Sie hat schon bezahlt, als die Mittfünfzigerin an der Kasse die Contenance verliert. „Ich habe auch mal eine Doktorarbeit geschrieben. Das kann man schon mal eine Quelle vergessen. Die haben ihn so lange gejagt, bis er nicht mehr konnte.“ Mit dem Wechselgeld bekommt sie den ratlosen Blick der Verkäuferin. Die erkundigt sich kurz darauf kichernd bei der Kollegin, was die Olle da wohl wollte.
Das war am Nachmittag, und ich konnte noch darüber lachen. Inzwischen habe ich die Mär von der „Jagd auf Guttenberg“ zu oft hören müssen, die Lüge von der Schuld der Medien, die Burnout-Floskel von den Grenzen der Kräfte.
Affäre wie Rücktritt werden erstaunlich persönlich genommen. Die Hauptstadtjournalisten fühlten sich düpiert, die Bayreuther Professoren betrogen, die Akademiker der Ehre beraubt. Und ein Teil des Volkes scheint sich führerlos zu fühlen.
Wie jeder Pop-Star hat auch dieser seine Fanclubs. „Für ein schnelles Guttenberg Comeback“ heißt eine Facebook-Seite, eine andere „Karl-Theodor zu Guttenberg soll deutscher Bundeskanzler werden“. Oder „Ein Guttenberg tritt nicht zurück. Er nimmt Anlauf.“ Den Vogel, quasi Bundesadler aber schießt diese ab: „Wir wollen Guttenberg zurück“.
Nun sind Internetforen nicht selten eine Wärmestube für Zu-kurz-Denker und Gegen-den-Verstand-Argumentierer. Was hier abgeht, ist angewandte Demagogie. Das steht: „ich finds scheiße das er zurückgetreten ist, da haben wir endlich mal nen politiker mit hirn und verstand, dann kommen die scheiß medien und vergraulen ihn, damit unser scheiß deutschland scheiße bleibt“.
Ein anderer bekundet „Respekt vor dieser Person. Genau solche braucht das Land, um endlich wieder dahin zukommen, wo wir Deutschen mal waren.“ Der politische Schaden, den Guttenberg mit seinem Rücktritt abwenden wollte, liegt ihm längst zu Füßen.
Hier wird nicht nur einer bewundert, „der auch junge Menschen für Politik begeistern konnte“, der „Einzige der das Flair hat“, hier ist man sich sicher: „Er kommt zurück, und wenn es so endet wie in Ägypten.“ Und damit ist vermutlich nicht der Kater nach dem All-inclusive-Urlaub gemeint.
Mal abgesehen davon, dass weder eine Medien-Kampagne Guttenberg zu Fall gebracht hat noch die Opposition, zeigt sich schon, worauf es bei der nächsten Wahl ankommt: „ER WIRD TROTZDEM DER BUNDESKANZLER UNSERER HERZEN BLEIBEN“
Während dieser Text entsteht, hat die Fanpage zehntausende neue Anhänger versammelt. Man kann die Einträge jetzt nicht mehr sehen, ohne Fan zu sein. Doch so genau will ich es dann auch nicht mehr wissen.
update 23.04 uhr: Die Seite ist wieder einsehbar, aber ich will es trotzdem nicht mehr wissen.
Kommentare 41
Ich gebe zu, ich wollte spontan schreiben, nun auch Du, kay.kloetzer, auf dem Gutti-Trip, noch ein Blögchen zu dem 'Thema'??!!
Na ja, hast ja Recht. - Im Inntörnött findet sich ein Haufen deutschnationale Chauvi-Scheiße, sie werden einen neuen Gel-Star finden oder das Establishmentoderwerauchimmerduweißtschon baut ne andere Figur auf, denn auch Traumfürsten können als Führer verbrannt sein...
Toll geschriebener Blog. Der Inhalt natürlich teilweise bedrückend. ...aber leigt nicht ein leiner Trost darin, dass Bild es trotz alll ihrer Medienmacht nicht geschafft hat, ihn zu halten. Der Kampf geht weiter. ...aber trotz der Gutti-Fans, blieb ihm keine Möglichkeit mehr als zu gehen, das ist doch was! Oder?
Herzliche Grüße
por
nun: 251 000 fans. leider kann ich jetzt auch die einträge wieder sehen - war wohl ein psychosomatischer schwächeanfall meines laptops.
Zum Doktor der Herzen reicht es bereits nicht mehr. Vielleicht noch für's Bundesverdienstkreuz: für den schnellsten Aufstieg und den tiefsten Fall eines deutschen Nachkriegspolitikers.
lieber poor,
ich sehe diesen rücktritt nicht als erfolg, sondern als zwangsläufig. spätestens als die kanzlerin gestern einlenkte, sie verstehe die empörung, war klar, was kommt. denn nicht die diss ist das problem, sondern der umgang mit der wahrheit. wenn so - ja doch - viele fans die fakten komplett negieren und in ihren äußerungen einzig dem meinungs-diktat der BILD folgen, wird mir angst und bange, was passiert, wenn wir mal wirklich ein problem haben in diesem land.
herzliche grüße zurück
kay
heute mittag bei twitter:
"104% der BILD-Leser wollen dass zu Guttenberg weiter als Arzt praktizieren darf."
Meinst Du wirklich Gero,
die bürgerliche Gesellschaft vergäbe Verdienstkreuze für öffentlich gezeigtes Scheitern? Ich dachte bisher, es wird nur zu oft für dessen erfolgreiche Verschleierung verliehen. Solch ein Kreuz hätte dann zu diesem "Doktorgrad" auch gepaßt. In Deiner Variante wäre es also nur der Einstieg in den (erneuten) "Aufstieg".
mfg
ut
die demagogie war schon zugegen, als uns dieser mi(ni)ster landauf und -ab als DER newcomer in der politik geprießen wurde und seine adelige herkunft selbst die öffentlich-rechtlichen anstalten dazu verführte, ihre honneurs mit einschlägigen sendungen zu bekunden - das ist noch gar nicht solange her, und das alles geschah ungeachtet recht fragwürdiger entscheidungen (kundus, schneiderheinze usw.), die öffentlichen übten sich in affirmativer proklamation ...
Blickt Richtung Süden über die Alpen, kann einem schon der Gedanke kommen, dass der Apparat, der da gerade läuft so eine Art "Forza Germania" ist - Berlusconi auf Hochdeutsch.
das trifft den sachverhalt: "...angewandte Demagogie."
was dem vorhandenen system droht, ist seit platon bekannt. das umkippen in die tyrannis. die vorstufe ist der personen- oder führerkult. das führerprinzip.
wir haben in diesem land nicht nur mal ein problem, liebe kk, wir sind umzingelt von unlösbaren aufgaben.
die mehrheit der wahlberechtigten versteht nichts von atomphysik, pharmachemie, geologie, raumfahrt, gentechnik etc. sie zieht es vor, personen zu wählen. und sie wird mit solchen angeboten bedient.
noch mal glück gehabt, sag ich mal. doch die gefahr bleibt ...
Natürlich nicht, Uwe.
Und ja, Du hast recht, es sind häufig Schleierkreuze. Es sind schon Verdienstkreuze an Personen des öffentlichen Lebens vergeben worden, die eigentlich mehr verdient haben, also eher bereichert, als sich "verdient um" gemacht haben... wo ich... schon aus diesem Grunde dieses "Ordentliche" ablehne.
Es gab da mal einen Witz - Nach einem Banküberfall fragt der Polizist einen Passanten: "Wie sah der Täter aus?"
"Ich kann mich nicht erinnern."
"Hatte er ein Bundesverdienstkreuz?"
"Nein."
"Dann werden wir ihn schnell finden."
Besagter Herr von und zu hat den BILD-Fahrstuhl nach ganz oben genommen und jetzt fährt er erstmal mit BILD wieder nach ganz unten. In der nächsten Legislaturperiode werden wir ihn wiedersehen - entweder als "Theo gegen den Rest der Welt", oder als "Geist der Phrase" in den Geschichten aus tausendundeiner Wahlverunstaltung.
Ja, mit "u".
@kay.klötzer
104% der BILD-Leser?
Dann haben auch welche aus den Reihen der FDP für zu Guttenberg gestimmt.
Viele sehen in der Affäre Guttenberg den Untergang der deutschen politischen Kultur und einige nennen sogar den Namen Berlusconi als Vergleich.
Man sollte tatsächlich die Affäre Guttenberg mal in Relation stellen zu den italienischen Vorgängen. Zumindest die "freien" italienischen Medien und viele Italiener sehen in der deutschen politischen Kultur ein Vorbild. Denn eine Rückritt nur wegen des Abschreibens von wissenschaftlichen Arbeiten, das ist in Italien Utopie. Italien hat ganz andere Probleme. Im Parlament sitzen einige Dutzend Abgeordnete, die auf eine Gefängnisvergangenheit zurückblicken. In Italien geht man in die Politik um sich vor seinen Prozessen zu retten und/oder sich zu bereichern.
siehe auch: www.rivoluzion.net/2011/03/01/die-aff%C3%A4re-guttenberg-aus-italienischer-sicht/
Originalzitat eines Zwanzigjährigen letzten Sommer auf meine Frage, was er denn für eine Zeitung lesen würde:
"Bild Zeitung, die schreiben zwar nicht immer die Wahrheit, aber das ist die einzige Zeitung, die man lesen kann."
Die Causa Guttenberg zeigt deutlich, dass es ein Rechtspopulist mit Charisma in Deutschland leicht haben wird, sobald er die richtige Presse auf seiner Seite hat. Die willige Masse ist vorhanden. Und dabei glaube ich noch nicht mal, dass die alle blöd sind, sondern, dass die Sehnsucht nach einem Macher, einem Beschützer, einer Vaterfigur so groß ist, dass sie den Verstand ausschaltet. Man muss sich auch nur mal die Plakatwerbung von Olaf Scholz in Hamburg anschauen. Staatsmännisch, breitschultrig kommt er daher, mit Schlagwörten wie Klarheit, Vernunft etc.. Die Werbekampagne war richtig gut und hat funktioniert, alle haben vergessen, dass er nicht unwesentlich an Hartz 4 beteiligt war und den Brechmitteleinsatz einführte.
Wenn man es dann noch versteht komplexe politische Zusammenhänge in verständlicher Sprache darzustellen, wie es Sarrazin getan hat, dann hat man gewonnen. Egal was da inhaltlich steht, die Menschen wollen teilhaben und wenn dann jemand kommt und sagt, ich erklär euch das mal in einfachen Worten, ihr seid mir wichtig, ich bin einer von euch, dann fühlen sie sich ernst genommen. Da der Großteil der politischen Klasse sich alleine schon rhetorisch vom Gros des Volkes weit entfernt hat, hat man damit besonders viel Erfolg. Ich habe mich nicht nur einmal erschreckt in den letzten Wochen welche Menschen, die ich kenne und nicht für blöd halte, Sarrazin zumindest in Teilen recht geben.
Ich habe weniger vor echten Problemen in diesem Land angst, als vor einer Mischung aus Sarrazin und Guttenberg mit Kai Diekmann und Liz Mohn im Rücken.
Und? Sollen wir jetzt zuwarten, bis es bei uns solche italienischen Verhältnisse auch gibt? Das kommt mir so ähnlich rüber, wie das Argument, man könne in Deutschland erst über Armut jammern, wenn die Armen in Deutschland auf das Niveau von Burkina Faso herunterverarmt worden sind. Ne, Ne, so geht das auch nicht.
Das habe ich damit nicht gesagt. Man sollte aber auch nicht den Untergang der deutschen Politik und Gesellschaft heraufbeschwören. Letztendlich liegt die einzige Lösung darin, dass möglichst viele Bürger partizipieren und nicht nur Jammern. Das gilt für jede Gesellschaft.
Und ich möchte darauf hinweisen, dass ein Vergleich der deutschen und italienischen Verhältnisse die gravierende Lage in Italien bagatellisiert. Wer Guttenberg, die Doktorarbeits-Affäre und die italienischen Verhältnisse in Beziehung setzt, hat wirklich überhaupt keine Ahnung von Italien und sollte sich damit mal tiefgründiger beschäftigen.
Natürlich finde ich, dass Guttenberg zu Recht zurückgetreten ist. Und das dieser Rücktritt erfolgte, zeigt dass die politische Kultur in Deutschland noch relativ in Ordnung ist. Dagegen ist das Schweigen der europäischen Politik zu Italien als wesentlich schwerwiegender zu werten als diese Affäre Guttenberg.
Ich hab noch nie einen Guttenberg-Fan in freier Wildbahn angetroffen. Wo kann man die beobachten?
