen wie hohn klingt"
Also ich selbst empfinde das nicht wie Hohn, ganz im Gegenteil, mein Lebensgefühl ist da schon auch mit drin. Gibt aber Leute, die haben sich mehr ärger eingehandelt in der DDR.
Also ich hatte neulich die vormilitärische Ausbildung in den 60er Jahren beim Wickel und da gabs auch Einwände, weil andere das härter erlebt haben und ich mehr so als albern, aber nicht bedrohlich.
Was den Noro-Virus betrifft. Das ist kurzfristig sehr dramatisch - ich hatte das vor zwei Jahren - ich dachte ich geh ein und schon am nächsten Tag gings mir wieder halbwegs.
Na, denn
Ein warmer Grog ein schöner Tee und alles wird besser
lieber Gruß
Magda
@koslowski
das ist doch ein(en) blog wert: die damalige sicht auf "die Bedeutung der friedlichen Revolution in der DDR für die deutsche Geschichte und die politische Bildung in NRW" heute betrachtet. und das mit den IMs in nach der wende entscheidenden positionen - das finde ich auch mal interessant. oder ist schon aufgearbeitet, wieviel zufall, wieviel - nunja - weitsicht dahintersteckte?
und zu meinen kämpfen haste nix zu sagen? ;-)
@rainer kühn
auf drei dorfstraßen halte ich hammer und sichel durchaus für die mittel der wahl. da muss ja schlussendlich die ernteschlacht geschlagen werden. zur "liebe in rot" fehlt mir momentan noch der zugang. hießdie pension vielleicht "roth's ausspanne"?
@kk
ich hatte noch das richtige, "weltall...". Das andere hieß "Der Sozialismus - deine Welt" oder so ähnlich. Zu meinem kurzen biogr. Einsprengsel muss ich schreiben, dass ich in der ersten sozialistischen Stadt meine Kinder- und Jugendjahre verbrachte -> "Hütte".
"Ich hatte Glück. Als die Mauer fiel, waren ich 21. Und ich war in Leipzig, erwachsen geworden mit den Träumen einer Revolution. So gesehen bin ich wohl eine Alt-89erin."
Na, das ist doch was!!! Eine 89erIn! Dazu noch so ein schöner Text, bin berührt.
Gruß BW
danke für die wünsche, magda, aber ich bin davongekommen. eben robust. obwohl ich mich gewissermaßen auf höchste wut spulen könnte angesichts dessen, dass der zu dem zeitpunkt wirklich sterbenskranke opa sich 1. im krankenhaus das ding einfängt und 2. die sicherheitsmaßnahmen so ein, zwei tage später eingeleitet wurden. als ich gestern dort war, rannten die schwestern und pfleger zwar mit gummihandschuhen rum, mit denen sie aber wirklich alles anfassten. schon dass er dort liegt, ist auf eine unachtsamkeit einer schwester zurückzuführen. und dass er noch lebt, auf die anwesenheit meiner mutter (einschreitende ärztin). aber das ist ein anderes thema. und es ist ja nochmal gutgegangen. ich rege mich wieder ab.
herzlich
kk
luggi, du meinst eisenhüttenstadt? als alte euphemismus-liebhaberin delektiere ich mich an wikipedia: "Eisenhüttenstadt liegt auf einer Talsandterrasse des Warschau-Berliner Urstromtales. Im Süden ist es vom Hügelland einer Endmoräne, den Diehloer Bergen, begrenzt. In Eisenhüttenstadt mündet der Oder-Spree-Kanal in die Oder."
tut mir trotzdem leid.
naja, die geomorphologische Lage von Hütte hat mich damals nicht vom Hocker gerissen; aber wir bekamen kein Westfernsehen; und in der Nachbetrachtung war's nicht SO schlimm, Sandmännchen, Professor Flimmrich, Testausstrahlungen waren, mal technisch gesehen, sowieso nur in schwarz-weiß
Ja, und wir hatten keine Fernbedienung. Wir mussten laufen, zum Kanalwähler.
luggi, das muss ich heute noch: laufen zum kanalwähler. weil das ein sehr altes, aber eben noch funktionierendes fernsehgerät ist (farbe). ich finde, das lässt mich die entscheidung ganz anders wägen. wiewohl die auswahl freilich eine andere ist. obwohl - gerade samstags denke ich immer: welche wahl?
