Ein Buch, das niemals untergeht

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Das gedruckte Buch ist bedroht vom Gerede vom Ende des gedruckten Buches. Da laufen die Leser gedruckter Bücher Gefahr, als die letzten ihrer Art auf die Arche befohlen zu werden. Jeder darf zwei Romane, zwei Krimis, zwei Gedichtsammlungen, zwei Lexikonbände (Buchstaben nach Wahl), zwei Biographien und je ein Buch von Charlotte Roche und Eckart von Hirschhausen bei sich führen.

Doch was, wenn die MS Gutenberg der Küste Beliebiens zu nahekommt? Wenn irgendein Angeber den Dampfer in flache Gewässer manövriert? Oder wenn ein Shitstorm der E-Book-Reader das meiste über Bord spült?

Dann gibt es noch diese Errungenschaft der von Normalität überforderten Zivilisation: Das Wannenbuch aus der Edition Wannenbuch. „Originell, kurzweilig und garantiert durchgelesen in 15 Minuten.“ Es ist nicht größer als eine CD, quadratisch, gelb, aus Gummi und hat alles in allem acht Seiten. Es ist zwar schadstofffrei, dennoch „für Kinder ungeeignet“ und übrigens „printet in China“. Also gedruckt, irgendwie. Im Meer der Neuerscheinungen ausgesetzt von der Koch & Strietzel GbR in Chemnitz.

Chemnitz ist ja wirklich sehr seit weg von Spanien. Da kann einem so etwas schon mal einfallen: „Sonne, Sex und Sangria“ nämlich heißt das, nun ja, Buch. Es vermittelt „Spanien-Wissen für die Wanne und den Strand“. Wer braucht denn in der Wanne Spanien-Wissen? Am Strand hingegen kann der Ernstfall schon mal eintreten, sofern es nicht der Strand von Hiddensee ist.

Autor Ramon Barquez ergänzt knallharte Fakten („500 000 deutsche Staatsangehörige leben mindestens drei Monate im Jahr in Spanien“) mit Sprachschätzen für die Praxis: „Quiero salir de aquí. – Ich will hier raus.“ Oder: „Nosotros somos el pueblo. – Wir sind das Volk.“ Knapp wird erklärt, was Tapas sind, wieviele Welterbestätten das Land hat und seit wann Juan Carlos I. König ist. („ A su servicio. – Zu Ihren Diensten.“)

Dieses Buch ist, Literatur-, Spanien- und Wannenfreunde werden es bemerkt haben, vor allem Spaß. Genauso wie das gummierte Italienwissen „Pizza, Papst und Panna cotta“, abwaschbare Roman „Yachttrip ins Glück“ oder der unsinkbare Krimi „Blume des Herzens”.

Spaß ist wichtig, wenn alles den Bach runtergeht. Schon, weil er oben schwimmt. Denn wenn alle Strände belegt, alle Witze gemacht, alle Bücher digitalisiert sind, werden wir merken, dass das Wannenbuch noch da ist. Und unsere Tränen werden an ihm abperlen wie Sangria am Stolz der spanischen Krone. „¿Cuánto tiempo más va a tardar? – Wie lange dauert das noch?“

(zuerst unter www.lvz-online.de)

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

kay.kloetzer

Kulturtante in Leipzig.

kay.kloetzer

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden