Demission possible

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Als ich heute das Licht der Welt erblickte, war dann doch nicht alles anders, schon gar nicht neu. Die Müdigkeit war noch da, ebenso das Chaos im Wohnbereich, sogar der Schnee da draußen schien irgendwie der von gestern zu sein. Ich fürchte, in einer Warteschleife zu rotieren und beschließe, Vorsatz!, endlich zu handeln. Und zwar im Sinne der Kanzlerin: „umfassend und entschlossen. Aber ich entscheide nicht danach, wer gerade am lautesten ruft.“ Hiermit erkläre ich meinen Rücktritt vom neuen Jahr.

Nun ist ein Rücktritt immer die Warmduscher-Variante, sich auszubremsen, ein tiefer Fall für Sauna-Untensitzer und Teletubby-Zurückwinker. Echte Kerle bremsen mit den Füßen, bis die Talsohle glüht. Beides haben wir 2010 beobachten können. Dabei war neben der Hufeisennase nichts so gefährdet wie die Würde des Amtes. Besonders bei Bischöfen und Hamburgern.

2011 wird wenig so bedroht sein wie die Würde des Hätte, Wäre, Wenn … Es werde sich entscheiden, ob wir aus dieser Krise herauskommen, sagt die Kanzlerin. Man muss Kassandra nicht gelesen haben, um zu wissen: Es wird nicht gehen ohne Köpferollen. Womit zu keinem Zeitpunkt die Yoga-Aufwärmübung „Schulterschluss“ gemeint war.

Das vergangene Jahr stand nicht nur im Zeichen der Finanzkrise und des Wintereinbruchs, es war das Jahr der Rücktritte, wenngleich immer seltener von der Bahnsteigkante. Köhler, Kässmann, Koch – das waren die drei K der konservativen Rollenspiele. In Hamburg warfen Bürgermeister von Beust, Bischöfin Jepsen und Thalia-Intendant Schirmer die Flinte ins Brackwasser. In Griechenland trat aufgrund einer Verwechslung nicht der Finanzminister zurück, sondern Fußballnationaltrainer Rehhagel.

Und Bischof Walter Mixa machte vor, wo Gott Hand anlegt: Biblische Erkenntnisse waren die Abschiedsworte 2010, Kopf an Kopf mit den nur unzureichend säkularisierten Begriffen „Vertrauen“, „Verzeihung“ und „Verständnis“.

Mit Rückgriffen aufs kleine Handbuch der Amtsmüdigkeit 2010 erkläre ich:

Zu Silvester habe ich einen schweren Fehler gemacht. Ich habe das Jahr angetreten mit dem mir aus Kindertagen vertrauten Psalmwort „Siehe, wie fein und lieblich ist es, wenn Geschwister einträchtig beieinander wohnen!“ Ich bin aber Einzelkind und bedauere, dass meine Hoffnungen auf das neue Jahr auf Missverständnissen beruhten.

Falsche Hoffnungen sind nicht mein Leben. Die Enttäuschung geht aber so weit, mir klarzumachen, ich hege einen Optimismus, der von zwölf Monaten nicht gedeckt werden kann. Sie lässt das notwendige Vertrauen in die Vergangenheit vermissen. Die biblische Erkenntnis, alles hat seine Zeit, gilt auch für Menschen. Selbstverständlich gilt sie nicht für mich.

Ich danke den vielen Politikern in Deutschland, die mein Vertrauen gebraucht und meine Illusionen geschürt haben. Ich danke allen Freundinnen und Freunden, allen guten Ratgebern, nicht zuletzt Eckart von Hirschhausen und seiner heiligen Schrift „Glück kommt selten allein“. Vergelt's Gott!

Ab sofort ist das neue Jahr ein altes, auch wenn es jünger aussieht.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

kay.kloetzer

Kulturtante in Leipzig.

kay.kloetzer

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