Magda hat schon darüber geschrieben, aber dennoch:
Vielleicht sind es einfach zu viele. Ständig wird irgendein Preis an irgendwelche Prominente vergeben. Und die tauschen die Statuen auch nur untereinander aus: Wer gestern noch unter Tränen dankte, steht morgen als Laudator auf der Bühne. Dieser Preis-Verfall hat gesellschaftliche Wirkung. Da kann man schon mal ein Dekolleté mit Charakter verwechseln und eine Bild-Kampagne mit Journalismus.
War das neulich die Verleihung des Film-, Fernseh- oder Grimmepreises? Hat Michael „Bully“ Herbig wirklich den Bernd-Eichinger-Preis für sein Lebenswerk erhalten? Hatte Iris Berben dieses Kleid nicht neulich schon bei … Und gibt es die “Goldene Henne” eigentlich auch in Silber? Hör zu oder sieh weg – es trifft stets die Gleichen. Und oft die Falschen.
Gabriele Wohmann zum Beispiel nicht. Sie ist in Darmstadt geboren und lebt in Darmstadt und hat trotzdem noch nicht den Büchnerpreis erhalten, obwohl der von der in Darmstadt ansässigen Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung verliehen wird. In Darmstadt. Die Akademie ignoriere sie, sagte Wohmann am Sonntag in einem Radio-Interview. „Ich kriege ihn nicht mehr, vielleicht posthum.“ Überhaupt sei für sie nie genug Werbung gemacht worden.
Das klingt, so kurz vor ihrem 80. Geburtstag am 21. Mai, dann doch ein wenig nach Resignation, wenn nicht Frustration, gar Wut. So könnte es, sollte in diesem Jahr die Wahl auf sie fallen, dazu kommen, dass die Roben rascheln und die Fotoapparate blitzen und Frau Wohmann ans Mikrophon tritt und spricht: „Ich nehme den Preis nicht an.“ Das kann passieren.
Marcel Reich-Ranicki hat 2008 die Latte hochgelegt. Der Literaturkritiker lehnte den Deutschen Fernsehpreis ab mit der Begründung: „Bei dem vielen Blödsinn, den ich heute Abend gesehen habe, glaube ich nicht, dass ich dazu gehöre.“ Wenn das mal so einfach wäre. Beim späteren Wiedergutmachungs-Interview mit Thomas „Todeszone“ Gottschalk jedenfalls versickerte die ganze schöne Wut in Nettigkeiten.
Und nun beim Henri-Nannen-Preis: Weil sie sich die Ehrung für investigative Recherchen nicht mit zwei Bild-Autoren teilen wollen, lehnen drei Journalisten der Süddeutschen Zeitung den Preis ab. Hans Leyendecker und Kollegen hatten die „Formel-1-Affäre” bei der BayernLB aufgedeckt, die Bild-Leute die Wulff-Affäre losgetreten, worin die Jury den „Superlativ einer gesellschaftlichen Wirkung” sieht.
Eigentlich vergeben Gruner + Jahr und das Magazin Stern den Preis für die besten journalistischen Arbeiten in deutscher Sprache - um Qualitätsjournalismus zu fördern und zu pflegen. Wer das in einen positiven Zusammenhang mit Bild zu bringen versteht, ist ein Kandidat für die „Goldene Augenklappe“. Oder sollte diese Entscheidung der Beitrag in der Kategorie „Humor“ sein, die erstmals unbesetzt bleibt?
Dann stünde hinter allem das Satiremagazin Titanic und kein „Kulturbruch“, wie ihn Leyendecker beklagt. Sind die Lachtränen getrocknet, sehen wir: Jegliches hat seinen Preis.
(zuerst hier)
Kommentare 18
@ kay.kloetzer
Danke für diesen 2.ten "Blick" auf´s Dekolleté dass den Auszeichnungswahn präsentiert. Die Satiereperspektive versöhnt und entspannt zum Abschluss in Zeiten der "Kampfpreise". Quantität ist eben nicht Qualität - that´s it. Solange es noch aufmerksame kritische "Draufblicker" gibt die nicht mit einem locker hingeworfenen "so what" reagieren kann Quantität durchaus ein Qualitätsmerkmal sein.
Feine Restnacht noch Christiane Paffen
In Hollywood bekommt man ja auch Sterne auf dem Walk auf Fame als reine PR - Sache. Und unsre Traumfabrik zieht da einfach nach..
Gern gelesen.)
liebe kk, ein schöner preis der preise!
viel einblick in die preistreiberei habe ich durch eigene erfahrungen nicht gewonnen.
warum wer welche orden und ehrenzeichen angeheftet kriegt, ist von außen oft nicht erkennbar.
mal scheint die preisung der preisverleiher, mal die der laudatoren das wichtigste zu sein. mal die verweigerung der annahme.
das alles unterliegt den güldenen gesetzen des marktes und der faustschen formel: wer immer strebend sich bemüht ...
mein preis ist gekennzeichnet durch die anzahl türkiser kugeln;-)
"h.yuren schrieb am 14.05.2012 um 09:05"
"mein preis ist gekennzeichnet durch die anzahl türkiser kugeln;-)"
Kann man wohl sagen, ich dachte schon, Du faengst jetzt an wie der Heinrich... ;-)
http://us.123rf.com/400wm/400/400/gabees/gabees1011/gabees101100023/8211032-cinco-bolas-decorativas-con-una-flor.jpg
Nebenbei K.K., ich hatte das schon um 1.30 Uhr gelesen, hatte dem aber nichts hinzuzufuegen ;-)
http://4.bp.blogspot.com/_qHCKKxW9nQU/S2CvMiGXgwI/AAAAAAAAAqg/S87PoNsBw3E/s400/Cinco_Rosas_rojas.jpg
Ausser, dass man den Bild-Redakteuren den Pulitzer-Preis für zurückgehaltene Tonbandaufnahmen geben sollte...
http://lh5.ggpht.com/_Dr33wjhiolA/TPzNYI_s9sI/AAAAAAAANp8/NRXPCUCjdsE/quema%20del%20diablo%5B3%5D.jpg
maschine blockt, finger zuckt, und heraus kommt dekoratives
Da kann man schon mal ein Dekolleté mit Charakter verwechseln und eine Bild-Kampagne mit Journalismus.
:-)
Ich habe nichts gegen verdiente Preise - egal in welcher Branche. Und mir kommt es auch nicht darauf an, wie viele unterschiedliche Preise es gibt - Ehrung, Lob und Anerkennung sind für Journalisten, Schauspieler, sozial Engagierte etc. doch meist ein Ansporn! - Und die künstliche Aufregung um den Preis für die "BILD"-Journalisten verstehe ich nicht. Erst treten diese Redakteure ein multimediales Echo los (wir erinnern uns bitte an die Wulff-Debatte), dann sollen sie für diese Art investigativen Journalismus geehrt werden und dann lehnen die SZ-Journalisten ihren Preis für eine andere Recherche ab. Ob das nun sinnvoll ist? - Immerhin haben auch die so genannten Qualitätsblätter SZ, FAZ und wie sie alle heißen über Wulff berichtet und ständig neue Details zutage gefördert. Alle haben sich von der "BILD-Bewegung" anstecken lassen. - Daran sollten die Journalisten zweifeln: Muss ich auf einen Zug aufspringen, der zu einem großen Thema aufgebauscht wird? Ich erinnere da zum Beispiel an die "Schweinegrippe-Pandemie". - Auf der anderen Seite ist es natürlich nicht sonderlich sinnvoll einen Preis für journalistische Qualität an die BILD zu vergeben.
Der Preis für die BILD beschädigt nicht den Qualitätsjournalismus und nicht den Henri-Nannen-Preis; eher die Reputation und Urteilskraft der Juroren, die darüber entschieden haben!
Ganz großes Kino, liebe Kay, das sich in kleinen, scheinbar nebensächlichen Sätzen verbirgt: "Das kann passieren."
Dieser Leser kann Dir keinen Preis offerieren, aber, Himmel, was hab' ich gelacht.
Gerne gelesen!
@tlacuache
"mein preis ist gekennzeichnet durch die anzahl türkiser kugeln;-)"
Kann man wohl sagen, ich dachte schon, Du faengst jetzt an wie der Heinrich... ;-)
Muß ich mich wirklich von einer mexikanischen Beutelratte schräg von der Seite anquatschen lassen? Muß ich das? Ich hätte jedenfalls von türkisenen Kugeln gesprochen.
Ciao
Wolfram
Da fällt mir mal wieder folgendes Zitat ein:
"Preise sind wie Hämorrhoiden. Früher oder später kriegt sie jedes Arschloch."
Billy Wilder
Auch der Freitag-Herausgeber sollte hier kommentieren.
https://lh6.googleusercontent.com/-mxa3yt9eVkE/T7InTShCyVI/AAAAAAAACF0/K3w232PBWJQ/s400/meeneBarille_3.jpg
Aber denken würde er das schon, der Herr Professor Dr. Dr. Lamme Goedzak, oder?
https://lh6.googleusercontent.com/-KYoLEIm0dOc/T7Il37gA7XI/AAAAAAAACFs/jrdQZ5XWkiA/s400/meeneBarille_2.jpg