Lauer ihnen am Zeitungs-Kiosk auf. Sobald Du einen Bild-Käufer bemerkst, kannst Du einen Fan beobachten.
Na, oder an Supimarktkassen, wie kay.k und koslowski zu berichten wissen.
"als vor einer Mischung aus Sarrazin und Guttenberg mit Kai Diekmann und Liz Mohn im Rücken."
Ich korrigiere mich, das ist ein Problem.
In Bierzelten und Salem, sowie Studentenverbindungen.
Guttenberg-Fans sind ein scheues Wild. Da im Moment keine Schonzeit ist, verstecken sie sich gut getarnt im politischen Unterholz.
Der Guttenberg-Fan ist sehr anpassungsfähig und deshalb ein erfolgreicher Kulturfolger. Die in den letzten Jahren vor allem in Süddeutschland entstandenen fast sozialdemokratiefreien und grünlosen Wahlkreise hat es schnell mit einer angepassten Lebensweise besiedelt. Große Gruppen mit nicht selten mehr als 20 Individuen halten sich den ganzen Tag auf der im Winter fast zeitungslosen, weithin offenen, aber durch Soirées und Empfänge äsungsreichen Fläche auf. Nach ihrem individuellen Lebensraum werden Guttenberg-Fans beispielsweise als Landfans oder Stadtfans bezeichnet.
Dieser Text ist ein Plagiat, aber wenigstens ein Gut(t)es.
@lebowski schrieb am 02.03.2011 um 11:57
Ich habe gestern zwei von der Sorte getroffen. Eine Dame war die Kassiererin im Supermarkt (etwa Anfang 50) und die andere die Kundin (etwa Ende 70, kein Scherz). Die beide haben sich an der Kasse unterhaltet. Guttenberg soll - ihrer Meinung nach - ein potenter Mann etc. sein und seine Feinde sind eben Neider. Hm... ich habe den Damen erklärt, was ich davon halte. Es sind bei denen die Kinnklapen nach unten gefallen. Sie haben versucht, sich zusammenzuraffen, aber mehr als "er ist doch ein potenter Mann und er hatte es gar nicht nötig, Doktorarbeit zu klauen" kam da nicht raus. Als ich danach zu Konditorei-Theke ging, um zwei Stück Kuchen zu holen, hat die Verkäuferin da, die alles mitgehört hat, mich sehr freundlich und verständnisvoll angelächelt und mir umsonst so irgendein Süßigkeiten-Kram zum Probieren eingepackt. Also...
P.S.: Vorher habe ich nie Guttenberg-Fans lebendig gesehen. Ich dachte mir fast, diese angeblich existierende Fans wären die Fantasie-Flüge von Nikolaus Blome oder so...
>>Man sollte aber auch nicht den Untergang der deutschen Politik und Gesellschaft heraufbeschwören.
Aber man könnte mal fragen: "Was ist das eigentlich, das immer wieder mal bedingt durch Kohl/Flick, Schreibersche Koffer, Gerhard Gazproms Armutspolitik oder Guttenbergs Plagiat untergeht?"
Illusionen gehen ständig unter, aber ihre Quellen bleiben aktiv...
Sagen wir mal so: Sie sind Produkte der massenmedialen Illusions- und Denkabstinzmaschinterie...
Teils echte Menschen, teils halluziniert durch das Opium fürs Volk. Die Übergänge sind fliessend.
Ich hab schon öfter erlebt, z.B. bei S-Bahnfahrten, wie eine BILD und eine AZ miteinander diskutieren oder ein RTL und ein ZDF. Ob sie selber was denken, ist nicht erkennbar...
"Ich dachte mir fast, diese angeblich existierende Fans wären die Fantasie-Flüge von Nikolaus Blome oder so..."
Das war auch mein Eindruck. Dessen Nase wird ja jetzt auch immer spitzer, wahrscheinlich vor Sorge um Tutti Gutti.
Ich kenne auch keinen Guttenberg-Fan in meiner Nähe. Wo die alle sitzen, keine Ahnung.
also ich muss definitiv öfter einkaufen gehen, man weiß ja gar nicht mehr, wie das volk denkt ...
guttenberg-fans, na, sagen wir mal guttenberg-nicht-ablehner kenne ich zwar persönlich, aber das war vor diesem copygate. keiner von denen würde behaupten, dass eine verschwörung aus medien und linkspartei ihn gejagt habe.