eisenhüttenstadt kenn ich nicht. aber ich habe brigitte reimann gelesen,und vielleicht war hoyerswerda ja ähnlich? ich stelle es mir so vor. ankunft im alltag.
kk
Also, Hoyerswerda und Hütte geht nicht zu vergleichen. Ganz, ganz andere Kultur(en). Die ersten Wohnkomplexe in Hütte stehen unter Denkmalschutz. Die nachfolgenden wurden z.T. oder ganz abgerissen. Trifft auch auf andere Neubausiedlungen zu. Hütte hatte für mich damals so einen schönen Dreiklang, die Kernstadt Eisenhüttenstadt, das Provinzstädtchen Fürstenberg und das Dorf Schönfließ. Ja und die Diehloer Berge mit einem Ausblick, den ich Jahrzehnte später nicht vergessen hab.
Die Familie zog dann an die andere Grenze dieses kleinen Landes, zum Harz. Aber da hab ich auch geile Geschichten erlebt. Und so ein Kommunist wohnte damals genau gegenüber unserer Wohnung, Onkel Karl, er war besser als normal, sischa.
verdammt, ich weiß so wenig. gibt es filme, bücher, bilder? von wann stammen die wohnkomplexe,die jetzt unter denkmalschutz stehen? ich stelle mir vor, dass das leben an der deutsch-deutschen grenze eine ganz andere grenz-erfahrung ist, als das leben an der deutsch-polnischen grenze. väterlicherseits stammen wir aus der ecke polen, dann guben, da war ich mal, aber nix heimat. ob das allein wegen der bewohner oder wegen der erwartungen da schwieriger war als anderswo, also für dich als heranwachsenden, das würde mich interessieren.
herzlich
kk
Guben, die Wilhelm-Pieck-Stadt. Da waren wir oft. Familie. Eingeprägt hat sich die überproportionierte Grenzbewachung der Brücke über die Neiße, also wirklich mit Stacheldraht und scharfen Grenzposten, eher auf der polnischen Seite. Gut, das war in den 60er Jahren. Aber beeindruckend, wenn man ohne weitere Probleme diesen "Bach Neiße" einige 100 Meter entfernt durchwaten konnte.
Naja und mit der anderen Grenze, kann man vielleicht sagen, dass das Grenzerfahrungen waren. Ganz komisch oder seltsam war folgender Vorgang. Familie zog Ende der 60er Jahre von Grenze Ost nach Grenze West, aber so richtig rein in's Sperrgebiet. Der Nachbarsjunge half uns beim Umzug, 2 Tage später war er weg. Flüchtling in die Westzone. Nach Polen ist damals niemand geflohen, war ja damals immer noch ein armes Land.
Archivmaterial zu Hütte habe ich ein klein wenig gerettet. Google gibt viel mehr. Die Wohnkomplexe wurden in den 50er Jahren errichtet. Die Leninallee heißt nach der Wende Lindenallee.
Aus dieser Zeit in Hütte könnte ich Stories schreiben; echt mal; was stellst du dir unter einem Automatenrestaurant in den 60er Jahren vor?
automatenrestaurant in den 60ern schreit natürlich nach einem kalauer, aber im ernst sehe ich eine art trafobetriebenes salmonellen-karussell?
ich hatte mal so ca. um 2000 eine dienstreise mit dem deutsch-polnischen poetendampfer. mit zustieg grünberg, das wusste ich, und hab mir ein wörterbuch gekauft, und stand dann in der fußgängerzone von zeliena góra und verlangte nach einem hafen. naja, ist da nich. und dann habe ich mich da umgesehen und war entsetzt über die, pardon, kapitalistische gleichschaltung, aber später auf dem dampfer, war es sehr schön. da ging es nur um poesie, und der übergang von der lenin- in die lindenallee häte sicher gute gespräche gebracht.
ich kann mir, obzwar mir blick aus dem kinderzimmer auf Kreuzberg aufgewachesen, nicht vorstellen, wie es sich anfühlt, mit dem anderen gedanken groß zu werden, dem gedanken an eine ja doch auch freiere welt.
als wir 86 in warschau im lager für arbei und erholung waren, also parks harkten und buttons vom papst kauften, war es bei strafe der zukunft verboten, eine kirche zu betreten. nun, da trafen sich dann alle.
magst du es nicht doch mal aufschreiben? oder habe ich es übersehen?
Automatenrestaurant:
Wer Automaten aus dieser Zeit kennt weiß, es gab meistens rechts irgendwo einen Schlitz für Münzen, und wenn dann die erkleckliche Anzahl in den Münzschacht gefallen war, öffnete sich nach Betätigung eines ominösen Nippels ein Wippfensterchen und gab das Ziel zur händischen Entnahme frei. So lang so kompliziert. Im Automatenrestaurant vollzog sich folgende Prozedur. Man stellte sich vor den Automaten (resp. seine Klappen). Dann wählte man sich die Klappe aus, hinter der sich das begehrliche Gericht befand (Bockwurst mit Kartoffelsalat, Bulette mit Kartoffelsalat, Spiegelei mit...naja, wissen wir ja; oder Brühe mit Brötchen oder Ochsenschwanzsuppe mit Brötchen usw.) War das Fach leer, wurde es von hinten händisch aufgefüllt. Das waren dann die Roboter.
Es gab auch Tagesgerichte ohne Geldeinwurf, einfach so "Erna, mach ma det Lungenhaschee mit Bratkartoffen un noch ne Molle unnen Kurzen!" Warum das Gericht nicht im Automaten war? Der Automat konnte nur Geldstücke ab 50er aufwärts erkennen, das Gericht kostete aber 2,25 MdN.
Berlinbesuche hatten für mich vor 89 zwei Prämissen. Die Kulturzentren der Polen, Ungarn, Bulgaren und Tschechen (Vinyl) und die Besorgungsaufträge der lieben Verwandten(Ketchup, Honig, Sahnesiphon, Personenwaage, Bohrmaschinen usw.).
Und mal der Besuch im Intershop. Allein dieser spezifische Geruch des Intershops, den habe ich erst wieder vor wenigen Jahren in einem Einkaufszentrum an der österreichisch-tschechischen Einkaufszentrum erfahren dürfen. Ich fühlte mich um Jahrzehnte zurück versetzt, sensorisch.
Ganz interessant waren die Ferienlager damals, oijoijoi.
oh, da habe ich wohl die gnade der späten geburt. wir haben zwar erwähntes salmonellen-karusssel in der kantine, aber das ist harmlos im vergleich.
intershop-gerüche kenne ich nur aus tschechien. inzwischen sensibilisiert für geschmacksverstärker und teppichgifte, geht mir der humor aus. oder auch dem arbeitgeber die langmut. mein einwand: "dann arbeite ich eben zuhause" ist im moment noch umstritten.
lungenhaschee bekamm zuletzt eine kollegin, weil sie so gehustet hat. das war 2002.
ach weißste, du musst auch mal zu so'm salon kommen, das lässt sich ja hier nicht alles klären.
liebe grüße
kk
1989 starb meine "Oma Berlin", kurz, bevor die Mauer fiel. Sie hatte vierzig Jahre in der DDR gelebt, und auch davor im Südosten von Berlin. Ich habe sie mit anderthalb Jahren zum ersten mal besucht, meine Eltern nahm ich auch mit. Mit Opa und meinem Onkel ging ich mit meinem Vater immer angeln, Oder-Spree-Kanal, und die Sprotten und Brassen und Schillerlocken wurden dann von Oma und Tante gebraten und in der Veranda von allen verspeist. Dann gingen wir in den riesengroßen Garten und saßen in der Hollywoodschaukel und an der hauseigenen Kegelbahn. Das war der Kommunismus. Tomaten waren hinten links, die Bienenkörbe ganz hinten rechts, und Kirschen hingen rot wie Gegenwart und Zukunft an den Bäumen.
Mein Onkel filmte, wenn wir im Tierpark waren, zum Pergamonmuseum gingen, oben im Alex waren.
Meine Generation 89 ist für mich ein persönliches Erlebnis blochscher Welt, gewesene Zukunft, glückliches Beieinandersein. Oma, die Mutter meines Vaters, war das Zentrum einer Familie, die staatlich geteilt jedes Jahr sich traf. Natürlich in der Hauptstadt. Der DDR.
"gewesene zukunft" ist gut, das wird es wohl gewesen sein.
na, schau'n mer mal; JA hat doch nicht mehr soviel Thematiken für seinen Salon.