"Dagegen ist das Schweigen der europäischen Politik zu Italien als wesentlich schwerwiegender zu werten als diese Affäre Guttenberg."
Sie haben irgendwie recht, aber ich sehe zwischen Guttenberg-Affäre und totschweigen der italienischen Verhältnisse durchaus auch einen Zusammenhang. Und wenn wir hier die angeblich so intakten politischen Verhältnisse nicht kritisch begleiten, dann haben wir die italienischen Verhältnisse auch ganz schnell. Es gilt den Anfängen zu wehren, denn es gibt auch hier bei uns eine Verrohung innerhalb und außerhalb der politischen Klasse, innerhalb von Wirtschaft und Publizistik die mehr als bedenklich ist. Der Berlusconi-Vergleich ist in seiner Drastik dabei eher hilfreich und verharmlost die italienischen Verhältnisse meiner Meinung nach nicht so sehr, dass man zur Veranschaulichung darauf ruhig hinweisen kann. Nämlich darauf, was passiert, wenn der "Aufstand der Anständigen", wie in Italien, weitgehend ausbleibt und Medien ihrer eigentlichen Funktion weitgehend beraubt sind.
Guttenberg kurz vor der Wahl bei Gottschalk, Boulevardauftritte in Afghanistan. Konservative Politiker die frech in alle Kameras lügen etc. pp. Wir sind schon viel weiter in Richtung Italokratie, wie manche meinen.
Na, mit Verlaub, goedzak: Über zu Guttenberg und seine Anhängerschaft kann man aus sehr guten Gründen bestürzt sein. Aber »deutschnationale Chauvi-Scheiße gehört tatsächlich nicht zu dem, was ihn und seine Entourage auszeichnet.
In Wahrheit hat ihm ja über weite Strecken — auch und besonders von links her übrigens, was noch einmal ein ganz eigenes Befindlichkeitsgemälde ergäbe — das genaue Gegenteil davon vorgeworfen, nämlich daß er die »deutschen Interessen« (welche sind das noch gleich?) zugunsten des Auslandes veruntreue.
Hier nur ein paar Fakten zu Italien:
1. Von 1994 bis 2010 hat die italienische Regierung alleine für Berlusconi 37 Gesetze verabschiedet, um ihn vor seinen Prozessen zu retten. B. und seine Getreuen sind nur in die Politik eingetreten, um sich vor dem Gefängnis zu bewahren und sich zu bereichern. 1994 waren B. und seine Unternehmen hoch verschuldet. Dank guter Gesetzgebung und reichlichen Steuerentlastungen für seine Unternehmen verfügt er nun über ein Vermögen mehreren Milliarden Dollar.
2. Im italienischen Parlament sitzen mehrere Dutzend Abgeordnete, die auf eine Gefängnisvergangenheit zurückblicken können und/oder gegen die prozessiert wird. Berutti von Berlusconis PDL ist so ein Beispiel. Kürzlich ist er wieder mal zu über 2 Haft verurteilt worden. Er hat schon mehrmalige Gefängniserfahrung. Marcello dell'Ultri ist ein weiteres Exempel. Er ist einer der Schlüsselfiguren des Regimes Berlusconi, sowohl als Führungskraft in seinem Medienunternehmen als auch als Gründer und Vordenker der Partei Berlusconis. Derzeit hält er sich wieder mal im Gefängnis auf: verurteilt zu über 7 Jahren Haft wegen Mafiaverstrickungen. Gefängniskarrieren gibt es aber nicht nur in seiner Partei.
B. hat viele seiner Anwälte und Angestellten in seiner Fraktion und Regierung untergebracht.
3. B. ist sogar schon mal rechtskräftig verurteilt worden. Seit 1999 sendet einer seiner Sender illegal. Das Unternehmen Centro Europa 7 hatte diese Sendefrequenz bekommen, konnte aber nie mit einem Kanal starten, da Rete 4 illegal weitersendete. Dies ging bis zum europäischen Gerichtshof, der 2008 entschied, dass Rete 4 nicht mehr senden darf. Auch heute läuft Rete 4 noch. Die Europäische Politik hat sich nie dazu geäußert.