Was bleibt denn noch? Die Unfruchtbarkeit der USB-Sticks und die Bedeutung des Pi als kontemplative Exegese des kleinen Omega. Es ist doch alles schon besprochen. Es sei denn, so Themen wie gemütliches Beisammensein Teil 1, Teil 2 usw. auf der offenen Geselligkeitsskala.
Ja? Ja.
das hätte ich jetzt aber nicht schöner sagen können.
sorge mich nebenbei um einen freund in chile, der schreibt: "Bei ihnen ist aber nur das Aquarium ausgelaufen, wie sich herausgestellt hat."
und über leute in Valparaisov "Sie mussten wegen des Tsunami-Alarms jedoch mitten in der Nacht auf einen Berg fluechten."
und wir reden hier über dies und das.
Diese blogs scheinen ja eine Kette zu werden. Nach meiner eigenen Antwort auf Katharina könnte ich hier gleich weitermachen ;-)
KK, schön zu lesen - für mich auch was anderes.
Schöööön! (Toll, dass du's gemacht hast - deine Amnesie war offenbar nur vorübergehend :)) Es klingt sehr nach Glücklichsein. (Vielleicht hat Glück als Kind nicht so arg viel mit politischem System zu tun? Und vielleicht sind "wir" - Ossis und Wessis - am Ende gar nicht so verschieden? Der Text fühlt sich jedenfalls sehr "nah" an...)
Meine Lieblings-Fremdworte:
"Zwangstopfen"
"Babyfacebook"
(Hießen Negerküsse wirklich auch "drüben" "Negerküsse"??)
und Lieblingsstellen:
"Mein Protest bestand dann darin, beim Aufkommen der Farbfilme stur in Schwarz-weiß zu fotografieren."
"Es war da eine Sehnsucht nach Aufgehobensein in einer Gemeinschaft bei gleichzeitiger Abgrenzung durch höchstmögliche Eigenartigkeit."
"Ich weiß nur noch, dass wir uns die Uniformen auf hautnah nähten, damit sie nicht ganz so peinlich aussahen."
"Schweigeminute für den Klassenfeind."
"Mein Vater riss in unserer Neubauküche eine Trockenwand raus, um ein bisschen Weite zu schaffen."
Alle oder keiner:
www.youtube.com/watch?v=g1kwNAtPWpU
herzlich
katharina
tja, Rainer Kühn, so bitter das sein mag: Dann gehören Sie derselben Generation an wie der rosa Oppositionsführer:
tinyurl.com/osf522
(nicht zu verwechseln mit der Tigerenten-Sache! www.kunstgalaxie.de/shop/detail/859/1761.html!)
... und warum ist das hier kein "Top-Blog"?
Ich geb mal'n paar Sternchen ;)
gern geschehen.
Und dazu: www.freitag.de/community/blogs/rainer-kuehn/meine-oma-die-89erin
:) (Sie sind ja fix!)
"...Mein Protest bestand dann darin, beim Aufkommen der Farbfilme stur in Schwarz-weiß zu fotografieren. Farbe war spießig..."
Ich schätze, der Protest hatte auch was Praktisches: denn mit MeOpta-Vergrößerer - mit Farbeinschubzusatz - und Farbentwicklungschemikalien aus Werningerode war es auch - vorsichtig gesagt - etwas umständlich, Farbfotos zu entwickeln.(Ich habe selbst die komplette Ausrüstung und habe einen Film einmal unter Anleitung entwicklelt - Au Mann!!!) Und wenn man Farbfilme eingeschickt hat, konnte es durchaus - so erzählten meine KollegInnen - 6 Monate dauern, bis sie entwickelt zurück kamen. Und die ORWO-Farbfilme hatten eine wunderbare Farbwiedergabe, waren aber nur in Tiefkühltruen verlässlich haltbar!!
Da war (und ist!!) SW-ORWO-Filmentwicklung und MeOpta-Vergrößerung geradezu blitzschnell!!
a href="http://s282.photobucket.com/albums/kk274/WalkerEvans/Oberbaumcity/PlessowSea/?action=view=File7066.jpg" target="_blank">http://i282.photobucket.com/albums/kk274/WalkerEvans/Oberbaumcity/PlessowSea/File7066.jpg
das war ORWO-Clor
liebe katharina,
ach, der gundermann, den habe ich oft und sehr gebraucht damals und später. danke auch für den link!