4. Die parlamentarische Mehrheit: B. hatte letztes Jahr seine Mehrheit verloren, da sich eine Gruppe von Abgeordneten abgespalten hat. Seit dem Misstrauensvotum am 14.12. verfügt er auf wundersame Weise wieder über die Mehrheit. Abgeordnete aller Fraktionen wechselten und wechseln auf die Regierungsseite.
5. Gesetzesvorhaben: Die Regierung plant tiefgreifende Gesetze, um sich und insbesondere B. zu retten und die Demokratie und den Rechtsstaat weiter einzuschränken. So soll unter anderem eine Justizreform verabschiedet werden und die Befugnisse von Staatsanwälten und Richtern weiter eingeschränkt werden.
6. Die Medienmacht: B. hat nahezu das Monopol auf dem TV-Markt und kontrolliert das staatliche TV politisch. Zusätzlich hat er große Anteile am Print- und Onlinemarkt. Wer der italienischen Sprache mächtig ist, kann sich vom Ausmaß der Propaganda und Zensur in Italien überzeugen.
7. In Italien gibt es eine riesige Protestbewegung. Fast täglich finden Demonstrationen statt. Die größten Proteste haben Millionen an Teilnehmer. Nur in den Medien finden diese fast gar nicht statt. Die nächste Großdemonstration wird am 13.März italienweit sein: Zur Verteidigung der italienischen Verfassung.
Staaten und Regierungen der EU schweigen zu Italien. Es ist an der Zeit, dass Sie Berlusconi noch mehr isolieren und sich zur italienischen Zivilgesellschaft bekennen.
Ich bezog mich auf einige der von kk zitierten Äußerungen von G-Fans, die in ihn offensichtlich einige Hoffnungen in Richtung Deutschland-erwache gesetzt hatten, j-ap.
Was die Kritik an der vermeintlichen Schädigung des "Wissensstandorts Deutschland" durch Herrn von G. angeht: Du solltest nicht gleich jeden empörten Akademiker einen Linken nennen.
Hallo goedzak,
ich meinte damit nicht einmal so sehr die akademischen Standortverteidiger, sondern beispielsweise sehr wohl Linke, die plötzlich ihre Liebe für die Wehrpflicht (!) entdeckt haben.
Ich kann das bis heute nicht fassen, unabhändig davon, daß die Freiwilligenarmee ihre ganz eigenen Fährnisse mit sich bringt. Aber wenn ich nicht nur hier, sondern auch an anderen Orten vernehme, daß viele irgendwie und sowieso Linke den Erhalt der Wehrpflicht (also um es noch einmal zu wiederholen: einer Form der Zwangsarbeit!) zu einer Entscheidungsschlacht um die Demokratie hochjazzen, dann ist bei mir ehrlich gesagt Ende im Gelände.
(Notiz: Ich suche jetzt seit fast drei Tagen wirklich belastbare und umfassende Informationen über den Stand der Bundeswehrreform-Dinge. Ich habe bis heute nicht viel gefunden außer ein paar entlegenen Vorschlägen und Thesenpapieren, in denen halbgare Szenarien ausgebreitet werden. Und kein Mensch, erst recht aber keine Zeitung scheint sich dafür auch nur im Mindesten zu interessieren. Das geht mir wesentlich stärker im Kopf um als der Burgherr aus Franken und das Bohei um ihn.)
ist garnicht so einfach, wa?
vielleicht hab ich ja hier
www.youtube.com/watch?v=8kJ6EmAXzog
was überhört....
im übrigen find ich's schlicht dämlich, linke pi/x/daumen zu verteidigern der wehrpflicht zu erklären
das hat was von sich nen prügelknaben im fitnessraum aufhängen...
Nein, das ist ist der Tat nicht einfach so en passant zu erledigen, Rahab. Ich hatte mir das ja auch anders vorgestellt, sonst hätte ich wohl kaum vollmundig einen Artikel dazu angekündigt.
Was meine Verwunderung über die anhaltende Ignoranz und das fortgesetzte Schweigen im Walde nur mehr erhöht, wie gesagt.
Aber ich kann mir schon vorstellen, wann das große »Warum sagt uns niemand was?« ausbricht: Dann, wenn es mit den Standortschließungen konkret wird. Dann bricht nämlich mancher Kommune und manchem Kreis ein gewaltiger Arbeitgeber weg — und dann, wenn also mal wieder die Chose schon zu weiten Teilen über die Bühne gegangen ist, geht das Geheul wieder los.