- seufz -
klar hießen die negerküsse negerküsse! unsere verbale politische korrektheit konzentrierte sich aufs verbote wie das des Wortes Staatszirkus oder der Abkürzunge ZK. Zumindest für tageszeitungen galt das ende der 80er, staatszirkus wegen der doppeldeutigkeit und ZK der SED, weil der setzer da mal rasch die buchstaben hätte verdrehen können. da hat madga sicher noch mehr beispiele.
herzlich
kk
lieber alien59,
den hatte ich übersehen, deinen blog.hab ihn jetzt aber nachgelesen und bin überrascht: obwohl deine kindheit für mich ja räumlich wie zeitlich weiter weg sein müsste,kommt mir vieles sehr vertraut vor. vielleicht liegt das auch daran, dass du es so nah beschreibst.
herzlich
kk
danke, liebe amanda, was kindheits-erinnerungen wohl mit uns machen?! womöglich sind sie die wahre heimat.
liebe grüße
kk
das wusste ich nicht, lieber siebzehnter juni, ich habe ja damals nicht entwickelt. ob noch orwo-farb-filme in den tiefkühltruhen lagern? auf ihrem foto jedenfalls sind die farben wirklich gut!
herzlich
kk
ja, ein Maler in der Feuerbachstraße in Potsdam hat noch ca.400 Stück in seiner Truhe!!!!
und ich gearbeitet 1993-1997
Liebe Kay;
danke für das/den schöne(n) Blog! Und das Teilhaben-lassen an Deinen Erinnerungen.
Und damit andere auch teilhaben können, habe ich den Text jetzt getwittert.
"Und so war ich poltisch: Romantisch, hellhörig, frustriert und naiv."
Die Hellhörigkeit hast Du Dir offensichtlich bewahrt...
Liebe Grüße
Anette
Vielen Dank, liebe kay.kloetzer,
die Erinnerungen sind sehr schön beschrieben
"womöglich sind sie die wahre heimat", das mag schon sein, aber wären wir dann etwa alle "Heimatvertriebene"...?
das denke ich nicht. wir sind doch aus unserer kindheit, aus unseren erinnerungen nicht vertrieben. haben uns davon entfernt vielleicht, aber es gibt immer einen zugang, einen gültigen pass.
herzlich
kk
danke,liebe anette, ich habe zwar auch so ein twitter-dingens, verliere das aber immer wieder aus den augen.
liebe grüße
kk
Liebe kay.kloetzer Kommentator/inn/en,
danke fürs Schwelgen in Heimaten und Kindheit, fürs Erinnern an Träume und Hoffnungen, wunderbare Idiotien und kleinen Kämpfe gegen unser Milieu. Und ans Salmonellenkarusell und sackartige Überwürfe. Mit 15 oder 16 wollte ich so aussehen wie ein Intellektueller, trug eine schwarz gerahmte Brille, nur schwarze Klamotten und trainierte vor dem Spiegel, überlegen zu lächeln.
Auch herzlichen Dank an Katharina, Alien59, Amanda, Magda, Rainer Kühn und ... für ihre blogs.
Das war ein besonders schöner Tag in der Freitag-Community für mich.
weinsztein
ich danke auch (ebenfalls 2cv-fahrer und aus der kindheit abgehauener) :-))
Oh, was hier abgeht in der Bloggospäre, wenn man mal 'n paar Tage blau macht!! - Ein schöner und spannender Text! Ich muss einen ausfühlicheren Kommentar auf ein paar Stunden später verschieben...
:)
Den Text las ich schon gestern früh. Leider komme ich jetzt erst zum Lobhudeln. Bei diesem Stück Heimatkunde ist mir ja richtig warm ums Herz geworden.
Vor meinem inneren Auge war die Kaufhalle im Film allerdings immer die am Lenindenkmal gewesen. Die anderen beiden in der Singerstraße kenn' ich auch. Die eine wurde irgendwann vor einer Weile von Kaisers plattgemacht und wieder neu aufgebaut. Vor der anderen steht, glaube ich, heute ein Chinaimbiss und drinnen ist NORMA. In der Karl-Marx-Buchhandlung sitzt heute eine Filmproduktionsfirma. Aber über Pankow – ja über Pankow da dröhnt's immer noch.
http://i959.photobucket.com/albums/ae75/ichfreitag/goedzak_blau.jpg
Ja, total blau dieser Goedzak. Wie kann man sich nur so geh'n lassen!
In der Karl-Marx-Buchhandlung sitzt heute in Frankfurt am Main immer noch die Karl-Marx-Buchhandlung. Wohnte früher ziemlich daneben und habe diese Kalamität kürzlich noch nachgeprüft.
lieber ich,
ja, in der lenin-kaufhalle haben sie gedreht. aber ort der handlung ist(im buch) die singer-halle. die andere, kleinere, an der ecke andreasstraße hieß ja früher concordia-halle, wegen der gleichnamigen säle ganz früher in der nähe. dort könnte ich mir einen china-imbiß heute gut vorstellen. war schon ewig nicht mehr in der gegend, habe aber fotos an der wänden. manchmal, wenn ich mir ausmale zurückzukehren, kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, wohin eigentlich.
herzlich
kk
kalamität, rainer? sach an!
@luggi
"Nach Polen ist damals niemand geflohen", ich schon, des öfteren. Aber wenn's Geld alle oder die Ferien zu Ende waren, bin ich immer zurückgekommen...
Zuviel Lebertran, kann nur warnen!
@kay.kloetzer
In deiner alten Gegend ist so ziemlich alles durchsaniert. Nur die beiden Hochhäuser in der Andreasstr. standen ziemlich lange leer (das dritte gegenüber der Kaufhalle, neben der Plattenbauschule beherbergt jetzt eine Seniorenwohnanlage, glaube ich zumindest). Das eine Hochhaus wurde zwischenzeitig saniert:
www.wordelmann-und-partner.de/Aktuel12.jpg
und dabei gleich pinkifiziert:
http://www.centacon.com/uploads/pics/ire_silvertower_01.jpg
@goedzak
meine Aussage bezog sich auf einen alten DDR-Witz
"Was hat denn der Mann getan?"
"Er wollte aus der DDR fliehen."
"Und warum steckt ihr ihn dann in die Irrenanstalt?"
"Er wollte nach Polen abhauen."
Meine Betrachtung zur polnischen Grenze war der Zeitraum vor 69, danach reichte zum Grenzübertritt der Personalausweis.
"Mein Vater riss in unserer Neubauküche eine Trockenwand raus, um ein bisschen Weite zu schaffen."
Poesie ... schön!
na, und ein kleines Video muss sein
Diese Jahre des kleinen Grenzverkehrs nur mit Perso waren ja dann auch wieder vorbei. Dann ging es nur mit Einladungen von Polen. Da ich keine Bekannten hatte, hab ich mir aus polnischen Zeitschriften die Adressen von Leuten, die Brieffreundschaften suchten, herausgeschrieben und mir meine Einladungen selber geschrieben.
"vielleicht hatte ich einfach glück", kay.kloetzer, sicher, oder wie katharina meinte, "Es klingt sehr nach Glücklichsein." - Glück haben ist eine Ausnahme, so meint man doch gemeinhin. Die Majorität hatte kein Glück gehabt zu haben! Oder?
Muss gestehen, ich war auch einer von den Glücklichen. Kind eines Landproleten, der nie mehr Bildung genossen hat in seinem Leben als 7 oder 8 Schuljahre und einen 6wöchigen Schweißerlehrgang, und einer Handwerkertochter, die wegen Geburt ihres Ersten die Lehrausbildung abbrach und wegen weiterer dreier Entbindungen nie wieder aufnahm, die beide als Ungelernte auch in der DDR nicht viel mehr als den Mindestlohn verdienten, konnte ich gegen den Willen meines Schuldirektors Abitur machen, ein Studium anfangen, es abbrechen, mich eine Weile herumtreiben, noch ein Studium beginnen, es abschließen... Als es dann vorbei war, stellte sich heraus, dass alles gut zu gebrauchen war. Die Dankbarkeit etwa eines sozialen Aufsteigers dem System gegenüber, welches solches ermöglichte, habe ich nie empfunden. Es war selbstverständlich! Ich habe unter meiner Dorf-Proll-Herkunft nicht gelitten und war nie stolz auf den 'Aufstieg'.