Es ist zum Mäusemelken in dieser Bananenrepublik.
Solche gibt es, ja, mir selbst sind aber eher Leute begegnet, die aus einem sozusagen spontanen anti-militaristischen Reflex heraus die Sache begrüßt haben. Das Ganze muss man aber wohl einfach als Rationalisierungs- und Effektivierungsmaßnahme ansehen. Wo kein Massenheer der Produzenten gebraucht wird, ist auch kein Massenheer der Wehrdienstpflichtigen mehr nötig. In Zukunft wird sich dann wohl auch wie in Amerika eine Tendenz der Privatisierung von bislang staatlicher Gewaltausübung ergeben, ganz gewiss ein Grund zur Besorgnis (wobei, Dir gegenüber will ich das sicherheitshalber betonen, mir nicht das Entstaatlichen sondern die fortschreitende Kapitalisierungstendenz das Bedenkliche ist...) Das muss und wird nun aber ein neuer Kriegsminister in die Wege leiten.
Mit Infos kann ich Dir aber leider auch nicht weiterhelfen. :)>
Das ging @j-ap, 20:38
Der Grund dafür, dass man nichts findet zur Bundeswehrreform ist: Es gibt nichts ! Es gab eine Vorgabe, wieviel Geld einzusparen ist und dann wurde einfach mal mit verschiedenen Modellen gerechnet. Das war die Variante des Generalinspekteurs. Die andere Variante war nicht die weise, sondern von Weise: Mache alles wie die Industrie, gründe eine Rüstungs'agentur' und alles wird gut. Dieser weise, pardon, Weise-Bericht wurde dann von einer überwiegend aus Beamten bestehenden Kommision (Asuk) unter Leitung eines bisher nur in Finanzdingen erfahrenen Staatssekretärs (Dr. Otremba) bewertet und diese Bewertung am 7.2. schon mal dem Hauptpersonalrat vorgetragen. Der damals noch amtierende KTzG hat dabei jedoch erklärt, dass er diesen Bericht noch nicht abschließend gebillgt habe und wollte dies bis Ende Februar tun. Und dazu ist er dann nicht mehr gekommen. Und so wartet die Bundesrepublik und -wehr bis heute auf konkrete Entscheidungen und Vorgaben zur Reform.
Genau solche braucht das Land, um endlich wieder dahin zukommen, wo wir Deutschen mal waren.
Toll! Jetzt träume ich schlecht.
"Wer der italienischen Sprache mächtig ist, kann sich vom Ausmaß der Propaganda und Zensur in Italien überzeugen."
Nein, man muss der Sprache nicht mächtig sein, um all die Fakten, die Sie hier fleißig aufgelistet haben, zu kennen. Mir ist nichts von dem was Sie da schreiben neu. Wenn man politisch interessiert ist und ein wenig recherchieren kann, weiß man über die Lage in Italien bestens bescheid, auch ohne fundierte Sprachkenntnisse. Gff. reicht eine Stunde italienisches TV, um zu begreifen, wie es um Italien bestellt ist. Zumal, wenn man weiß, dass die Printmedien gegenüber dem TV in Italien eine untergeordnete Rolle bei der politischen Willensbildung darstellen.
All das jedoch sollte nicht dafür ins Feld gerückt werden, die Zustände im eigenen Land für gesund zu halten, nur weil es im Süden schon viel schlimmer ist. Im Gegenteil! Wer hier keine italienischen Verhältnisse will, muss den Anfängen (Guttenberg-BILD-Kerner-Gottschalk-PrangerTV-BUNTE) wehren.
Wir sind (noch) weit von italienischen Zuständen entfernt. Aber Sie haben natürlich Recht. Wir dürfen das Feld nicht den Springers, Guttenbergs, Kerners, Gottschalks, Burdas und und und überlassen, sondern wir müssen partizipieren. Ich sage dies bewusst im Imperativ, denn ansonsten sind wir Italien schnell viel ähnlicher als wir denken.
Und das Schweigen der deutschen Politik und Bundesregierung zu den Demokratie- und Rechtsstaatsdefiziten in der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone stellt meiner Meinung nach schon eine gewisse Annäherung dar.