Liebe kay,
habe gerade in einem andern Kommentar so schön von deinen authentischen Beiträgen geschwärmt, die ich hier so schätze.
Das hier ist wieder so einer.
Danke!
Ich wollte dir am Mittwoch noch alles Gute wünschen für den FreitagSalon, wurde dann aber, bevor ich das tun konnte, von der Arbeit verschluckt, die mich heute erst wieder ausgespuckt hat. So kann ich nur fragen: war's schön? Und sagen: schade, daß ich nicht dabei sein konnte, hätte dich und die anderen gerne getroffen.
Herzlich
Titta
@kk
die Lawinen der Zeit trennen uns von den Erinnerungen an die Kindheit, für den Grenzübergang braucht man Jahr um Jahr ein zusätzliches Visum...
Dein Gedanke ist trotzdem sehr poetisch,
wirklich verführerisch:-))
Hoffentlich ist man frei in der Wahl seiner Heimat....
meine Heimat liegt immer einen Stalker-Steinwurf weit in der Zukunft, die ich gemeinsam mit anderen Menschen zu Gegenwart formen kann, mit Kollegen, mit Freunden, mit der Familie....
aber vielleicht ist das so eine Art Berufskrankheit:-))
Herzliche Grüße
archie
@ archie
das ist nun auch wieder wahr: "für den Grenzübergang braucht man Jahr um Jahr ein zusätzliches Visum..."
und: deine art der heimat ist sicher mehr dem leben zugewandt, also dem gegenwärtigen. andererseits denkeich, dass die vergangenheit uns so stark prägt und ja auch ausmacht, dass wir unvollständig blieben, liebten wir sie nicht, wie man eine heimat liebt: zwiespältig zwar, aber in gewisser weise auch bedingungslos.
herzlich
kk
na toll, dann bin ich also in einer zukünftigen seniorenwohnanlage aufgewachsen!
danke für die bilder!
und was denkst du, goedzak, hätte dein glück bestanden ohne das große andersrum?
so, wie du es beschreibst, denke ich: ja. weil es von systemen oder den regeln aller nicht abhängig zu sein scheint. auch das war ja ddr-typisch, oder?
herzlich
kk
danke dir, liebe titta! ja,der salon war sehr schön für mich. zuerst die gottlob fundierte debatte auf dem podium und dann das kennenlernen beim getränk. vielleicht schaffst du es ja auch mal nach berlin. und vielleicht liegt der termin ja mal auf einem freitag, was vielleicht praktischer wäre für uns auswärtige.
liebe grüße
kk
Liebe kk
"Und unverständlich wird mein ganzer Text.
Was ich niemals besaß, wird mir entrissen."
so sagt es Volker Braun (zitiert nach dem Blog von Rainer Kühn).
Vergangenheit ist Proviant und Gepäck,
was man eben so tragen kann und braucht für den Weg, Nährstoff für lange Winterabende an den Lagerfeuern der Erinnerung, vielleicht sogar wichtig, um die bösen Geister fernzuhalten.. Du hast gewiss auch recht mit dem Gedanken, man bleibe unvollständig, wenn man seine Vergangenheit nicht versuche zu lieben. Ohne Neugier auf andere "Vergangenheiten" kann es vielleicht nie eine gemeinsam bewohnte Heimat geben....
Herzliche Grüße
archie
ja, archie, das denke iach auch: imwissen um andere vergangenheiten kann die eigene vielleicht erst zu einer bewohnbaren landschaft werden. mit diesen gedanken gehe ich jetzt zu bett. danke für die anregung!
herzlich
kk
Dann wünsche ich natürlich eine erholsame Nachtruhe und erfrischende Träume:-))
So wie das davor mein Glück nicht wirklich bedrücken konnte, hat es das danach nicht entrücken können. Sowas passiert dann im schnöden Alltag der zwischenmenschlichen Beziehungen, beides.
Man macht sich große und kleine Illusionen, erstere werden allerdings seltener.
Für mich bitte: Generation 2CV.
Oder Generation 850 T3.
Wenn ich mal 68 bin, will ich hoffentlich 89 werden.
schöner text!
Ich bin ein 2010er, alles andere ist Schnee aus den Kunstschnee-Maschinen von Springer, DuMont, Bauer, Holtzbrinck ...